Karl Mages (Foto: SR/Fritz Mittelstaedt)

Von Gauleiters Gnaden

Der Saarbücker Reichssender-Intendant Karl Mages

  22.05.2020 | 13:29 Uhr

Anders als Karl Mages es selbst erzählt (und es zu lesen ist), begann der zweite (und zugleich letzte) Intendant des Reichssenders Saarbrücken seine Rundfunk-Tätigkeit 1935 nicht gleich als Sendeleiter. Im nationalsozialistischen Propaganda-Printjournalismus verfügte er zwar über reichlich Erfahrung. Nicht aber im Medium Radio. Da war er ein Neuling. Aber er konnte auf die Unterstützung seines mächtigen Gauleiters Josef Bürckel zählen. Für ihn hatte Mages u. a. als ehemaliger Hauptschriftleiter (Chefredakteur) der Zeitungen „NSZ Rheinfront“ und „Deutsche Front“ den „Pressekampf“ für die Rückkehr der Saar zu Deutschland erfolgreich bestritten.

Von Axel Buchholz

Laut dem Mages-Lebenslauf vom 30. Juni 1937 eines Sachbearbeiters für Propagandaminister Goebbels begann Mages am 1. Juni 1935 zuerst als freier Mitarbeiter beim Reichssender Saarbrücken (Bundesarchiv, RSS/24319). Nach einem Vierteljahr wurde er ab 1.September 1935 (zuerst nur kommissarischer) Leiter der Abteilung Weltanschauung, also zuständig für die Propagierung der nationalsozialistischen Ideologie. Nach wieder nur gut einem Vierteljahr (am 19. Dezember 1935) setzte sich Gauleiter Bürckel „nochmals“ bei Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky für Mages Aufstieg zum Sendeleiter ein. In dem Schreiben betont er „im Hinweis auf die Verdienste“ Mages sei einer seiner „hervorragendsten“ Mitarbeiter. Niemand sei als Sendeleiter besser geeignet als er (Bundesarchiv, a. a. O.). Im Februar 1936 wurde er dann Sendeleiter – zuerst aber (wieder) nur „kommissarischer“. Es dauert noch gut ein Jahr, bis sich Goebbels „mit der „endgültigen Bestellung des Pg. Karl Mages zum Sendeleiter“ einverstanden erklärte (Schreiben vom 21. Juli 1937 an den Reichsrundfunk in Berlin, Bundesarchiv, a. a. O.). Man darf vermuten, dass Goebbels es nur widerwillig getan hat. Jedenfalls aber nicht, ohne vorher dem auf Einfluss drängenden Gauleiter Bürckel noch einmal zu demonstrieren, wer beim Rundfunk das Sagen hatte.

Kaum glaubhaft erscheint, dass Mages von alldem nichts gewusst haben will, wie er 1985 im Recherche-Interview mit dem Verfasser sagte (Mages, SR-Archiv).

Noch als freier Mitarbeiter beim Reichssender war Mages am 15. August 1935 (Stadtarchiv Saarbrücken) innerhalb von Saarbrücken in die Straße Auf der Schlecht Nr. 4 umgezogen. Dazu merkt der Lokalhistoriker Stefan Weszkalnys an: „Interessant ist …, dass in dem Hause … im Saarbrücker Adressbuch von 1934 neben dessen Eigentümer, dem Kaufmann C. Z., und einem Kaufmann A. H. noch ein jüdischer Kaufmann Sally (wohl Kurzform für Salomon) David wohnt. 1936/37 ist im Adressbuch Karl Mages an die Stelle des vorherigen Mieters Sally David gerückt, denn die beiden anderen Parteien sind nach wie vor im Hause. Man kann nur hoffen, dass Sally David ggf. mit Familie sich ins Ausland absetzen und gar überleben konnte.“

Mit Hilfe des Synagogengemeinde Saar und des Stadtarchivs Saarbrücken ließ sich bislang nur herausfinden, dass David und seine Frau zum 13. Februar 1935 mit dem Hinweis „auf Reisen“ in Saarbrücken abgemeldet sind. Das haben viele Leute bei der Abmeldung so angegeben, die aus Vorsicht den Ort ihrer Emigration nicht mitteilen wollten. Die Davids sollen danach in St. Avold gewohnt haben (also im benachbarten französischen Lothringen).
Einen Monat nach dem Abstimmungserfolg der Nazis haben sie also die Saar verlassen, was damals Juden noch durch eine Übergangsregelung möglich war. Da wussten sie, dass ihnen mit Sicherheit dasselbe Schicksal droht wie zuvor den Juden im benachbarten Bürckel-Gau Rheinpfalz. Seit 1933 war vieles darüber auch in der „NSZ Rheinfront“ zu lesen gewesen. Der Antisemitismus war ein „konstituierendes Element der NSZ“ von Anfang an gewesen (Pieroth, S. 196). Der frühere NSZ-Redakteur Karl Mages, der nun für eine Miete von 100 Reichsmark in Davids Wohnung einzog, hatte einen Monat zuvor Emigranten aus Hitler-Deutschland in der Zeitschrift „Westmark“ (7/1935) als „Verräter“ bezeichnet.

Aufsatz aus Westmark (Foto: SR)
Ausschnitt aus „Schicksalsweg des Verrats“ von Karl Mages.


Mehr zu Karl Magers als Zeitungsredakteur

Die damalige hierarchische Funktion eines Sendeleiters war in etwa vergleichbar mit der eines heutigen Programmdirektors. Zuständig wurde Mages, wie er im SR-Recherche-Interview erzählte, für die „gefunkten Kommentare“, „das Grenzecho“ für Lothringen und Elsass und für die NS-Weltanschauungssendung „Morgenfeier“ am Sonntagvormittag. Diese konfessionslose „Morgenfeier“, die laut Südwestdeutscher Rundfunkzeitung „echte deutsche Sonntags- und Andachtsstimmung“ vermitteln sollte, ersetzte ab 1936 die bisherigen christlichen Sendungen. Selbst bunte Abende habe er nebenher betreut, sagte Mages.
Seine wöchentliche Vortragsreihe „Die Geißel der Menschheit. Weltpolitische Schicksalsgespräche“ erwähnte er nicht. Damit wollte Mages im Reichssender Saarbrücken „über die Gefahren des Bolschewismus“ aufklären. Die Sendungen liefen 1937 im Rahmen einer reichsweiten Rundfunk-Propagandakampagne für die Mobilmachung (Sywottek, SS: 114,115).

