Karl Mages, Portrait um 1938 (Foto: Fritz Mittelstaedt)

„Rücksichtslos im Einsatz für den Führer“

Karl Mages, zweiter Intendant des „Reichssenders Saarbrücken“

 

Von Axel Buchholz

Der „Reichssender Saarbrücken“ war der erste der beiden Vorgänger-Sender des Saarländischen Rundfunks. Er wurde 1935 gegründet – kurz nachdem die Saarländer sich in einer Volksabstimmung für Deutschland entschieden hatten. Damit herrschten die Nationalsozialisten nun auch an der Saar. Das galt uneingeschränkt auch beim „Reichssender Saarbrücken“. Die beiden Intendanten des neuen Senders dienten der NS-Diktatur als willfährige Propagandisten im Dienst des Systems: Dr. Adolf Raskin und sein Nachfolger Karl Mages.

Sowohl für Intendant Dr. Adolf Raskin als auch für dessen Nachfolger Karl Mages war die Radio-Karriere zum Teil ein „Dankeschön“. Wie sein Amtsvorgänger Dr. Adolf Raskin hatte sich auch Karl Mages Propaganda-Meriten beim „Abstimmungskampf“ für die Saar-Rückgliederung erworben. Er bei der Presse, sein Vorgänger beim Rundfunk. Und beide machten Karriere.
Der Lebenslauf von Karl Mages in einem ereignisreichen Abschnitt saarländischer und deutscher Geschichte ist ein interessantes Beispiel für eine nationalsozialistische Partei- und Presselaufbahn im Gefolge eines mächtigen Gauleiters. In diesem ersten Teil geht es um Mages‘ Weg in den Nationalsozialismus, bei der NSDAP-Parteipresse sowie seine Propaganda-Arbeit für die Rückgliederung des Saargebiets.
Karl Mages wurde am 12. Februar 1905 in Lambsheim im jetzigen Rhein-Pfalz-Kreis geboren. Sein Vater war Oberpostschaffner. Sohn Karl schrieb zu seinem eigenen beruflichen Werdegang am 1. 10. 1935 im Lebenslauf für den Reichsrundfunk Saarbrücken (Bundesarchiv RSS/24319): „Nach dem Besuch der Realschule sollte ich Kaufmann werden und trat in die Schnellpressenfabrik Albert & Co. A. G., Frankenthal ein. Inzwischen aber wendete ich mich der Journalistik zu.“ Mages schrieb dann für „Heimatzeitungen Gedichte und Aufsätze heimatlicher Art“. Nachdem der Betrieb in der Inflation stillgelegt worden sei, habe er „ausschließlich für Zeitungen“ geschrieben.

Das Geburtshaus von Karl Mages lag in Lambsheim direkt neben der ehemaligen Synagoge. Die Aufnahme entstand im März 1945 beim Einzug der amerikanischen Armee. Zum Vergrößern bitte anklicken.

„Nach Beendigung der Inflationszeit“ zog Mages 1924 (lt. Lebenslauf, laut Stadtarchiv Kaiserslautern dort angemeldet am 15. 11. 1924) nach Kaiserslautern und „arbeitete in der Firma Pfaff, redigierte aber eine Heimatzeitschrift, die sich der Pflege der Mundart und der heimatlichen Gebräuche widmete. Die Zeitschrift ging ein“.
Wohl in dieser sicherlich finanziell kaum auskömmlichen beruflichen Situation hat Mages zur rechtsradikalen Szene gefunden. Jedenfalls meldete er sich Ende 1928 als 23-Jähriger „zu dem damals verpönten Freiwilligen Arbeitsdienst (Bund Artam) und kam auf diese Weise zur SA“ (Zitate lt. Lebenslauf). Bei der „Sturmabteilung“ (SA) – einer paramilitärisch aufgebauten Ordnertruppe der NSDAP – blieb er bis 1931 und wurde dann 1939 erneut aufgenommen.

