Gewinner der 41. Ausgabe des Filmfestivals Max Ophüls Preis (Foto: Sebastian Knöbber)

Johannes Maria Schmit gewinnt Max Ophüls Preis für "Neubau"

  25.01.2020 | 22:06 Uhr

Johannes Maria Schmit hat den mit 36.000 Euro dotierten Max Ophüls Preis für seinen Debütfilm "Neubau" gewonnen. Der Fritz-Raff-Drehbuchpreis geht an Iliana Estañol und Johanna Lietha für "Lovecut". Das Publikum vergab seine Stimme an den Spielfilm "Ein bisschen bleiben wir noch" von Arash T. Rihahi.

"Neubau" sei ein leiser Film, der lange nachwirke. Er weite den Blick und komme ohne Budenzauber aus. "Das ist sie, die neue Selbstverständlichkeit. Mehr davon!", begründet die Jury ihre Entscheidung.

Preisverleihung Max Ophüls Preis: Die Herzen sind vergeben
Video [SR.de, (c) Felix Schneider, 26.01.2020, Länge: 05:25 Min.]
Preisverleihung Max Ophüls Preis: Die Herzen sind vergeben

Der Fritz-Raff-Drehbuchpreis ging an "Lovecut". Als beste Nachwuchsdarstellerinnen wurden Maresi Riegner für ihre Rolle in "Irgendwann ist auch mal gut" und Mehdi Meskar für die Figur in "Nur ein Augenblick" ausgezeichnet. Der Publikumspreis für den besten Langfilm ging an "Ein bisschen bleiben wir noch".


Die Preisträger im Überblick


Max Ophüls Preis 2020: "Neubau"
Regie: Johannes Maria Schmit
Deutschland, 2020
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Begründung der Jury: Es gibt Filme, die sind leise, aber sie wirken lange nach. Die weiten den Blick, einfach, indem sie einladen genau hinzuschauen. Sie kommen ohne Budenzauber aus, weil sie den Gegenstand ihrer Betrachtung ernst nehmen, ihm Würde verleihen. Solche Filme haben die Kraft Empathie zu erzeugen. Wir lernen eine Figur kennen, in der sich verschiedene Welten überlagern – hinreißend verkörpert von Tucké Royale, der das magnetische Zentrum des Films ist. Wir glauben ihm alles – den gierigen gay sex, die brandenburger Dorfkindheit, die Sehnsucht nach der queeren Wahlfamilie in Berlin. Und wir könnten ihm stundenlang zuschauen.

Neubau: "Kein Nischenfilm"
Video [SR.de, (c) SR, 23.01.2020, Länge: 04:30 Min.]
Neubau: "Kein Nischenfilm"

Die Zärtlichkeit liegt im Detail – der Kleinwagen mit dem Stonewall-Schriftzug, die Nietenjacke mit dem Aufdruck „Mutant Hero", der Gleitgelfleck auf dem Bettlaken. Die durchweg wunderbar besetzten und inszenierten Nebenfiguren dürfen atmen – in Szenen, die das Geschehen auf der Leinwand nicht für eine Dramaturgie funktionalisieren, sondern Bedeutungsüberschuss zulassen. Existenzielles, Banales und Pragmatisches versammelt sich beim Holunderblütenzupfen. Das ist sie, die neue Selbstverständlichkeit. Mehr davon!.


Standbild aus „Lovecut“ (Foto: Silverio Films)

Fritz-Raff-Drehbuchpreis: "Lovecut"
Regie: Iliana Estañol und Johanna Lietha
Schweiz, Österreich 2020
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Lovecut: "Jugendlich zu sein, bedeutet Grenzen auszuloten"
Video [SR.de, (c) SR, 23.01.2020, Länge: 05:57 Min.]
Lovecut: "Jugendlich zu sein, bedeutet Grenzen auszuloten"

Begründung der Jury: Das Drehbuch glaubt an die Jugend. An ihre Kraft aus sich selbst heraus, erwachsen zu werden. Es ist ein genaues Drehbuch. Voller Humor. Es wurde geschrieben mit Sorgfalt für die szenische Stimmigkeit und mit Lust an der Recherche. Zauberhaft lebendig porträtiert es sechs Figuren, so unterschiedlich, so eigenständig, so eigensinnig. So liebenswert.