Nach drei Jahren wird Mages ab 21. Oktober 1938 der Intendant des Reichssenders. Sein Vorgänger Raskin war von Propagandaminister Goebbels „zur Erledigung besonderer Aufgaben in die Zentrale des Reichsrundfunks“ nach Berlin berufen worden. Das Propagandaministerium veröffentlicht das allerdings „mit dem Ersuchen, folgende Meldung in Rundfunk und Presse zu bringen“ in umgekehrter Reihenfolge: Die Karriere von Raskin zuerst. 
Gauleiter Bürckel freilich hatte sein Ziel erreicht. Männer seines absoluten Vertrauens arbeiteten nun sowohl an der Spitze der wichtigsten Zeitung „NSZ Rheinfront“ wie des Reichssenders Saarbrücken. Auch die gleichgeschaltete zweitwichtigste „Saarbrücker Zeitung“ leitete (von 1935 – 1939) mit dem ehemaligen NSZ-Chefredakteur Max Steigner ein Journalist aus seinem Umfeld (Pieroth, S. 201). Die Verleger-Familie Hofer war zuvor aus dem Verlag gedrängt worden. Die übrigen Saar-Zeitungen wurden ebenfalls personell und inhaltlich auf NS-Kurs gebracht oder verboten. 

Villa Davidson/Villa Eichhorn, nach 1935 (Foto: SR)
Die „Villa Davidson“ am Saarbrücker Staden war der erste Sitz des Reichssenders Saarbrücken. 

Die Funktion eines Reichssender-Intendanten im Nationalsozialismus war allerdings weitaus weniger bedeutend als es zuvor bei Intendanten im Rundfunk der Weimarer Republik und als es heute in Deutschland im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder der Fall ist. Sie leiteten nur „Filialsender“, also Zweigstellen des „Großdeutschen Rundfunk“ in Berlin. Von dort oder von anderen Reichssendern wurde der größte Programmanteil eines „Filialsenders“ zugeliefert. Aus dem Berliner „Haus des Rundfunks“ der Reichsrundfunkgesellschaft kamen z. B. die Nachrichten, die wesentliche Politikberichterstattung und die Anweisung zum Übertragen von Führerreden und politischen Veranstaltungen. Die Personal- und Grundsatzentscheidungen fürs gesamte übrige Programm fielen ebenfalls in Berlin.


Die eigene Zuständigkeit der regionalen Reichssender, die man heute Landesstudios oder Landesfunkhäuser nennen würde, beschränkte sich im Wesentlichen auf Unterhaltungssendungen und den großen Bereich des „Zeitfunks“. Dazu gehörten die aktuelle regionale Berichterstattung über das Zeitgeschehen (inklusive Regionalsport), regionale Heimatsendungen ebenso wie der Frauen-, Kinder- und Jugendfunk. Auch dafür kamen die Richtlinien allerdings entweder direkt vom Reichspropagandaministerium von Joseph Goebbels oder auf dem formalen Dienstweg über den „Großdeutschen Rundfunk“, der ebenso Goebbels unterstand. Trotz allem blieb im Regionalen noch ein (enger) Spielraum für eigene Programmgestaltung. Programm-Höhepunkte waren dabei die sogenannten „Reichssendungen“, die auch die anderen Sender übernahmen.

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Entsprechend seiner nur auf das Regionale sowie auf eigene Musik- und Unterhaltungssendungen beschränkten Funktion fiel wohl auch die Bezahlung des Intendanten aus – noch dazu bei einem der kleinen „Filialsender“. Karl Mages jedenfalls berichtete, dass es nicht einfach gewesen sei, für ihn ein Gehalt von 600 Reichsmark zu erreichen – exakt so viel, wie er vorher schon bei der Zeitung „NSZ Rheinfront“ bekommen habe.
Noch nicht einmal ein Jahr lang hatte Mages als Intendant gearbeitet, da musste der Reichssender Saarbrücken den Sendebetrieb einstellen. Er lag in der sogenannten „roten Zone“, die kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 evakuiert wurde. Erst im August 1940 wurde der Sender feierlich wiedereröffnet. Da dauerte es nicht mehr lange, bis Mages in Wien gebraucht wurde – ebenso wie das zuvor schon mit seinem Amtsvorgänger Raskin der Fall gewesen war.

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Bereits einen Tag nach der Invasion der Wehrmacht am 12. März 1938 in Österreich war Bürckel zusätzlich von Hitler zum Leiter der Vorbereitung der Volkabstimmung in Österreich ernannt worden. Seine „geniale Arbeit“ (Wettstein, S. 373 nach Rathkolb, S. 191) bei der Saarabstimmung hatte ihn nach Meinung des „Führers“ dafür qualifiziert. Die Mehrheit der Österreicher war ohnehin für den „Anschluss“ (auf dem Stimmzettel hieß es „Wiedervereinigung“). Bürckel sorgte aber zusätzlich mit skrupellosem Ehrgeiz, Geschick, Gewaltandrohung und Wahlausschluss der Juden sowie vieler politischer Gegner dafür, dass er seinem „Führer“ ein zweites Mal ein triumphales Ergebnis melden konnte: 99,73 Prozent. Zu den Klängen von „Deutsch ist die Saar“ (also des „Saarlieds“), gespielt von einem HJ-Musikzug aus der Saarpfalz, verkündete er es am Abend im Wiener Konzerthaus (Rathkolb, S. 195). Österreich wurde im „Großdeutschen Reich“ zur „Ostmark“ und Bürckel erst Reichskommissar für die Wiedereingliederung Österreichs und dann Gauleiter Wien – zusätzlich zu allen seinen bisherigen Ämtern. Hitler lobte ihn. Er sei „ein brutaler“ und mit „radikaler Konsequenz“ … „ans Werk gegangen“ (Rathkolb, a. a. O.).