Der Bund Artam war ein völkisch-rassistischer Teil der Bündischen Jugendbewegung. Die „ritterliche deutsche Kampfgemeinschaft auf deutscher Erde“ motivierte zuerst junge Leute zu freiwilliger Arbeitsdienstleitung auf großen Landgütern. Später versuchte sie Güter zu kaufen, sie in kleinere Höfe aufzuteilen und an bäuerliche Siedler zu vergeben. Die Artamanen standen den Nationalsozialisten ideologisch und personell sehr nahe. Sie waren die einzige bündische Jugendbewegung, die 1934 nicht aufgelöst, sondern insgesamt in die Hitlerjugend (HJ) übernommen wurde.
Mages wurde seinem Lebenslauf zufolge von Artam 1929/30 auf dem Land in Brandenburg an verschiedenen Orten eingesetzt und brachte es bis zum Gruppenleiter. Der letzte Einsatzort war wohl (einer Meldekarte seiner Heimatgemeinde zufolge) Hohenlübbichow im Kreis Königsberg Neumark der preußischen Provinz Brandenburg. Heute liegt der Ort in Holen und heißt Lubichow Gorny. Damals gab es dort das große Rittergut der Familie von Keudell, auf dem Mages für Artam Arbeitsdienst geleistet haben könnte. Walter von Keudell, NSDAP-Mitglied seit 1933, war ab 1936 Staatssekretär im Reichsforstamt.

Vor seinem Einsatz bei Artam war Karl Mages noch bis Jahresanfang 1929 in Kaiserslautern gemeldet. Zum 11.01.1929 hat er sich von dort in seine Heimatgemeinde Lambsheim zurückgemeldet und dort dann am selben Tag gleich zusammen mit seiner Schwester Anna ins mittelfränkische Rothenburg ob der Tauber (Bayern) abgemeldet. Warum er dorthin wollte, für wie lange er dort blieb und selbst, ob er tatsächlich dorthin umzog, ließ sich nicht klären. Im Melderegister der Stadt findet sich sein Name erst 1945. Auch in seinem Lebenslauf erwähnt er einen Aufenthalt in Rothenburg nicht, obwohl die Kleinstadt bei den Nationalsozialisten einen hohen Stellenwert hatte.

Der Sozialwissenschaftler Bodo Kahmann schreibt in seiner Doktorarbeit dazu: „Im Einklang mit den großstadtfeindlichen Ansätzen in der Siedlungs-, Raum- und Agrarpolitik stilisierte die nationalsozialistische Geschichtspolitik die mittelalterliche (Klein-)Stadt zum Symbol eines goldenen Zeitalters des deutschen Städtewesens. Die mittelfränkische Stadt Rothenburg ob der Tauber wurde von der Propaganda zu einem Sinnbild für eine gesunde deutsche Stadt und zum Ideal einer nationalsozialistischen Gemeinschaft erklärt“ (Kahmann, S. 99).
Auch wenn sich Mages Aufenthalt 1929 dort bislang nicht belegen lässt, sollte Rothenburg in seinem weiteren Leben noch eine wichtige Rolle spielen – was dafür spricht, dass er tatsächlich dort war. Von dort ist er dann wohl zu Artam gegangen.

Karl Mages (Foto: SR/Karl Mittelstaedt)
Karl Mages in seiner Zeit beim Reichssender Saarbrücken.

Gut ein Jahr später am 1. Oktober 1930 trat Mages in Neustadt/Weinstraße in die NSDAP ein (Lebenslauf Mages u. Pieroth, S. 199). Er bekam die Mitgliedsnummer 368579. Wie beim ersten Intendanten des Reichssenders Saarbrücken Raskin fällt auch bei ihm sein Parteieintritt zeitlich mit einem Karriereschritt zusammen: „Gegen Ende 1930 bewarb ich mich als Schriftleiter (= Redakteur) bei der gerade gegründeten Parteizeitung der NSDAP („NSZ-Rheinfront“) und trat 1931 in den ersten Monaten ein.“ Am 5. 5. 1931zog Karl Mages laut Lambsheimer Melderegister nach Haßloch, den Verlagsort der Zeitung.
Mages Tätigkeit bei der „NSZ-Rheinfront“ beschrieb die Zeitschrift „Der Rundfunk, Blätter für nationalsozialistische Kulturgestaltung“ 1938 so: Mages „kämpfte auch als Schriftleiter … für die nationalsozialistische Weltanschauung“. Und wie er kämpfte: „Sein rücksichtsloser Einsatz für das Werk des Führers trug ihm eine Reihe von Prozessen und zahlreiche Strafen ein“. Mages selbst wurde in seinem Lebenslauf präziser: „Während meiner Tätigkeit als NS-Schriftleiter wurde ich 14 mal bestraft.“

Mehr zum ersten Reichssender-Intendanten Adolf Raskin

Dr. Adolf Raskin. (Foto: Deutsches Rundfunkmuseum)
Dr. Adolf Raskin.

