Georg Fox (Foto: Georg Fox privat)

Georg Fox auf SR 3: „Òòmends-schbääd“ – Saarländische Nachtgedanken in Mundart

  16.02.2024 | 10:30 Uhr

Ein SR 3 Rekord dürfte es sein, den der saarländische Autor Georg Fox da mit seiner Mundart-Reihe aufgestellt hat: Zwischen Oktober 1996 und Februar 2003 sendete SR 3 Saarlandwelle über 330 seiner „saarländischen Nachtgedanken“. Sie liefen abends spät. Nein, „Òòmends schbääd“ – um es in Rheinfränkisch (Saarbrücker Platt) zu saan, also wie dem Schorsch der Schnawwel gewachse is. Die rheinfränkische Mundart ist neben dem Moselfränkischen eine der beiden Dialektfamilien seiner saarländischen Heimat – also dort, wo zu leben für ihn „ein Glück“ ist.
Daran, wie die „Nachtgedanken-Reihe“ entstand, erinnert sich Georg Fox  in diesem Fundstück zur SR-Geschichte.

Von Georg Fox

Es war SR-Redakteur Bernhard Stigulinszky, der im Januar 1996 bei einem zufälligen Treffen darauf hinwies, dass man montagabends zwischen 22.10 Uhr und 22.30 Uhr in der letzten knappen halben Stunde der Sendung „Mundartabend“ noch einen Beitrag platzieren könnte. Ich schlug dem damaligen Redakteur des Mundartabends Günter Schmitt vor, man könne dort eine Art „Nachdenken über den Verlauf des Tages“ einbauen.
Die Idee wurde nicht verworfen und ich machte mich im Februar 1996 daran, einige Texte als „Saarländische Nachtgedanken“ zu entwerfen. Dabei plante ich mehrere Konstanten als wiederkehrende Erkennungsmerkmale ein. Jeder Text sollte mit „Òòmends schbääd“ beginnen und mit „bei uns dehemm“ enden. Ebenso sollte in jeder Folge das Kerngebiet des SR-Sendebereichs und angrenzende Gebiete benannt werden, um eine Identifizierung mit dem Text zu ermöglichen.

Günter Schmitt, der Redakteur des Mundartabends (Foto: Reiner Oettinger)
Günter Schmitt, der Redakteur des Mundartabends

So entstanden die ersten Folgen mit Titeln wie „Am Abend im Wohnzimmer“, „Spätes Essen in der Küche“, „Die letzten Gäste sind gegangen“, „Am Bettchen des Kindes“, „Sommergewitter“. Die Texte wurden so geplant, dass sie etwa eine Sprechzeit von 2½ Minuten hatten.
Was mir während der Zeit des Titel-Brainstormings bewusst wurde: Die Texte mussten auf jeden Fall mit einer Musik unterlegt werden. Zwischen James Last und Rondo Venetiano suchte ich gängige Musiktitel, wobei diese Musik zu perfekt klang, um zur Mundart zu passen.
Mir schwebte ein Instrumentaltitel vor wie z.B. „Where the rainbow ends“ vom Tony Hiller Orchestra. Diese Melodie kannte ich aus einer früheren SR-Sendung „Urlaub mit Musik“ mit Elke Herrmann in den 60er Jahren.
Schließlich kam mir ein „Déjà vu“ zu Hilfe. Mehrere Jahre war ich Sprecher der Künstlerinitiative Köllertal, wo unsere Gruppe im Winter eine Abo-Reihe im Köllerbacher „Uhrmachers Haus“ veranstaltete. Dort eingeladen war im Frühjahr 1996 die Gruppe „Lismore“ aus der Pfalz mit okzitanischer Musik. Am Ende der Veranstaltung als Zugabe setzte sich Kerstin Schatz mit ihrer Concertina  vor die Leute und spielte mit der Gruppe Lismore den Titel „Claire“. Ich wusste sofort: Das ist die Musik, die ich gesucht hatte. So kam ich an die „Òòmend-schbääd-Hintergrundmusik“.