Josef Bürckel (Foto: SR)
Josef Bürckel. Foto auf dem Cover des Buches "Josef Bürckel" von Dr. Lothar Wettstein.

Mages wurde (als Nachfolger seines Saarbrücker Amtsvorgängers Raskin) in Wien zuerst kommissarischer Chef und dann ab Januar 1941 Intendant des Reichssenders Wien (Pieroth, S. 200). Er dürfte aber mit seinem Saarbrücker und nun auch Wiener Gauleiter an der Donau nur noch wenig zusammengearbeitet haben. Bürckel, der laut Goebbels in Wien „ein schreckliches Erbe“ und „nicht einen einzigen Freund hinterlassen“ hatte, feierte dort am 2. August 1940 seinen (wohl nicht freiwilligen) Abschied (Rathkolb, SS. 201, 202).

Erst sechs Monate im neuen Wiener Intendantenamt wurde Mages im Juli 1941 zur Wehrmacht eingezogen. Als „Sonderführer“ baute er den Wehrmachtssender-Verbund Ukraine mit Sitz in Kiew auf. Dort arbeitete er auch mit Dr. Heinz Freiberger, einem Kollegen vom Reichssender Saarbrücken zusammen, der als PK-Mann in einer Propaganda-Kompanie der Wehrmacht Dienst tat. Nach dem Krieg war Freiberger noch bis in die sechziger Jahre zuerst beim französisch dominierten Radio Saarbrücken und dann beim Saarländischen Rundfunk im Bereich Musik oder später als Sendeleiter tätig.

Heinz Freiberger in der Technik des Reichssenders Saarbrücken 1938. (Foto: SR)
Dr. Heinz Freiberger (Mitte) als Musikredakteur in einem Studio des Reichssenders Saarbrücken, 1938.

Mages gab während seiner verschiedenen Abordnungen die Intendanz des Saarbrücker Senders, von dem er weiterhin sein Gehalt bezog, nicht auf.
Als seinen Vertreter schlug er, wie er im SR-Interview sagte, den Musikjournalisten und Komponisten Gerhart von Westerman (*1894; †1963) vor, der später Intendant der Berliner Philharmoniker wurde. Von Westermann hatte ab 1925 bereits beim Rundfunk der Weimarer Republik gearbeitet. Auf die Frage, ob Führungskräfte beim Reichssender Saarbrücken ein „PG“ (Parteimitglied) sein mussten, führte Mages ihn als Beispiel dafür an, dass man das nicht gemusst habe. Westermann sei kein Mitglied der NSDAP gewesen.
Offensichtlich mussten sie es aber doch. Recherchen ergeben, dass von Westerman auf einem Ullstein-Porträtbild von 1939 mit NSDAP-Parteiabzeichen zu sehen ist. Im Bestand des Gerhart-von-Westerman-Archivs der Berliner Akademie der Künste (AdK) wird auch eine „Entnazifierungsurkunde“ mit der Ortsangabe Hannover aus dem Jahr 1949 von Gerhart von Westerman nachgewiesen. Karl Mages hat da also nicht die Wahrheit gesagt.
Philharmoniker-Intendant war von Westerman ab 1939 bis Kriegsende 1945 und dann wieder von 1952 bis 1959. Auch die Berliner Festwochen leitete er.

Westermans Nachfolger als Mages-Vertreter in Saarbrücken wurde dann der Germanist Dr. Eugen Kurt Fischer (*1892; †1964). Der Zeitungsjournalist war u. a. ab 1927 Feuilletonchef der „Hartungschen Zeitung“ in Ostpreußen und wechselte danach bald zum noch jungen Rundfunk in der Weimarer Republik. Von 1929 bis 1932 arbeitete er bei der „Mirag“ (Mitteldeutsche Rundfunk A.G.) in Leipzig als Leiter der Literarischen Abteilung und gehörte zu den Pionieren des neuen Genres Hörspiel. Nachdem 1933 die Nazis die Macht in Deutschland übernommen hatten, machte Fischer als Sendeleiter Karriere beim Reichssender Köln. Auf einem Ullstein-Bild von 1940, das im Netz angeboten wird, trägt er das NSDAP-Parteiabzeichen. Ab 1936 war Fischer beim für die Auslandspropaganda zuständigen Deutschen Kurzwellensender in Berlin tätig. Während Mages als „Sonderführer“ bei der Wehrmacht in der Ukraine eingesetzt war, leitete Fischer 1941 kommissarisch den Reichssender Saarbrücken.

Nach dem Krieg arbeitete Fischer zunächst als freier Journalist, u. a. ab 1948 beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt/M. Dort war er dann von 1951 bis 1957 nacheinander Abteilungsleiter für Publizistik und für „Hörermeinung und Programmbeobachtung“. Außerdem führte er ab 1954 die Geschäfte (GF) der Historischen Kommission des Deutschen Rundfunks (HR-Archiv, Sabine Jansen; Birgit Bernard/Renate Schumacher, S. 31).

