Die Noten des traditionellen SR-Pausenzeichens (Foto: Quelle: Internationales Handbuch für Rundfunk und Fernsehen 1959, SR)

Doppeldeutig: Saar-Politik mit dem traditionelle SR-Pausenzeichen?

  30.01.2012 | 16:11 Uhr

Am 30. Juni 2012 endet an der Saar nach 250 Jahren der Kohle-Bergbau – ein historisches Ereignis. Dieses Fundstück zeigt, welch große Rolle dieses Thema ein dreiviertel Jahrhundert lang in den Programmen des SR und seiner Vorgänger-Sender gespielt hat.

Von Axel Buchholz

Das Stichwort „Bergbau“ hatte im Jahr 2012 Hochkonjunktur in den Archiven des SR. Denn am 30. Juni wurde an der Saar nach 250 Jahren Kohle-Bergbau die letze Schicht gefahren. Und natürlich würdigten alle Programme dieses historische Ereignis für das Saarland ausführlich. Aus Tausenden von Beiträgen, Sendungen und Musiktiteln wurden dafür Bilder, O-Töne und Informationen ausgewählt. Sie zeigen, welch große Rolle dieses Thema ein dreiviertel Jahrhundert lang in den Programmen des SR und seiner Vorgänger-Sender gespielt hatte.

Wie sehr der SR den Bergleuten dabei auch emotional verbunden war, bezeugt wohl besonders gut die kürzeste aller Sendungen: die Melodie zu einer Zeile des traditionellen Lieds der Bergleute „Glück auf, der Steiger kommt“. Als Pausenzeichen war dieses Motiv im Hörfunk über fast vierzig Jahre hinweg immer wieder zu hören. Zuerst wurden 1956 zwei Versionen eingespielt, beide von Mitgliedern des Rundfunk-Sinfonie Orchesters Saarbrücken, deren Namen nicht überliefert sind.

Die Instrumentierung war unterschiedlich: für das 1. Programm (Mittelwelle) mit zwei Hörnern, für das 2. (UKW) mit Holzbläsern. Später gab es wohl für alle Programme nur die Hörner-Version. Ab 15. 1. 1986 lief eine Fassung, die Marcus Wahl mit einem Yamaha Synthesizer DX7 produziert hatte. Tontechniker Michael Fürsattel erinnert sich, bis Mitte der 1990er Jahre die Hörner-Version noch im zweiten Programm eingesetzt zu haben. Ab 1. Januar 1995 jedenfalls wurde auf SR 2 KulturRadio ein Motiv aus Beethovens „Wut über den verlorenen Groschen“ als Claim/Erkennungsmelodie verwendet.  

Auch im Fernsehen war das Motiv aus dem Steigerlied zu hören, wenn eine Programmpause zu überbrücken war. FS-Tontechniker Peter Blattner ist sich sicher, es bereits in den Anfängen des SR-Fernsehens Anfang der 1960er Jahre abgespielt zu haben.

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Allein 1964 weist die SR-Statistik für beide Hörfunk-Programme zusammen mehr als 114 Stunden Pausenzeichen aus. Bei einer Länge von fünf Sekunden wäre es damit mehr als 80tausend Mal zu hören gewesen. Sollten die Pausen dazwischen mitgerechnet worden sein, wären es immer noch annähernd 15tausend Mal gewesen. Diese ungeheuer anmutenden Zahlen erscheinen plausibler, wenn man (sich) an die Programme damals erinnert. Anders als heute kam noch vieles vom Band. Und auch wenn live „gefahren“ wurde, geschah dies längst nicht so hart. Kleine Pausen zwischen den Sendungen gehörten durchaus zum guten Ton.

Unterschiedliche Inhalte sollten so voneinander abgesetzt werden. Zudem wurde das Pausenzeichen nicht nur bei solchen Gelegenheiten eingesetzt. Auch nach Programmm-Unterbrechungen war es länger als Programmkennung zu hören. Damit wurde angekündigt, welcher Sender gleich auf dieser Frequenz wieder zu empfangen sein würde.

Unterbrechungen waren einerseits lange zur Wartung der Sendeanlagen nötig. Andrerseits begann das zweite SR-Hörfunkprogramm auf UKW 1953 aus Kostengründen nicht gleich als Vollprogramm, sondern erweiterte erst nach und nach seine Sendedauer. Vor dem Steigerlied-Pausenzeichen gab es schon drei andere, zuletzt (wohl ab 1949) ein Motiv aus „Kein schöner Land in dieser Zeit“.