Georg Fox mit Stefan Hoffmann (r.), dem Komponisten von „Claire“, dem Titel, der zur „Òòmends-schbääd Melodie“ wurde (Foto: Georg Fox privat)
Georg Fox mit Stefan Hoffmann (r.), dem Komponisten von „Claire“, dem Titel, der zur „Òòmends-schbääd Melodie“ wurde

Im Sommer fand dann spätabends im SR-Tonstudio, als die Tagesbesetzung bereits gegangen war, eine fast schon konspirative Zusammenkunft statt: Probeaufnahmen von fünf Texten für „Òòmends schbääd“. Margit Gross-Schmitt saß als Cutterin und Tonassistentin hinterm Mischpult, Günter Schmitt, Moderator des Mundartabends, war Aufnahmeleiter. Ursprünglich wollte der Redakteur die Texte selber sprechen. Für mich war aber klar, dass ich als Autor meine Texte einsprechen würde. Nur wenn ich selber sprechen würde, könnten die Hörerinnen und Hörer einen Bezug von Text und Autor herstellen.

Friedrich Hatzenbühler: seit Sendestart 1980 im SR 3-Team (Foto: Reiner Oettinger)
Friedrich Hatzenbühler: seit Sendestart 1980 im SR 3-Team

Nachdem der SR 3 Wellenchef Friedrich Hatzenbühler den fertigen Zusammenschnitt mit Musik gehört hatte, gab er sofort grünes Licht. Am 7.10.1996 kam die erste Folge der Nachtgedanken auf Sendung. Es sollten in den kommenden sechseinhalb Jahren 330 Folgen werden. Jeweils in meinen Schulferien terminierte ich einen Tag im Studio und sprach dann ca. 15 Texte ein. Danach wurde der Text mit der Musik zu einem fertigen Sendeband abgemischt.

Meine Idee war, dass die Redaktion am Tag der Sendung immer nach Bedarf einen passenden Beitrag verfügbar hatte, so dass für den ersten Schnee oder für den ersten Frühlingstag jeweils eine „stimmige“ Òòmends-schbääd-Folge vorlag. Eine besondere Bedeutung erhielten einige der Folgen. In Völklingen wurde bei einer Mundartveranstaltung eine Òòmends-schbääd-Folge mit der Musik live gesprochen und gesendet. Bei dem Thema „Besuch in der Johann-Adams-Mühle in Theley“ wurde dem dortigen Mühlenführer Berthold Rauber ein kleines literarisches Denkmal gesetzt.
Insgesamt 22 aufgenommene Sendungen wurden nie gesendet. Das lag daran, dass die Thematik eben gerade nicht zur aktuellen Situation des Tages passte. Man kann schlecht im Frühjahr eine Folge vom beginnenden Wintereinbruch senden und im Hochsommer nichts vom fliegenden Nikolaus bringen. Weitere 14 Folgen lagen schriftlich vor, wurden aber nicht mehr aufgenommen.

Georg Fox 2016 im Studio bei der Aufnahme seiner Òòmends-schbääd-CD (Foto: Georg Fox privat)
Georg Fox 2016 im Studio bei der Aufnahme seiner Òòmends-schbääd-CD

Der Schluss dieser Sendereihe erfolgte nämlich völlig unerwartet, wie ich es aber schon öfter an anderer Stelle bei Projekten erlebt hatte. Als ich 2002 wie gewohnt einen neuen Aufnahmetermin vereinbaren wollte, sagte mir Günter Schmitt im Telefongespräch, dass sich bei den Abendsendungen etwas ändern würde, ich sollte mal warten und vorläufig nichts mehr aufnehmen. Tatsächlich änderten sich fast alle Abendsendungen im redaktionellen Inhalt.  Es gab nur noch einen Sprecher bzw. eine Sprecherin, welche die Musik ansagte. Das war damit das Ende der literarischen Mundartsendung. Später hat man versucht, die Heimatschiene durch eine Freitagssendung neu zu beleben. Inzwischen ist sie wieder auf eine Stunde am Sonntagabend „zusammengedampft“ worden.