Karl Mages, der inzwischen vielfach bewährte Gefolgsmann Bürckels, wurde auf dessen mehrfache dringende Bitte nach gut einem Jahr bei der Wehrmacht im September 1942 (Stadtarchiv Saarbrücken) aus der Ukraine nach Saarbrücken zurückversetzt. Neben dem Intendantenamt sollte er nun für Bürckel im Zusammenhang mit der Germanisierung Lothringens die „gesamte kulturelle Propaganda vor allen Dingen in Lothringen“ übernehmen (Bundesarchiv, a. a. O.).
Bürckel, der ja seit der Niederlage Frankreichs im „Westfeldzug“ 1940 als „Gauleiter Westmark“ auch für Lothringen zuständig war, betrieb dort eine radikale Germanisierungspolitik mit dem Endziel einer „großgermanischen Lösung“. Hitler hatte ihm und seinem badischen Gauleiter-Kollegen dafür freie Hand gegeben. Dazu gehörte u. a., dass Lothringen zur deutschen „Sprachzone“ gemacht wurde und geschätzte 60- bis 80-tausend Lothringer nach Innerfrankreich vertrieben wurden. Viel mehr noch sollten es werden. Auf ihrem ehemaligen Grundbesitz wurden nach und nach saarpfälzische Bauern angesiedelt. Nur noch ein Viertel der angestammten Bevölkerung sollte in den Dörfern verbleiben (nach Rummel, „Josef Bürckels Politik der „Germanisierung“ in Lothringen 1940 – 1944“, SS. 206, 207).

Schon am 4. Dezember 1935 hatte der „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“, Joseph Goebbels, in seiner Ansprache anlässlich der offiziellen Eröffnung des Reichssenders Saarbrücken in der mit Hakenkreuz-Fahnen „geschmückten“ Saarbrücker „Wartburg“ den Begriff Westmark verwendet, der ja auch Lothringen und Teile des Elsass umfasste. Damals noch eher beiläufig.

HJ Spielschar - gemeinsamer Auftritt (Foto: Horst Schimpf)
Die HJ-Spielschar des Reichssenders Saarbrücken im französischen Phalsbourg (Pfalzburg) im damaligen Gau Westmark.

Mehr zur Germanisierungspropaganda der HJ-Spielschar

Jetzt war für die Menschen dort eine unerbittliche nationalsozialistische Germanisierungspolitik schonungslose Realität geworden. Mages sollte sie als Koordinator mit Propaganda und kulturellen Aktivitäten unterstützen (Pieroth, S. 200). Auch im Rundfunk natürlich. Wie dies im Reichssender Saarbrücken klang, dafür gibt es ein Beispiel: Da hieß es zur Vertreibung von Lothringern, die sich nicht zu Deutschland bekennen und dann in den neuen „Warthegau“ im besetzten westlichen Polen umsiedeln lassen wollten: Frankreich hole jetzt jene zurück (nach Inner-Frankreich), die sich als Franzosen bekennen (Rummel, a. a. O. S. 207).
Der Reichssender Saarbrücken produzierte zudem zahlreiche Volkstumssendungen über (und für) Lothringen und populäre öffentliche Programme in Lothringen. Häufig wirkten daran die HJ-Spielschar und der Kinderfunk mit.

Zusätzlich sollte auch das 1943 in Saarbrücken gegründete „Kulturwerk Westmark“ die Germanisierungspolitik fördern. Diese Propaganda war Mages letzter großer Auftrag von Bürckel. Aber nicht sein letztes (zusätzliches) Amt.

Tante Käthe (Foto: SR)
„Kinderfunktante Käthe Glaser“ mit ihren „Rundfunkkindern“.

Am 20. September 1944 wurde im Berliner Propagandaministerium entschieden, dass Mages zusätzlich stellvertretender Leiter des „Propagandastabes Frankreich“ im Reichspropagandaamt in Neustadt werden soll. Das Amt unterstand direkt dem Propagandaministerium und war für den Gau Westmark zuständig. Gauleiter Bürckel scheint dabei für Minister Goebbels keine Rolle mehr gespielt zu haben. Horst Slesina, der ehemalige Zeitfunkleiter des Reichssenders Saarbrücken, leitete das Amt. Er wurde „ersucht“, Bürckel von der Entscheidung zu unterrichten. Viel Zeit dafür blieb ihm nicht.


Am 28. September 1944 starb Gauleiter Bürckel in seinem Haus in Neustadt – offiziell an Kreislaufversagen nach einer Lungenentzündung und einer Darmerkrankung. Bis heute wird aber über andere Todesursachen spekuliert, besonders über Selbstmord. Beweise dafür gibt es aber nicht. Ziemlich sicher ist, dass Bürckel seinen heimlichen Spitznamen „Bierleiter Gaukel“ nicht von ungefähr trug. Und einiges spricht für die These, dass er längst am „Endsieg“ zweifelte und es zudem Probleme im Verhältnis zu Hitler gab (vgl. Rummel, Einleitung: Josef Bürckel, S. 23 f.).

Ausschnitt NAZ (Foto: SR)
Die Front rückte an die Westgrenze: Schlagzeile der NSZ Rheinfront-Ablegers „NAZ“ (nationalsozialistische Abendzeitung).

Schon im Januar 1942 hatte Bürckel an Goebbels geschrieben, dass die Entwicklung in Lothringen stark mit den Kriegs-Ereignissen zusammenhänge. Das Volk „warte eben auf eine endgültige stabile Festlegung seiner Zukunft“ (Bundesarchiv, Brief v. 29. 1. a. a. O.). Das Gegenteil davon war inzwischen längst der Fall. Seit dem D-Day, der Landung der alliierten Truppen am 6. Juni 1944 und an der Côte d’Azur am 15. August näherte sich die Front unaufhaltsam auch der Grenze des Gaus Westmark. 

Mages dürfte der Tod seines großen Förderers und Gönners Bürckel schwer getroffen haben. Seine Familie mit einem Kleinkind hatte er bereits kurz zuvor, am 11. September 1944 von Saarbrücken ins vermeintlich sicherere Rothenburg o. d. Tauber gebracht. Er selbst tat weiter „seine Pflicht“ an der Saar (wie er es sicher verstand).

Das Staatstheater in Saarbrücken in Trümmern. (Foto: Fritz Mittelstaedt)
Das Staatstheater in Saarbrücken, das damalige Gau-Theater, in Trümmern.