Karl Mages wurde ein so vorbehaltloser und gläubiger Verkünder von Hitlers Heilslehre, dass er offenbar sogar an der bedingungslosen Linientreue seines Amtsvorgängers beim Rundfunk gewisse Zweifel hegte. Noch 40 Jahre nach Kriegsende sagte er jedenfalls in einem Recherche-Interview mit dem Verfasser (SR-Archiv), dass Raskin „im Grunde genommen“ gar kein Nationalsozialist gewesen und vorher sogar als „Salonbolschewist“ verfolgt worden sei. In die NSDAP eingetreten war Raskin wie viele 1933 – also kurz nachdem die Nazis die Macht in Deutschland übernommen hatten. Da war Mages bereits fast drei Jahre lang ein sehr aktiver Parteigänger der NSDAP.

Bei Mages' Einstellung als Zeitungsredakteur musste Josef Bürckel (*30. 3. 1895; ꝉ 28. 9. 1944) als NSDAP-Gauleiter Rheinpfalz und zugleich (Mit-)Eigentümer/Verleger des Blattes seine hilfreiche Hand im Spiel gehabt haben. Und womöglich hatte er dies auch zuvor bei Mages‘ Eintritt in die Partei. Bürckel war nun sein Arbeitgeber und als Gauleiter zugleich sein Parteichef.
Vielfach wird behauptet, Bürckel sei zudem ein Verwandter (Pohle, S. 409, FN 816) oder, präziser, ein Schwager von Karl Mages gewesen sein (Jacoby, S. 141; Mallmann/Paul, S. 126; Muskalla, S. 593; Pieroth, S. 199; Wettstein, S. 247). Wie die beiden verwandt oder verschwägert gewesen sein sollen, schreibt keiner der Autoren. Der Verfasser konnte durch eigene Recherchen keinen Beleg dafür finden.
Mages‘ Anfänge als Redakteur dürften 1931 „im materiellen Nichts“ der „NSZ Rheinfront“ „unter dem Damoklesschwert des wirtschaftlichen Ruins“ äußerst schwierig gewesen sein. „Die Verbote, Prozesse, die fast täglichen Besuche des Gerichtsvollziehers schmücken als ehrenvolle Erinnerungsnarben das Geschichtsbild unserer Zeitung“ (Zitate aus Hünerfauth, Josef, „Betriebsgemeinschaft“, S. 3).

Titel der internen NSZ Betriebszeitung nach 1940.  (Foto: SR)
Titel der internen NSZ Betriebszeitung nach 1940.

Mages Förderer Bürckel war bereits 1921 in die NSDAP eingetreten und 1926 NSDAP-Gauleiter geworden. Parallel zur Parteikarriere hatte der gelernte Volkschullehrer auch an seinem wirtschaftlichen Erfolg und publizistischen Einfluss gearbeitet. Zuerst engagierte er sich maßgeblich bei der NSDAP-Wochenzeitung „Der Eisenhammer“ (1926 – 1932). Es war ein „Revolverblatt“ – sehr robust und knallig in Aufmachung und Sprache“ (a. a. O.). Daraus ging ab Ende Oktober/November 1930 die Parteizeitung „NSZ Rheinfront“ hervor. Die erste Ausgabe erschien am 25. Oktober 1930 (Pieroth, S. 180). Verlagsort für beide Titel war Haßloch.

Josef Bürckel. (Foto: Sammlung Landesarchiv)
Josef Bürckel.