Unverhofft gab es 2014 ein Remake auf zweierlei Art. René Schneider aus St. Ingbert kam auf mich zu und schlug mir vor, eine CD mit den Òòmends-schbääd-Geschichten zu machen. Schneider hatte auch nach zehn Jahren die Sendereihe nicht vergessen und wollte nun in seinem Musikverlag eine solche CD veröffentlichen. Seine Art, an das Projekt heranzugehen, erschien mir sehr professionell.

Cover der Òòmends-schbääd-CD Vol.1 von 2014 (Foto: René Schneider)
Cover der Òòmends-schbääd-CD Vol.1 von 2014

Ungefähr zur selben Zeit fragte mich eines Tages die SR-Moderatorin und Redakteurin Susanne Wachs[1], ob man nicht die „Òòmends schbääd-Reihe“ nochmals wiederholen sollte. Susanne betreute zwischenzeitlich die Sendung „Bei uns dahemm“. Sie hatte sich ein altes Band angehört und dann plötzlich die Eingebung gehabt, das wäre doch zum jeweiligen Ende der Sendung am Freitag ein interessantes Unterfangen. Ich hatte nichts dagegen. So kam es, dass drei Jahre im Radio allwöchentlich bis 2017 wieder die alten Òòmends-schbääd-Folgen gespielt wurden.

Susanne Wachs (Foto: SR)
Susanne Wachs ist gleichermaßen Spezialistin für die saarländische Mundart wie für das französische Chanson

Cover der Òòmends-schbääd-CD Vol.2 von 2016 (Foto: René Schneider)
Cover der Òòmends-schbääd-CD Vol.2 von 2016

Zeitgleich erschienen 2014 die erste und 2016 die zweite Òòmends-schbääd-CD im Musikverlag von Ellen und René Schneider.
Die Aufnahmen dazu wurden in dem Studio „Klangalchemist“ von Miko Vogelgesang in Schwalbach gefertigt. Der Tonschnitt und die gesamte Produktion erfolgten durch René Schneider.
Er ließ zu jeder Geschichte eigens eine Musik komponieren, was den Texten dann zusätzlich eine hohe Wertigkeit verlieh. Natürlich war die frühere Òòmends-schbääd-Melodie von Lismore wenigstens bei einem Titel auf den beiden CD-Veröffentlichungen unterlegt.
Noch heute gibt es eine eigene Nachtgedanken“-Homepage für „Òòmends-schbääd“ (www.nachtgedanken-saarland.de). Die SR 3 Sendungen am späten Abend lieferten übrigens oft auch Ideen zu meinen eigenen Nachtgedanken. Das ging vom Wetterbericht bis zu den Verkehrsnachrichten, vom Chanson-Titel bis zu Moderatoren-Bemerkungen. „Stau auf der Autobahn“ oder „Blitzeis“, „Kinotipp“ oder auch eine flapsige Bemerkung über die ewige Krankheit zum Musiktitel „La maladie d’amour“. Meist war es auf der Rückfahrt im Auto und es kam bisweilen vor, dass ich am Fahrbahnrand kurz anhielt, um mir eine Idee zu notieren. Aus Erfahrung wusste ich: „Was ich nicht sofort aufschreibe, ist morgen meist vergessen!“

Natürlich gab es auch im täglichen Leben eine Fülle von Anregungen: Erster Liebeskummer der Kinder oder „Huddel“ mit dem Lehrer. Aber diese Nachtgedanken zu den Nachtgedanken habe ich nie aufgeschrieben. Das hätte im Familienkreis zu Problemen geführt.

Georg Fox mit einem seiner Bücher (Foto: SR)
Georg Fox mit einem seiner Bücher

(AB) Dass Georg Fox und SR3 Saarlandwelle zueinander fanden, war sicher kein Zufall. SR 3 Saarlandwelle verspricht ihren Hörerinnen und Hörern, dass sie auf dieser Welle „Hören, was ein Land fühlt.“ Und Fox ist – in bester Gesellschaft mit Johann Wolfgang von Goethe (*28. August 1749; † 22. März 1832) – davon überzeugt, dass der Dialekt einer Region „das Element“ ist, in welchem die „Seele ihren Atem schöpft“.[2]

Eine „Seelenmassage“, so Fox (*12.7.1949 in Saarbrücken), sei die Mundart. Und für die gab es seit dem Sendebeginn der Saarlandwelle 1980 mehr Sendeplätze als zuvor. Für die Pflege der Mundart im Radio war das eine große Chance – und zugleich eine für die saarländischen Mundart-Autorinnen und -Autoren.