Standbild aus „Waren einmal Revoluzzer“ (Foto: FreibeuterFilm)

Preis des saarländischen Ministerpräsidenten: "Waren einmal Revoluzzer"
Regie: Johanna Moder
Deutschland, 2019
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Waren einmal Revoluzzer: "Wie selbstlos ist Hilfe?"
Video [SR.de, (c) SR, 24.01.2020, Länge: 06:11 Min.]
Waren einmal Revoluzzer: "Wie selbstlos ist Hilfe?"

Begründung der Jury: Ein hochkarätiges Ensemble kann Fluch und Segen sein für eine junge Regisseurin. Schön, es zu haben, aber man muss seiner auch Herr werden. Die von uns ausgewählte Regisseurin hat uns nicht nur durch ihr hochintelligentes und relevantes Drehbuch überzeugt, sondern dieses auch mit ihrer unverwechselbaren Handschrift virtuos zum Leben erweckt. Mit entwaffnendem Humor, zärtlich und schonungslos führt sie uns vor Augen, wie unsere Gesellschaft Wohltätigkeit predigt, ohne aber die eigene Komfortzone zu verlassen. Wir fühlen uns ertappt, denn wir helfen alle gerne, aber bitte nicht im eigenen Wohnzimmer. Die Soziologie hat sogar einen Namen für dieses Phänomen: NIMBYs (Not in my backyard) Da hilft nur eins: Verdrängen, verdrängen, verdrängen.


Standbild aus „Ein bisschen bleiben wir noch“ (Foto: Wegafilm)

Publikumspreis Spielfilm: "Ein bisschen bleiben wir noch"
Regie: Arash T. Riahi
Österreich, 2020
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Ein bisschen bleiben wir noch: "Hoffnung und Humor"
Video [SR.de, (c) SR, 25.01.2020, Länge: 07:28 Min.]
Ein bisschen bleiben wir noch: "Hoffnung und Humor"


Maresi Riegner  (Foto: Elsa Okazaki)

Preis für den besten Schauspielnachwuchs: Maresi Riegner für ihre Rolle in "Irgendwann ist auch mal gut"
Regie: Christian Werner
Deutschland, 2020
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Begründung der Jury: Sie hat es geschafft, neben renommierten Hauptdarstellern die Aufmerksamkeit auf ihre Rolle zu ziehen und dem Film eine besondere Farbe zu geben. Wie sie im satirischen Kontext ihre Natürlichkeit bewahrt, macht uns neugierig darauf, sie auch in anderen Genres brillieren zu sehen.


Mehdi Meskar  (Foto: Marion Jhoeaner)

Preis für den besten Schauspielnachwuchs: Mehdi Meskar für seine Rolle in "Nur ein Augenblick"
Regie: Randa Chahoud
Deutschland, Großbritannien, 2019
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Nur ein Augenblick: "Menschen wie du und ich"
Video [SR.de, (c) SR, 23.01.2020, Länge: 07:13 Min.]
Nur ein Augenblick: "Menschen wie du und ich"

Begründung der Jury: Auch wenn er als verletzlicher Antiheld in diesem Film nicht seine ganze Bandbreite zeigen konnte, sehen wir in ihm das Versprechen auf interessante Facetten moderner Männlichkeit. Eine fromme Bitte: Verlass dich nicht auf deine Posterboyqualitäten, sondern suche die Ecken und Kanten in deinen Rollen. Wir wissen, dass du es kannst!