Bürckels Blatt warb bereits damals damit, dass es die „größte pfälzische antisemitische Tageszeitung“ sei (Pieroth a. a. O.). Gerade erst zusätzlich kommissarischer Leiter des Gaues Saar geworden, rief Bürckel dann am 17. März 1933 in seiner „NSZ Rheinfront“ zum Boykott jüdischer Geschäftsleute und Rechtsanwälte auf – schon kurz bevor dies auch im übrigen „Reich“ geschah (Martin, S. 142). 1940 schließlich ließ er im Rundfunk verkünden (a. a. O., S. 150), er habe dem „Führer“ gemeldet, dass sein Gau „judenrein“ sei – als einer der beiden ersten Gauleiter. Karl Mages, selbst „Fachredner“ der NSDAP für die Freimaurerei und das Judentum (Mages, Lebenslauf v. 24. März 1938), war da der Intendant des Reichssenders Saarbrücken.
Die „NSZ Rheinfront“ wurde in Bürckels späterem Machtbereich vom Rhein bis nach Metz an der Mosel parallel zu seiner politischen Karriere zu „einer der größten und bedeutendsten Zeitungen des neuen Reiches“. Und laut Hühnerfauth (a. a. O., S. 4) zu einer „schlagkräftige(n) Waffe im Geisteskampf um den Aufbau des nationalsozialistischen Staates“. Die „NSZ Rheinfront“ habe „als Organ des Gauleiters … einen besonderen geistigen Standort und eine ausgeprägte politische Eigenart“.

Hier einfügen Foto: NSZ-Verlagsgebäude  in Kaiserslautern (um 1935). Bereits bei Eva und Burkhard.

Bu: NSZ-Verlagsgebäude  in Kaiserslautern (um 1935) .

Abb. Stadtarchiv Kaiserslautern

Am Erfolg des Blattes war Karl Mages offenbar nicht unwesentlich beteiligt. Bürckel, der bei seinem Parteiorgan das uneingeschränkte Sagen hatte, beförderte ihn bereits nach knapp zwei Jahren zum Hauptschriftleiter (Chefredakteur). Im selben Jahr 1932 wurde Kaiserslautern der neue Verlagsort. Am 15. 5. 1932 zog Mages von Haßloch dorthin um (Auskunft Gemeindearchiv Lambsheim). Sein „rücksichtslos(er) Einsatz“ hatte ihm also das volle Vertrauen seines Über-Chefredakteurs (Pieroth, S. 196) und zugleich Gauleiters eingebracht.

Das zeigt sich auch daran, dass Bürckel den bewährten Mages bereits nach wenigen Wochen seiner offiziellen Tätigkeit als Chefredakteur (vom 16. 6. bis zum 23. 10. 1932) in eine für den Gauleiter selbst noch wichtigere Position „versetzte“. Mages wurde zur „zentralen Figur des publizistischen Kampfes an der Saar“ (Pieroth, SS. 199, 200). Er sollte dort die NSDAP und die Nazi-Propaganda vor allem mit Hilfe der „NSZ Rheinfront“ wesentlich schlagkräftiger machen.

Dass Hitler dieses zusätzliche Engagement Bürckels an der Saar zu schätzen wusste, zeigte sich schnell. Nachdem er am 31. Januar 1933 im Deutschen Reich an die Macht gekommen war, ernannte er seinen Gauleiter Rheinpfalz nun offiziell zusätzlich auch zum (kommissarischen) Gauleiter Saar der NSDAP und zum Beauftragten der Partei im Saargebiet.
Kommissarisch deshalb, weil das Saargebiet zu diesem Zeitpunkt noch unter Völkerbundsverwaltung stand und noch nicht wieder zum Reichsgebiet gehörte. Aber diese Streitfrage zwischen Deutschland und Frankreich sollte bald geklärt werden. Gemäß dem Saarstatut im Versailler Friedensvertrag war für 1935 ein Volksentscheid vereinbart – nach 15 Jahren Völkerbundszeit. Das war in rund zwei Jahren.

Den NSDAP-Wahlkampf für diese Volksabstimmung zu organisieren und mit einem Wahlsieg zu krönen, war Bürckels neue große politische Herausforderung. Sie erfolgreich zu bestehen, bedeutete für seinen „Führer“, den neuen Reichskanzler Adolf Hitler, außerordentlich viel. Und damit war ein Wahlsieg an der Saar für Bürckel gleich doppelt wichtig: für sein Ansehen bei Hitler und für die Vergrößerung seines regionalen Machtbereichs als Gauleiter. Dass Mages ihm dabei in herausgehobener Funktion helfen sollte, kann als großer Vertrauensbeweis in dessen „Kampfesgeist“ und propagandistische Durchschlagskraft verstanden werden.