Georg Fox empfindet seine Mundart-Radioreihe “Òòmends schbääd” als eine seiner herausragenden Veröffentlichungen. Und das will etwas heißen, hat er doch neben seinen vielen Radio-Beiträgen im Saarländischen Rundfunk, zahlreiche Artikel für die Saarbrücker Zeitung,  über 25 Bücher – meist in Mundart – geschrieben und auch  mehrere Mundart-CDs veröffentlicht.

Der langjährige SR-Kabarett- und Mundartredakteur Lutz Hahn bezeichnet Fox als einen „vielseitigen Schriftsteller, der ganz sicher zu den besten Mundartautoren über die Grenzen des Saarlandes hinaus“ zähle.

Georg Fox illustriert große Teile seiner eigenen Werke selbst (Foto: SR)
Georg Fox illustriert große Teile seiner eigenen Werke selbst

 

Rainer Petto würdigt Fox Im Literatur-Portal „literaturland saar“ als „einen der führenden Mundartautoren.“[3] Die saarländische Mundart-Päpstin Edith Braun schrieb 2012 im Vorwort zu seinem Buch „Saa, was de willschd“: „Wir sollten Georg Fox dankbar sein, der sich seit Jahrzehnten als Autor für den Erhalt unserer Mundart einsetzt.“ Das  in Hochdeutsch geschriebene Fox-Buch „Saarlandfarben“ nennt der Redakteur der Saarbrücker Zeitung  Oliver Schwambach „die unbedingteste Liebeserklärung an dieses Land“… „unter allen bekannten Druckwerken“.[4]

Mehr zu Mundart beim SR:
Edith Braun
Die Saarbrücker Mundart-„Päpstin“ und der SR.

Der studierte Politik- und Deutschlehrer Georg Fox wurde 1985 der jüngste Schulrektor im Saarland. Bei seiner Pensionierung 2014 war er der Älteste. An seiner Erich-Kästner-Schule in Heusweiler-Holz betreute er auch die von ihm gegründete Schülerzeitung „Schlüsselchen“.

Als Fox mit dem Schreiben begann, gehörte er zu den jüngsten Mundart-Autoren. Die Texte von Fox wurden vielfach mit Auszeichnungen bedacht. U.a. erhielt er den Kulturpreis des Regionalverbandes Saarbrücken und vom Saarländischen Rundfunk den “Goldenen Schnawwel” sowie den „Goldenen SR3-Lautsprecher“. Fox gründete zwei Kunstgruppen mit. In den 80er Jahren war es die „Künstlerinitiative Köllertal“ und im Jahr 2000 die Mundart-Schriftstellerorganisation „bosener gruppe“, die auch 2024 noch besteht.

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte und Rahmentext: Axel Buchholz (AB); Illustration: Burkhard Döring, Magdalena Hell und Georg Fox; Layout/ Gestaltung: Magdalena Hell; Standbilder: Sven Müller (Fernseh-Archiv), Magdalena Hell; redaktionelle Mitarbeit: Lutz Hahn.

[1]  Susanne Wachs ist Trägerin des Deutsch-Französischen Journalistenpreises“ und des „Ehrenpreises Mundart“. 

[2] zitiert nach: Georg Fox, Die Bedeutung der Mundart, https://www.mundartsymposium.de/kulturgut-mundart/die-bedeutung-der-mundar

[3] Lutz Hahn war ab 2001 verantwortlicher Redakteur für den „Gesellschaftsabend“ des SR. Ehrenamtlich arbeitet er im saarländischen Mundartring und in der Redaktion der „Mundartpost“ mit.  

[4] Quelle für die Zitate Edith Braun, Rainer Petto, Oliver Schwambach und Lebenslauf: Rainer Petto in „literaturland saar“; https://www.literaturland-saar.de/personen/georg-fox/

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