Als der Reichssender wegen der auf Saarbrücken vorrückenden amerikanischen Truppen im Dezember 1944 ins benachbarte Dudweiler in ein Notstudio auswich, zog auch Mages dorthin um. Nachdem schließlich am 10. März 1945 Jagdbomber den Mittelwellensender des Reichssenders Saarbrücken in Heusweiler zerschossen hatten, konnte selbst das Notprogramm nicht mehr ausgestrahlt werden. Mages schlug sich nun mit gerade noch vier Fahrzeugen und den letzten neun Mitarbeitern des Senders nach Bad Mergentheim (im fränkischen Nordosten Baden-Württembergs) durch. Dort ist seine letzte Amtshandlung als Saarbrücker Intendant ein Bericht vom 24. 3. 1945, verfasst auf Briefpapier der Reichssender-Sendestelle Pfalz in Mannheim, an den Reichsrundfunk in Berlin, in dem er unter anderem mitteilt, er habe („Ihr Einverständnis vorausgesetzt“) einen Fahrer eingestellt (SR-Archiv).

Von Bad Mergentheim bis Rothenburg o. d. T. sind es nur gut 40 Kilometer. In Rothenburg finden sich bald nach Kriegsende auch Mages Spuren wieder – also dort, wo er wohl noch vor seiner aktiven Zeit als Nationalsozialist aus der Pfalz vorübergehend gewohnt hatte und wo seine Familie bereits seit dem Herbst wohnte. Ab 28. Mai 1945 ist Mages in Rothenburg wieder gemeldet gewesen. Bis zum Kriegsende mit bedingungsloser Kapitulation am 8. Mai war er, wie aus den Unterlagen des Einwohnermeldeamts ebenfalls hervorgeht, noch einmal bei der Wehrmacht gewesen.

Statt Reichssender-Intendant war Mages jetzt „Landarbeiter“ und lebte in „äußerst dürftigen Verhältnissen“ … „im Landbezirk“. Jedenfalls ist das in seiner Rothenburger Entnazifizierungsurkunde vom 12. Juli 1947 zu lesen.

Warum er so früh in die NSDAP eingetreten war, erklärte er der Kommission mit „Idealismus“. Er habe „den Versprechungen geglaubt“, sei dann aber zu der Erkenntnis gekommen, „dass es nicht das war, was er sich erträumt hatte“. Seine Betätigung für die Partei, so Mages, sei „nicht größer gewesen als die anderer Parteiangehöriger auch“. Mit dem Gauleiter Bürckel habe es keine Freundschaft gegeben und der Kontakt zu ihm sei nur „dienstlich“ gewesen.

In dem Ermittlungsbericht, den die Spruchkammer aus dem französisch besetzten Saarland bekommen hatte, las sich das allerdings viel weniger harmlos. Mages, heißt es da, sei ein „eifriger und überzeugter Nationalsozialist“ gewesen, habe als „Hauptmatador“ der Deutschen Front gegolten, und seine Berufung an den Sender sei nur wegen seiner Verdienste um die Rückgliederung erfolgt. 

Entnazifizierungsurkunde (Foto: SR)
Entnazifizierungsurkunde von Karl Mages.

Die nur mit Deutschen besetzte Rothenburger Entnazifizierungskammer in der „amerikanischen Zone“ vertraute allerdings der Auskunft aus Saarbrücken nicht: „Der Bericht (aus Saarbrücken in der französischen Zone, Anm. des Verf.) an und für sich ist nach der heutigen perfekten Lage mit der gleichen Vorsicht aufzunehmen wie die allgemeinen Ermittlungen aus einer anderen bestimmten Zone“ (gemeint ist die sowjetische, Anm. des Verf.).
So kam denn die Spruchkammer am 28. 4. 1947 „nach reiflicher Überprüfung und Erwägung“ zur Feststellung „der Tatsache, daß der Betroffene als Idealist mitgelaufen ist und alles aktive abgelehnt hat.“ Er sei ein „ideal veranlagter Mensch“ gewesen und „genauso ideal waren seine Handlungen“. Als „aktivistisch“ seien sie nicht zu bewerten. Er sei auch „kein Militarist oder Nutznießer“ gewesen.
Karl Mages wurde in der Gruppe 4 als Mitläufer eingestuft und musste 500 Reichsmark sowie die Verfahrenskosten von 747,40 zahlen.
Wolf Stegemann, Herausgeber und Koautor von „Rothenburg unterm Hakenkreuz“, kommentiert das unter der Überschrift „Entnazifiezierung“ so: „Die Spruchkammerverfahren der Entnazifizierungen waren in den Westzonen letztlich nur noch Farce, so auch die von Mages.“
Eine eindeutige Distanzierung von der Nazidiktatur ist Karl Mages jedenfalls in seinem Entnazifizierungsverfahren, soweit dem Spruch der Kammer zu entnehmen, nicht über die Lippen gekommen. Auch kein klares Wort des Bedauerns wird angeführt oder darüber, warum er vom Nationalsozialismus enttäuscht gewesen sei.

Das katastrophale Ende der nationalsozialistischen Diktatur und „dies und jenes“, was er so gehört habe, hatten Mages am Nationalsozialismus wohl auch nicht wirklich zweifeln lassen. „Meine Haltung hat sich da weniger gewandelt“, resümierte er noch 1985 im Interview. „Ich war national eingestellt und ich war sozial eingestellt.“ Damit lag er ganz auf der Linie von Bürckel, der als der „rote Gauleiter“ das Soziale besonders betont hatte. Auch dem „völkischen“ Gedanken schien Mages weiterhin anzuhängen. Schon damals habe er die Meinung vertreten, „die Partei ist etwas, das (nach dem Krieg) überwunden werden muss. Denn wir bestehen aus einem Volk und nicht aus Partei.“

Adolf Hitler, von Mages 1934 als Verkörperung des „Prinzips des Guten“ verehrt, habe „zumindest eine Aufgabe übernommen und sie bis dato (1935) gut gelöst“. Er sei es auch gewesen, der den Saarländern den Reichssender Saarbrücken „geschenkt“ habe – ebenso wie das damalige Gau-Theater (heutiges Staatstheater) und wie eine großartige und großzügige Städteplanung. Nur das große Bahnhofsgebäude vorn rechts sei allerdings vor dem Krieg noch fertig geworden und stehe ja noch.