NZZ Werbenummer (Foto: SR)
Eine Werbenummer der NSZ-Rheinfront 1932.

Bürckels NSDAP-Parteizeitung „NSZ Rheinfront“ hatte schon zu Anfang im Titel der Gesamtausgabe die Unterzeile „für die Rheinpfalz und das deutsche Saargebiet“ getragen. Nun wurden aber speziell für die Saar Nebenausgaben herausgebracht. Inhaltlich kooperierten sie eng mit der Hauptausgabe. Aus politisch-taktischen Gründen hatte die  NSZ-Saarausgabe aber wechselnde Titel und Verlage.

Bereits ab Juli 1932 erschien die Nebenausgabe „NSZ Saarfront“  als nationalsozialistische Tageszeitung im Saargebiet. Bis dahin hatte es mit der „Saardeutsche(n) Volkstimme“ nur eine Wochenzeitung der Partei gegeben. Karl Mages redigierte das neue Blatt, das ab 11. August 1933 nur noch „Saarfront“ hieß (Zeitangaben nach Pieroth, Parteien und Presse in Rheinland-Pfalz, S. 729).

In einem Rückblick beschrieb Karl Mages in der „NSZ Rheinfront“ seine Arbeit bei den drei Saar-Nebenausgaben „NSZ Saarfront“, „Saarfront“ und „Deutsche Front“. Das ist die Quelle des folgenden Textabschnitts: „Das war im Sommer 1932, als Gauleiter Bürckel mir eröffnete, daß ich in den nächsten Tagen schon von Kaiserslautern … nach Saarbrücken übersiedeln solle, um dort eine „NSZ Saarfront“ zu redigieren…“. Begeistert von dieser Order war der Parteisoldat Mages anfangs wohl nicht: „Grollend packte ich meine Koffer und unzufrieden kam ich in Saarbrücken an.“ Sein Propaganda-Auftrag dort war ihm klar: „Die Idee Adolf Hitlers mußte auch an der Saar täglich und täglich verbreitet und getrommelt werden.“ Und das „unter allen Umständen.“ Und die waren offenbar nicht nur organisatorisch ungünstig.

Fehlt noch Hier einfügen Titel „NSZ Saarfront“. Zulieferung direkt an Eva Röder durch Laura Hoffmann oder Burkhard Döring

B: Die „NSZ Saarfront“ war die erste Nebenausgabe der „NSZ Rheinfront“ für das Saargebiet.

„Die NSZ Saarfront“ erschien, aber niemand wollte sich durch diese Tatsache wesentlich aus der Ruhe bringen lassen. Es war unangenehm. Wir mußten grob werden, einmal fest auf den Tisch klopften, daß es nur so krachte und jeder zum Aufhorchen gezwungen war. Wir taten das und eine Saarbrücker Zeitung reagierte … Wir waren ihr … außerordentlich dankbar.“ Und Mages schien sein Konzept gefunden zu haben: „Dann stürzte ich mich auf alle möglichen Leute, arbeitete mit ihrer politischen Unfähigkeit und ihren asozialen Entgleisungen. Es war ein Heidenspaß.“ Nur die Polizei sei ihm „höchst unsympathisch“ gewesen: „Sie durfte von meiner Anwesenheit nichts wissen.“ Mages war ja wie Bürckel Reichsdeutscher. Er arbeitete deshalb nur „unter falschem Namen“.

Im Impressum (wenn es denn überhaupt eines gab) taucht sein Name ebenfalls nicht auf. Erst nach der illegalen Zeit zeichnete er einzelne wichtige Artikel und Kommentare namentlich. „Ich wurde nie erwischt“, stellt er fest. Dafür erwischte es mehrfach seine Zeitung. Sie wurde für vier Wochen verboten, erschien wieder und wurde erneut für 14 Tage verboten. Nur dieses eine Mal nennt Mages einen Grund für das Verbot – wohl nicht ohne einen gewissen Stolz. Seine Zeitung hatte geschrieben „Deutsche kaufen nicht bei Juden“.