Johannes Maria Schmit und Tucké Royale in der SR Lounge (Foto: SR)

Preis für den gesellschaftlich relevanten Film: Tucké Royale für Buch und Schauspiel in "Neubau"

Begründung der Jury: Ein Transmann in der Uckermark träumt von einer Wahlfamilie in Berlin, während seine demente Großmutter langsam stirbt. Das, was man als hermetischen Film über ein Nischenthema hätte inszenieren können, wird ein barrierefreies Fenster in eine ambivalente Welt voll hybrider Identitäten und brüchiger Lebensrealitäten. "Wenn ich sterbe ... sagst du's mir?" fragt die Großmutter, die regelmäßig im Wald wieder eingesammelt werden muss, ihre Lebensgefährtin.

Ein Auto-Konvoi von queeren Zauberwesen zieht wie eine Fata Morgana über die Landstraßen. Ein Mann masturbiert im Sonnenuntergang an einen Heuballen gelehnt. Das Kunststück: Es ist kein Kitsch. Kein Themenfilm nämlich, sondern einer, der sagt: So ist das Leben. Sehnsucht, Einsamkeit, Warten. Wir wünschen diesem berührenden Film und seinen wichtigen Sujets eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, die er mit Leichtigkeit und Tiefe tragen kann.


"Nur ein Augenblick" im Publikumscheck
Video [SR.de, (c) Leonie Rottmann/Anne Schubert, 22.01.2020, Länge: 01:18 Min.]
"Nur ein Augenblick" im Publikumscheck

Preis der Jugendjury: "Nur ein Augenblick"
Regie: Randa Chahoud
Deutschland, Großbritannien, 2019
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Begründung der Jury: "Fuck. Passiert das gerade wirklich?" - diese Frage haben wir uns gestellt. Der Film betrifft uns – und hat uns deshalb betroffen gemacht. Bedrückt. Herzrasen verursacht. Das anfangs so idyllische Leben nimmt für die Hauptfigur eine drastische Wendung, reißt sie aus ihrem Alltag und verändert sie für immer. Eine packende Inszenierung und eine lebhafte Kameraführung, die eng am Protagonisten bleibt, nehmen uns an die Hand und lassen uns erschreckend nah am Geschehen teilhaben. Es geht um Freiheit, Liebe und Heimat. Um einen Menschen, der einiges zu verlieren hat – und alles riskiert.


Standbild aus „Jiyan“ (Foto: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin)

Preis der Ökumenischen Jury: "Jiyan"
Regie: Süheyla Schwenk
Deutschland, 2019
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Jiyan: "Wie es hinter den Türen aussieht"
Video [SR.de, (c) SR, 23.01.2020, Länge: 05:14 Min.]
Jiyan: "Wie es hinter den Türen aussieht"

Begründung der Jury: Ein eindringliches Kammerspiel, das durch das Zusammenwirken von Kamera und Szenenbild noch verstärkt wird. Sowohl der Umgang mit den Vorurteilen im System Familie als auch entwürdigende gesellschaftliche Realitäten werden vor Augen geführt. Gerade die Verweigerung unnötiger größerer dramatischer Bögen zugunsten des Fokus auf die alltäglichen Sorgen und Nöte im Privaten, bringt uns die Protagonistinnen und Protagonisten als Menschen nahe. Klug geschrieben, erzählt der Film präzise das Leben einer jungen syrisch/kurdischen Familie bei ihren Verwandten in Deutschland. Am Ende steht die Frage: Was ist ein Menschenleben wert?


Standbild aus „Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit“ (Foto: wirFILM)

Preis für den besten Dokumentarfilm: "Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit"
Regie: Yulia Lokshina
Deutschland, 2020

Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit: "Das System hat ein Problem"
Video [SR.de, (c) SR, 22.01.2020, Länge: 07:03 Min.]
Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit: "Das System hat ein Problem"

Begründung der Jury: Feinfühlig, vom ersten Moment an fesselnd und vielschichtig öffnet der Film den Blick für ein großes Problem unserer Gesellschaft. Dabei lenkt er in einer dramaturgisch sich verdichtenden Erzählung unsere Aufmerksamkeit behutsam auf das, was niemand sehen will: Die beklagenswerte Zeitlosigkeit des kapitalistischen Ausbeutungssystems manifestiert sich auch mitten in unserer Gesellschaft. Ohne zu predigen setzt der Film auf Beobachtung, Empathie und intellektuelle Durchdringung der Thematik. Durch seine filmische Versuchsanordnung gelingt der Regisseurin ein ganz eigener Zugang, der das Publikum aufgewühlt zurücklässt. Der Preis der Dokumentarfilm-Jury für den besten Dokumentarfilm geht an "Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit" von Yulia Lokshina.