Saarbrücker Staatstheater (Foto: Fritz Mittelstaedt)
Ein „Führergeschenk“ – wofür Saarbrücken aber viel selbst bezahlen musste.

Was Mages über den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels  sagte, hörte sich dagegen deutlich distanziert an: „Ich hatte eine Aversion gegen ihn“. Auch so manche seiner Anordnungen gefielen ihm nicht. Der habe „reinzureden“ versucht, während Gauleiter Bürckel ihn habe gewähren lassen.

Josef Bürckel (Foto: Sammlung Landesarchiv)
Rang um Einfluss auf den Reichssender Saarbrücken: Gauleiter Josef Bürckel …
Jungmädel mit Goebbels (Foto: SR)
Jungmädel und Reichs-Propagandaminister Joesph Goebbels.

In diesen Äußerungen zeigt sich auch Mages Situation zwischen den beiden Machtzentren für den Reichssender Saarbrücken: Goebbels im fernen Berlin und sein Förderer Bürckel (mit sehr gutem Draht zu Adolf Hitler) im nahen Neustadt an der Weinstraße. Wo Mages da stand, ist nicht schwer herauszuhören. Dennoch habe Goebbels gesagt, er (Mages) sei „einer der begabtesten deutschen Rundfunkintendanten.“ Ein Lob, das Mages offenbar ganz frei von Selbstironie so kommentierte: „Also das muss ich dann schon anerkennen, dass er da mindestens gute Menschenkenntnis bewies.“

Kein Wort von Mages dagegen zu den damals längst bekannten und nachgewiesenen Nazi-Gräueltaten mit Millionen und aber Millionen vor allem jüdischer Massenmord-Opfer, Kriegstoter und Flüchtlingen, mit zahllosen Kriegsinvaliden, Heimatvertriebenen und zerbombten Städten. Mages blieb wohl trotz allem ein Nationalsozialist und Hitlerverehrer. Seine späteren Aktivitäten in der Bundesrepublik lassen kaum einen anderen Schluss zu.

Auch nach seiner Entnazifizierung scheint Mages in Rothenburg weiterhin wohlwollende Fürsprecher gehabt zu haben. Ab September 1949 arbeitete er wieder als Journalist. Er wurde ständiger freier Mitarbeiter in der Lokalredaktion des „Fränkischen Anzeigers“. Sein erster „Hauptschriftleiter“ (so hieß es dort weiterhin) war für ein Jahr Armin Groß, der diese Funktion auch bereits in den letzten Monaten der Nazizeit innehatte. Die Verlegerfamilie war ebenfalls dieselbe geblieben.

Cover Rothenburg-Bildband von 1957 (Foto: SR)
Für den 1957 erschienenen Bildband „Rothenburg“ mit 42 Bildtafeln von Lala Aufsberg schrieb Mages den erklärenden Text. Das Buch erreichte vier Auflagen.

Der „Fränkischen Anzeiger“, das Regionalblatt der örtlichen Verlegerfamilie Schneider, war vor 1945 zwar keine offizielle NS-Parteizeitung gewesen, unterstützte aber dennoch den Nationalsozialismus äußerst engagiert. Wolf Stegemann schrieb dazu (im Internetblog „Rothenburg unterm Hakenkreuz“, „Der ,Fränkische Anzeiger' im Dienst des Nationalsozialismus“): „Rothenburgs ,Fränkischer Anzeiger‘ hatte – vielleicht aus einer Mischung aus Überzeugung und Selbsterhaltungstrieb heraus – den Stil einer offiziellen Parteizeitung angenommen … hetzende antisemitische Berichterstattung … war fast täglich zu lesen … Der ,Fränkische Anzeiger‘ war nicht nur dem NS-Regime so eng angepasst, dass – bildhaft gesagt – kein Zeitungsblatt dazwischen passte, bei der Durchsicht der Zeitungsbände gewinnt man schnell den Eindruck, Partei und Zeitung waren eins …“.

Fränkischer Anzeiger (Foto: SR)
Der „Fränkische Anzeiger“ 1937: voll auf Nazi-Kurs. Karl Mages wurde beim FA nach dem Krieg Redaktionsleiter.

Familie Schneider bekam nach dem Krieg in der amerikanischen Besatzungszone für den „Fränkischen Anzeiger“ keine Verlagslizenz. „Erst nachdem im August 1949 der Lizenzzwang aufgehoben wurde, konnte der (Fränkische Anzeiger im) Verlag Schneider am 1. September wieder erscheinen“.

SPD-Oberbürgermeister Friedrich Hörner stellte in der ersten Ausgabe am 1. September 1949 fest, dass der „Fränkische Anzeiger“ wohl spüre, wie sich eine „Atmosphäre des Vergessens und Vergebens“ verbreitet habe. Aber er erinnerte die Zeitung auch an ihre eigene Vergangenheit und mahnte sie damit indirekt: „Daher dürfen wir überzeugt sein, dass Du als Deine vornehmste Aufgabe betrachten wirst, das deutsche Volk durch Dein eigenes Vorbild vor einer Wiederholung solcher Katastrophen zu bewahren“ (Wolf Stegemann, „Neubeginn des ,Fränkischen Anzeigers' in einer Atmosphäre des ,Vergebens und Vergessens' am 1. September 1949“).