Die NSDAP-Gauleitung in Saarbrücken wurde durchsucht, ebenso in einem Nebenzimmer die Verlagsleitung. In einem zweiten Anlauf wurde der Verlagsleiter „erwischt, eingesperrt und über die Grenze (ins Reich) abgeschoben. Mages ließ sich dadurch offenbar nur wenig beindrucken: „Ich zog den Kopf noch mehr ein und schimpfte unentwegt weiter.“

Nachdem Hitler am 30. Januar 1933 im Reich an die Macht gekommen war, änderte sich die Situation für die Zeitung: „Die Wogen dieses ungeheuren Geschehens brandeten auch an der Saar gewaltig hoch. Die NSDAP stand im Mittelpunkt des Interesses. Ihr Dornröschendasein hatte sein Ende gefunden. Die Abonnentenzahl der „NSZ Saarfont“ stieg sprunghaft …“.

Auch die persönliche Lage von Mages wurde Anfang des Jahres 1933 eine andere. Bürckel setzte (in seinem neuen zusätzlichen Amt als offizieller kommissarischer Gauleiter für das Saargebiet) einen „Kommissar der NSDAP an der Saar“ ein. Das war Heinrich Förster, der zuvor für Bürckel im Gau Rheinpfalz die inzwischen eingestellte NSDAP-Wochenzeitung „Eisenhammer“ redigiert hatte. Mages wurde Sekretär des „Kommissariats der NSDAP an der Saar“. Der Titel habe seinen Aufenthalt an der Saar „legalisiert“, schreibt er in seinem Rückblick.

Mit der gestiegenen Wahrnehmung der NSDAP und ihrer Zeitung im Saargebiet regierte allerdings auch die Regierungskommission des Völkerbunds  schärfer auf die Partei und das Blatt. „Kurze Zeit darauf“ stand Mages „als Angeklagter zum ersten Mal vor einem Saarbrücker Gericht. Es war nicht uninteressant.“ Die „NSZ Saarfront“ wurde für acht Tage verboten.

Fehlt noch Hier einfügen Titel „Saarfront“. Zulieferung direkt an Eva Röder durch Laura Hoffmann oder Burkhard Döring

Bu: Die „Saarfront“: dieselbe Zeitung aus politischen Gründen aber ohne den Zusatz NSZ (nationalsozialistische Zeitung) im Titel.

Seinen täglichen Arbeitsablauf beschreibt Mages als „weniger schön als anstrengend“. Vom Verlag in Saarbrücken waren es sechs Kilometer bis zur Redaktion (in Dudweiler) und 28km bis zur Druckerei in Neunkirchen. „Nachmittags arbeitete ich in Saarbrücke, fuhr abends mit dem Zug nach Neunkirchen und in den Morgenstundenmit unserem ersten Lieferwagen nach Saarbrücken zurück“.
Gauleiter Bürckel musste nach einem neuen Gesetz der Regierungskommission als Gauleiter offiziell wieder zurücktreten. Aber, so Mages, „der Kampf ging weiter. Gauleiter Bürckel war ständiger Gast an der Saar. Sein Name wurde nicht mehr genannt, aber sein Wille war überall spürbar.“
Mages musste Ende 1933 eine „zwangsmäßige Pause von vier Monaten einlegen“, die er in seinem Rückblick „überspringen“ wollte. Den Grund für beides ließ er offen. „In der Nacht zum 1. März“ 1934 kam Mages nach Saarbrücken zurück.

Von diesem Tag an hieß seine Zeitung „Deutsche Front“ (so auch Pieroth, Parteien und Presse in Rheinland-Pfalz, S. 729). Tatsächlich war der Titel eine Mogelverpackung der bisherigen „NSZ Saarfront“, die nun „für das Völkerbundregime als ,Deutsche Front‘ firmiert(e)“ (Hühnerfauth, a. a. O.). Mages wurde nun auch ganz offiziell der „Hauptschriftleiter“ (Chefredakteur).