Dass das neue Pausenzeichen gerade im März 1956 (ab 11. 3. 1956) eingeführt wurde, war sicherlich kein Zufall. Die Saarabstimmung am 23. Oktober 1955 hatte eine Zweidrittel-Mehrheit gegen eine europäische Lösung ergeben. Die prodeutschen Heimatbund-Parteien bildeten nach der Landtagswahl im Dezember nun die Regierungskoalition. Zwischen Deutschland und Frankreich wurde erneut über die Zukunft des Saarlandes verhandelt. Im Saarland herrschte Umbruch-Stimmung. Und woher (besser: wohin) der Wind nun wehte, das wirkte sich natürlich auch bei Radio Saarbrücken aus. Mit Geschäftsführer/Intendant Prof. Dr. Eugen Meyer, Programmdirektor Dr. Alexander Schum und Chefredakteur Wilhelm Diederich war die Führungsspitze zwar unverändert geblieben, aber in den Programmen war es deutlich zu hören. Ein neues Pausenzeichen passte also durchaus in das veränderte politische Klima.

Auch wenn es schriftliche Quellen dafür nicht gibt und ebenso wenig Zeitzeugen-Aussagen damals dafür Verantwortlicher: Für das Motiv aus dem Steigerlied sprach vieles. Es stammte, wie auch bei anderen Sendern üblich, wieder aus einem populären Volkslied. Und das war zudem eng verbunden mit der angesehenen und zahlenmäßig führenden Berufsgruppe der „Berschleit“, deren Kultur das Saarland noch prägte. In die dazugehörige Textzeile „Und er hat sein helles Licht bei der Nacht (schon angezündt, schon angezündt) …“ lässt sich durchaus so etwas wie Neuanfang hineininterpretieren.

Außerdem war die Melodie des Steigerlieds nicht nur eingängig, sondern annähernd allen bestens bekannt. Das freilich ebenfalls (wenn nicht sogar noch mehr) durch den anderen Text, der darauf gesungen wurde: „Deutsch ist die Saar“. Und darin gehörte das Motiv zu der Textzeile: „Und ewig deutsch mein Heimatland …(Mein Heimatland, mein Heimatland) ..."

Dieses Saar-Lied schrieb der Reformpädagoge und Autor ("Hanns") Maria Lux bereits 1920 während seiner Zeit als Lehrer in Saarbrücken - kurz nach der Abtrennung des Saargebiets von Deutschland. Vor der ersten Saarabstimmung 1935 wurde es dann – als Kampflied missbraucht – ständig gesungen. Und auch vor der zweiten Saar-Abstimmung 1955 war es wieder zu hören gewesen. Noch die Hälfte der Stimmberechtigten von vor 20 Jahren durfte da wieder abstimmen. So meinen denn alle befragten früheren SR-Mitarbeiter, dass den damaligen Verantwortlichen die Doppeldeutigkeit des Pausenzeichens durchaus bewusst gewesen sein muss. Ob sie die so wollten oder nur (billigend) in Kauf nahmen – darüber gehen die Meinungen auseinander.

Interessant: Aus dem Jahr 1956 (16. November) stammt ebenfalls die erste Nachkriegs-Produktion des Saar-Lieds. Die Besetzung war prominent: Der Chor des Staatlichen Konservatoriums Saarbrücken sang (nur) die erste Strophe, das Rundfunk-Sinfonie-Orchester spielte, Rudolf Michl dirigierte.

Wer sich das neue Pausenzeichen einfallen ließ, ist nicht überliefert. Wohl aber, wer das Volkslied dafür bearbeitet hat. Es war der Komponist und Musikprofessor Heinrich Konietzny (1910 -1983). Der Schüler von Paul Hindemith wurde 1936 Solofagottist im Orchester des Reichssenders Saarbrücken und nach dem Krieg dann 1.Fagottist im SR-Sinfonie-Orchester (1946 – 1964). Möglicherweise war er ja zugleich der Ideengeber. Passen würde es, denn Konietzny arbeitete auch als „SR-Hauskomponist“. Der für den Programmablauf zuständige Sendeleiter Dr. Heinz Freiberger war bestimmt an der Einführung des neuen Pausenzeichens ebenfalls beteiligt, auch er schon ein Mitarbeiter des Reichssenders Saarbrücken.

Intendant Mai und Konietzny (Foto: SR)
SR-Intendant Dr. Franz Mai und der Komponist Heinrich Konietzny, Bearbeiter des SR-Pausenzeichens

So langsam nahmen Mitte der 80er Jahre mit der immer stärkeren Formatierung der einzelnen SR-Programme die Einsätze dieses Pausenzeichen schon ab, da wurde es sogar noch zu einem „Schlagerstar“. Wolfgang de Benkis "Un do druff bin ich e bisje stolz" begann mit diesem musikalischen Zitat. Produzent Bert Berger (Cindy und Bert) erinnert sich: „Ich bin mit dem Pausenzeichen aufgewachsen. Und 1983/84 war es jedem Saarländer im Ohr.“ Also ein guter „Hinhörer“. Schnell wurde der Pausenzeichen-Schlager ein Hit an der Saar. Das Pausenzeichen selbst war es schon lange. Un do druff kann der SR e bisje stolz sein.

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