Von dieser „Atmosphäre des Vergessens und Vergebens“ dürfte wohl auch Karl Mages profitiert haben. Ab 1. April 1955 bis Ende März 1961 leitete er die Redaktion des Blattes. Der überregionale Teil wurde von den Nürnberger Nachrichten übernommen. „Nur noch über alte Mitarbeiter bzw. Leser“ erfuhr der Rothenburger Journalist Dieter Balb zudem, dass „Mages … sehr anerkannt gewesen zu sein (scheint) in Rothenburg“. Balb kam erst 1968 zum Blatt und war später 43 Jahre lang Redaktionsleiter des „Fränkischen Anzeigers“. Mit Mages hatte er nie persönlich zu tun, wohl aber 1979 im Blatt. Unter der Überschrift „Die Rechtsradikalen melden sich zu Wort“ zeigte er Flagge in einer publizistischen Auseinandersetzung mit dessen späterem Arbeitgeber „Deutsche Nationalzeitung und Soldatenzeitung“.

Ausschnitt NZ (Foto: SR)
Eine Schlagzeile aus der „Deutschen Nationalzeitung und Soldatenzeitung“ (Ausschnitt aus dem Bericht des Fränkischen Anzeigers von Dieter Balb über die Kontroverse mit dem rechtsradikalen Wochenblatt.)

Zwei Wochen nach seinem Ausscheiden beim „Fränkischen Anzeiger“ zog Karl Mages laut Melderegister am 13. April mit Familie von Rothenburg nach Bad Nenndorf in Niedersachsen um. Wohl ab Mitte der 1960er Jahre arbeitete er dann in München wieder in einem politischen Umfeld, das seiner politischen Einstellung voll und ganz entsprochen haben dürfte: als Redakteur und Chef vom Dienst der rechtsextremen „Deutschen National-Zeitung und Soldaten-Zeitung“.
Die Wochenzeitung wurde lange von dem Münchner Verleger (und länger auch Chefredakteur) Gerhard Frey herausgegeben. Das Bundesinnenministerium stellte 1979 fest, dass die „Publikationen des Dr. Frey“ sowohl „Huldigungen für Hitler und das totalitäre NS-Regime“ wie „einen aggressiven Antisemitismus“ offenbaren (Bundestagsdrucksache 8/2463 v. 11. 01. 1979).
Frey war zugleich Dauer-Vorsitzender der rechtsradikalen DVU (Deutsche Volksunion) sowie zeitweise Mitglied der verfassungsfeindlichen NPD (Nationaldemokratischen Partei Deutschlands). Beide rechtsextremen Parteien wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Die DVU existierte bis 2011, die „Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung“ bis 2019. Zeitweise erreichte sie eine Auflage von über 100-tausend Exemplaren. 
Mages brachte seine Mitwirkung am Blatt in führender Position 1967 eine Anklage der Münchner Staatsanwaltschaft wegen „fortgesetzter Volksverhetzung, staatsgefährdender Agitation und Beleidigung“ ein. 1965 und 1967 waren in der rechtsradikalen Wochenzeitung Porträtbilder Hitlers erschienen. Unter einem davon war Polemik gegen eine jüdische Wochenzeitung zu lesen, die den Verfassungsschutz auf die „Heckenschützen der jungen deutschen Demokratie“ hingewiesen habe (Stankiewitz, S. 173 ff.). Mit im Visier der Staatsanwaltschaft war Gerhard Frey (†2013), der Verleger des Blattes.

Mit ihrer Wochenzeitung brachten es Verleger Frey und sein Chef vom Dienst Mages 1974 auch in den „Bericht über die Entwicklung des politischen Radikalismus in der Bundesrepublik Deutschland“ (Verfassungsschutzbericht). Darin wird den beiden Chefs der „Deutschen National-Zeitung“, dem damals auflagenstärksten Blatt der radikalen Rechten, bescheinigt: „Typisch für den Stil der Zeitung ist die Verwendung reißerischer und hetzerischer Schlagzeilen.“ Das deshalb 1966 gegen Mages und seinen Verleger Frey eingeleitete Strafverfahren (sog. Überschriftenverfahren) wurde vom Landgericht München Ende September 1974 bei Teilung der Verteidigerkosten eingestellt. 

Verfassungsschutzbericht (Foto: SR)
Verfassungsschutzbericht von 1974, Passage zu Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung.

Ebenfalls im Verfassungsschutzbericht von 1974 ist nachzulesen, dass die Bundesregierung 1969 sogar den (gescheiterten) Versuch machte, Frey und seiner Druckschriften- und Zeitungsverlag GmbH gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes „wegen Verwirkung“ (Missbrauchs) Grundrechte aberkennen zu lassen. Zu entscheiden darüber hatte das Bundesverfassungsgericht. Dem allerdings waren für einen so weitgehenden Eingriff Frey und seine Zeitung zu erfolglos geworden. Zum entsprechenden Beschluss des BVerfG von 1974 heißt es im Verfassungsschutzbericht u. a.: „Seit der Antragstellung habe sich ,immer deutlicher abgezeichnet, dass die in der Zeitung … vertretenen und propagierten Auffassungen – soweit sie für ein Verfahren nach Artikel 18 GG relevant sein könnten – keine als ernsthafte Gefahr für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Betracht kommende, politisch bedeutsame Resonanz mehr finden'.“ Noch jedenfalls bis 1979 war Karl Mages im Impressum der „Deutschen Nationalzeitung und Soldatenzeitung“ zu finden.

Auch mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit engagierte sich Mages am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums. So gehörte er zum Beispiel zu den ersten Mitgliedern der 1960 gegründeten „Gesellschaft für freie Publizistik“. Bei der GfP leitete er den „Arbeitskreis Presse“ und redigierte deren Blatt „Freies Forum“.