Fehlt noch Hier einfügen Titel „Deutsche Front“. Zulieferung direkt an Eva Röder durch Laura Hoffmann oder Burkhard Döring

Bu: Die „Deutsche Front“ war die Bündnis-Zeitung aller Parteien, die sich für die Rückkehr der Saar zum Deutschen Reich einsetzten. 
Einen Monat später meldete er sich am 25. April 1934 nun erstmals beim Einwohnermeldeamt in Saarbrücken an. Zuvor hatte er offiziell jenseits der Saargebietsgrenze im westpfälzischen Kottweiler-Schwanden gewohnt (Auskunft Stadtarchiv Saarbrücken). Laut Auskunft von dort hat sich Mages allerdings erst am 23. 03. 1935) nach Saarbrücken umgemeldet. Möglicherweise hat er also seinen Wohnsitz im Reich erst ganz aufgegeben, als die politische Zukunft der Saar (und damit auch seine persönliche dort) durch die Volksabstimmung entschieden war.
Kottweiler-Schwanden liegt etwa auf halbem Weg zwischen dem Verlagsort Kaiserslautern, wo Mages zuvor für die „NRZ-Rheinfront“ gearbeitet hatte, und dem damaligen Saargebiet, in dem er schon seit 1932 tätig war. In Kottweiler-Schwanden feierte er am 18. Mai 1934 auch noch seine Hochzeit. Die Mutter seiner Frau Gerda (geb. Jordan) stammte aus diesem Ort.

In Kottweiler-Schwanden angemeldet hatte sich Karl Mages am 15.10. 1933. Dieses Datum passt zum Beginn seiner „zwangsmäßigen Pause“ im Saargebiet, die er in seinem Rückblick erwähnte. Davor hat er, wie  er in Kottweiler- Schwanden angab, in Lebach im Saargebiet gewohnt. Laut Auskunft aus Lebach taucht sein Name „in unseren Büchern nirgends auf. Wenn Mages sich Anfang der 30er Jahre in Lebach aufgehalten hat, dann scheinbar nicht offiziell. Zumindest sind hier keine Hinweise aktenkundig.“

Wo im Saargebiet Mages also zwischen Sommer 1932 und Oktober 1933 illegal gewohnt hat, bleibt somit offen. Seinem im Rückblick beschriebenen Tagesablauf zufolge ist aber zu vermuten, dass es in Saarbrücken war.

Der „Führer“ darf nicht fehlen: Mages‘ Rückblick-Artikel in der NSZ- Rheinfront. Zum Vergrößern bitte anklicken.

Als offizieller Hauptschriftleiter  der Tageszeitung „Deutsche Front“ hatte Mages nun jedenfalls einen offiziellen Wohnsitz in Saarbrücken. Die Zeitung war ihm zufolge das „Kampforgan erst der NSDAP und später der ganzen ,Deutschen Front‘“ (SR-Recherche-Interview, Mages Lebenslauf, Rückblick).
Das poltische Bündnis „Deutsche Front“ war der Zusammenschluss aller Parteien, die sich für die Rückkehr des Saargebietes zum Deutschen Reich einsetzten. Das Bündnis habe Bürckel, so Mages im Rückblick, „in der Zwischenzeit (also während seiner Zwangspause) geschaffen“: „in aller Ruhe, aber auch mit aller Gründlichkeit“. Mages fand einen Superlativ, um seinen Gauleiter dafür zu loben: Es sei die „relativ größte Organisation der Welt“ gewesen.
Jedenfalls war die „Deutsche Front“ eine äußerst wirkungsvolle Stärkung der NSDAP und der Effizienz ihrer Propaganda, denn die Nationalsozialisten gaben in dieser Sammlungsbewegung wie bei deren Zeitung den Ton an – obwohl sich die Partei, wie die anderen daran beteiligten ebenso, für das gemeinsame Ziel im Saargebiet offiziell aufgelöst hatte.

Plakat Saarabstimmung, Deutsche Mutter. (Foto: SR)
Wahlplakat der „Deutschen Front“ vor der Saarabstimmung 1935.