Lost in Face: "Alle Gesichter sind grau"
Video [SR.de, (c) SR, 24.01.2020, Länge: 07:41 Min.]
Lost in Face: "Alle Gesichter sind grau"

Preis für die beste Filmmusik Dokumentarfilm: "Lost in face"
Musik: Antimo Sorgente
Regie: Valentin Riedl
Deutschland, 2020

Begründung der Jury: Durch ihre eigentümliche Poesie, rau und zugleich spielerisch, beeindruckt diese behutsam eingesetzte Musik. Die Vielseitigkeit der Protagonistin spiegelt sich in der Konzentration auf den Celloklang wider, der mal ungeschönt und nah am Ohr erklingt, mal zu einem reichen Klangteppich verwoben ist. Die Musik fügt sich in die Gestaltung des Filmes ein, indem sie mit Feingefühl, Eleganz und kluger Simplizität die Schönheit der Hauptfigur zum Klingen bringt ohne dabei zu überlagern oder zu behaupten.


Standbild aus „Lost in face“ (Foto: Corso Film- und Fernsehproduktion)

Publikumspreis für den besten Dokumentarfilm: "Lost in face"
Regie: Valentin Riedl
Deutschland, 2020


Bester mittellanger Film: "Lychen92"
Regie: Constanze Klaue
Deutschland, 2020

Begründung der Jury: Es gibt verschiedene Arten, das Schwimmen zu lernen. Man kann langsam herangeführt oder überraschend ins Wasser gestoßen werden. Letzteres kann dazu führen, dass man sich gar nicht mehr ins Wasser traut. Durch Kinderaugen erleben wir die Identitätskrise einer Familie nach dem Zusammenbruch der DDR und die dadurch entstehende Sehnsucht nach Zugehörigkeit - ohne Zeigefinger, humorvoll und tiefgründig. Der Film ruft nach einem Dialog auf Augenhöhe, um dabei gezielt Unterschiede zwischen Ost und West zu benennen, anstatt die Gleichmachung zu idealisieren. Nur durch die Aufarbeitung der Identitätskrise haben wir vielleicht eine Chance den rechten Bewegungen in Deutschland entgegen zu treten.


Masel Tov Cocktail: "Wir sind mehr als Klischees"
Video [SR.de, (c) SR, 23.01.2020, Länge: 05:22 Min.]
Masel Tov Cocktail: "Wir sind mehr als Klischees"

Publikumspreis für den besten mittellangen Film: "Masel Tov Cocktail"
Regie: Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch
Deutschland, 2020


Das beste Orchester der Welt: "Es ist eine Parabel"
Video [SR.de, (c) SR, 21.01.2020, Länge: 07:34 Min.]
Das beste Orchester der Welt: "Es ist eine Parabel"

Preis für den besten Kurzfilm: "Das beste Orchester der Welt"
Regie: Henning Backhaus
Österreich, 2020

Begründung der Jury: Du bist ganz klein und dein Talent ist riesig. Man traut dir nichts zu, wenn man dich sieht. Weil du anders bist. Durch dich erfahren wir auf verspielte und originelle Art und Weise, bis ins letzte Detail durchkomponiert, von struktureller Diskriminierung. Wir sehen dich - kleine Socke mit zwei Augen.


Publikumspreis für den besten Kurzfilm: "Trading happiness – Trao doi hanh phúc"
Regie: Duc Ngo Ngoc
Vietnam, Deutschland, 2020


Über dieses Thema wurde auch in den Hörfunknachrichten des SR am 25.01.2020 berichtet.

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