Zusammen mit nicht wenigen alten Nazi-Kämpfern setzte er sich mit der GfP für die „Freiheit und Wahrheit des Wortes“ ein. Was damit gemeint war, wurde 1964 mehr als deutlich, als die Gesellschaft den von ihr geschaffenen „Ulrich von Hutten-Preis“ verlieh. Erster Preisträger war der amerikanische Geschichtsprofessor David Leslie Hoggan. Der bezeichnete sich selbst als „amerikanischen Nationalisten“, der sich „unter deutschen Nationalisten am wohlsten fühlt“. Kein Wunder, denn von denen wurde sein Buch „Der erzwungene Krieg“ erstveröffentlicht und geradezu hymnisch gefeiert. Alle ernst zu nehmenden deutschen Historiker dagegen lehnten es einhellig ab und bezeichneten es z. B. als Scharlatanerie oder Werk eines Stümpers. CSU-Bundesinnenminister Hermann Höcherl verurteilte den angeblichen „Paukenschlag der Wahrheit“ („Reichsruf“, Hannover) als eine „ungeheure Geschichtsklitterung“.

Hoggans Buchtitel „Der erzwungene Krieg“ war nicht neu. Helmut Sündermann, ehemaliger stellvertretender Pressechef der NSDAP und der Reichsregierung, hatte ihn laut Spiegel schon 1944 als Überschrift für einen seiner Artikel im „Völkischen Beobachter“ verwendet. Für das zentrale Parteiorgan der NSDAP hatte auch Karl Mages gelegentlich geschrieben. Und Sündermann, SS-Obersturmbannführer und Parteimitglied seit 1930, war wie Mages dann Mitglied der „Gesellschaft für freie Publizistik“ geworden. Ihre gemeinsame Gesinnung hatte sie wieder zusammengeführt.

Umkehrung der Kriegsschuld: Hoggan-Berichterstattung in der Deutschen Nationalzeitung.  (Foto: SR)
Umkehrung der Kriegsschuld: Hoggan-Berichterstattung in der Deutschen Nationalzeitung.

So wie Hoggans Buch-Titel nicht neu war, so waren auch seine Thesen von den Nazis übernommen. Auf einen Nenner gebracht: Am zweiten Weltkrieg waren die anderen Schuld, nicht Hitler und die Nazis. Eine Umkehrung der Kriegsschuld, die (dem Spiegel zufolge) auch schon Sündermann 20 Jahre zuvor entsprechend im „Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung“ vertreten hatte.

Karl Mages dürfte das sehr gefallen haben. In seinem Blatt hatte Hoggan angekündigt, dass er zur Entgegennahme des mit 5000 Mark dotierten Preises nach Deutschland kommen werde. Und seine „Deutsche National-Zeitung und Soldaten-Zeitung“ brachte dann auch ein großes Interview mit Hoggan. Der Interviewer beendete es so: „Herr Professor, das ist ganz einfach … schön! Ich möchte jetzt Ihre Hand drücken! Von Herzen Dank!“

                                                                      

Zitierte Quellen:

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Betriebsgemeinschaft, NSZ-Westmark: Neue Arbeitsräume in Saarlautern, S. 11 – 12 .

Buchholz, Axel: SR-Archiv, Recherche-Interview vom 5. 1. 1985.

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Kahmann, Bodo: Feindbild Jude, Feindbild Großstadt. Antisemitismus und Großstadtfeindschaft im völkischen Denken; Diss.; Georg-August-Universität Göttingen; 2016.

Mages, Karl:
Entnazifizierungsbescheid Karl Mages; 12. 7. 1947. Kopie im Besitz des Verfassers.
Lebenslauf v. 1. 10. 1935 für den Reichssender Saarbrücken. Bundesarchiv, Bestand R 55: Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda; Nr. 24319.
Frankreichs Pläne an der Saar. In: Unsere Saar Jahrbuch 1935; NSZ Rheinfront-Verlag: Neustadt an der Haardt

Mallmann, Klaus Michael; Paul, Gerhard (1991): Herrschaft und Alltag ein Industrierevier im Dritten Reich; Verlag J. H. W. Dietz Nachf.: Bonn

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Parteien und Presse in Rheinland-Pfalz 1945 – 1971; Hase & Koehler Verlag: Mainz

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Vom politischen Geschehen unbeeindruckt. Der Kampf der Familie Bürckel gegen die Entnazifizierung (1948 – 1958), S. 219 ff.; In: Rathkolb, Oliver.
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Verfassungsschutzbericht 1974, zitiert nach Bundestagsdrucksache 7/3259 vom 21. 2. 1975, S. 36.

Wettstein, Lothar (2010): Josef Bürckel: Gauleiter Reichsstatthalter Krisenmanager Adolf Hitlers; 2. überarbeitete Ausgabe

Für hilfreiche Unterstützung bei der Recherche bedankt sich der Verfasser insbesondere bei: Dieter Balb (Redaktionsleiter des „Fränkischen Anzeigers“ von 1972 bis 2015), Ruth Bauer (Stadtarchiv Saarbrücken), Michael Geib (Dokumentations- und Ausstellungszentrum zur Geschichte der US-Amerikaner in Rheinland-Pfalz), Dr. Bärbel Hanemann (Stadtarchiv Neustadt/Weinstraße), Florian Hüttenberger (Stadtarviv Rothenburg o. d. T.), Sabine Jansen (HR-Archiv), Christine Kohl-Langer (Stadtarchiv Landau), Dr. Roger Münch (Deutsches Zeitungsmuseum, Wadgassen), Dr. Stephan Pieroth, (Redakteur der Rheinfalz in Frankenthal und Historiker), Gerald Schleiwies (Stadtbibliothek Saarbrücken), Wolf Stegemann (Journalist und Ko-Herausgeber der Internet-Reihe „Rothenburg unterm Hakenkreuz“), Synagogengemeinde Saar, Florian Wagner (Stadtarchiv Saarbrücken), Stefan Weszkalnys (Saarbrücker Lokalhistoriker), Renate Young (ehrenamtliche Archivpflegerin der Gemeinde Lambsheim).

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Eva Röder (Gestaltung/Layout); Burkhard Döring (Illustrationen, Recherche SR-Archiv), SR-Multimedia, Martin Stehr, Klaus Peter Weber (Grafik).

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