Die heiße Phase der auch als „Saarkampf“ bezeichneten Propagandaschlacht vor der bevorstehenden Saarabstimmung am 13. Januar 1935 fochten die Nationalsozialisten nun immer unerbittlicher aus. Für Mages war es „eine tolle Zeit“ und ein „frisch-fröhlicher Kampf“ in dem es Zeitungsverbote geregnet habe. Die deutschen Zeitungen durften ihm zufolge insgesamt 18 Wochen lang nicht erscheinen (Unsere Saar, S. 34).
Die Wahlkampfstrategie der NSDAP und damit auch die seiner Zeitung beschreibt Mages so: „Die Fronten waren klar. Hie Deutschland! – dort Frankreich! Wer nicht für Deutschland war, war dagegen. Eine sogenannte ‚Goldene Mitte‘ gab es nicht. Deutscher oder Verräter! Deutscher oder Separatist!“
Gut oder böse – auf diese Entscheidung war der nationalsozialistische Wahlkampf zugespitzt. Und das Gute hatte, wie  Hauptschriftleiter Karl Mages 1934 schrieb, einen Namen: „Das Prinzip des Guten … (fand) in Adolf Hitler seine einzigartige Verkörperung“. Ein Kampf gegen das „neue Deutschland“ Hitlers sei folglich „der Kampf des Bösen gegen das Gute“. Deshalb rufe „das Volk an der Saar … mit klarer Stirne und blanken Augen … seinen Willen … Alles für Deutschland und nur für Deutschland.“
Neben seiner Tätigkeit für die „Deutsche Front“ redigierte Mages „im Auftrag des Gauleiters die Kampfzeitungen: ,Der deutsche Kumpel‘ und ,Maske runter‘. Sie hatten die Aufgabe, „die separatistischen Drahtzieher im Saarkampf zu entlarven. Die Auflagen stiegen sprunghaft bis die Regierungskommission dagegen einschritt“ (wörtlich aus Mages, Lebenslauf, a. a. O.).
Ein Beispiel dafür, auf welche Art Karl Mages die „separatistischen Drahtzieher“ „entlarvte“, findet sich in „Der Deutsche Kumpel“ vom 28. 7. 1934 (Nummer 7). In dem Artikel geht es um Alois Kunz (*8. 4. 1892 in Marpingen – ꝉ 23. 10. 1942 in Auschwitz). Seine Geschichte hat der Verein „Wider das Vergessen und gegen Rassismus“ (e.V. Marpingen) recherchiert und eine Dokumentation dazu im Internet publiziert.

Hier einfügen Bild von Ausschnitt aus Der deutsche Kumpel Alois Kunz. Bereits an Eva und Burkhard zugeliefert.

Bu: Ausschnitt aus „Der deutsche Kumpel“ vom 28.7.1934

Demzufolge war der Bergmann der Grube Maybach Mitglied der SPD und des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund). Kunz agierte im Rahmen der Einheitsfront (dem Gegenbündnis zur  ‚Deutschen Front‘) gegen den Anschluss des Saargebietes an Hitlerdeutschland. Deshalb drohte ihm die Wochenzeitung unmissverständlich: „Herr Separatist Kunz! Lassen Sie sich das gesagt sein … Unsere Kumpels kennen ihre Pappenheimer. Sie werden Ihnen am 13. Januar 1935 ihre Antwort geben. Herr Separatist Kunz! Steigt Ihnen die Schamröte nicht in das Gesicht, wenn schon die Bewohner Ihres Heimatortes Sie derart verachten, daß sie beim Vorbeigehen auf den Boden spucken."

Hier einfügen Bild von Alois Kunz. Bereits an Eva und Burkhard zugeliefert.

Bu: Alois Kunz wurde als deutscher Marinesoldat im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918)  schwer verletzt. Ein Bruder war gefallen.

Kunz gab dennoch auch nach der verlorenen Abstimmung seinen aktiven Widerstand gegen die Nationalsozialisten nicht auf. Die angedrohte Antwort der neuen Machthaber ließ nicht lange auf sich warten. Am 31.05.1937 wurde der „Klauberer“ (reinigte die Kohle von der Berge) und spätere Telefonist von der Grube Maybach entlassen.

Arbeitslosenunterstützung bekam er noch 56 Tage lang. Für Juli 25,20 und für August 14,00 Reichsmark. Fortan musste er seine Familie mit einer kleinen Landwirtschaft durchbringen. „Mundtot“ hat ihn auch das offenbar nicht gemacht.
Am 08.09.1939 verhaftet ihn die Gestapo Saarbrücken (Geheime Staatspolizei) wegen „staatsfeindlicher Äußerungen – Vergehen gegen das Heimtückegesetz". Zwei Wochen später wird er als Häftling 2728 in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin eingeliefert und von dort ins Konzentrationslager Auschwitz  gebracht.

Hier einfügen Bild von Kunz-Brief aus Auschwitz Bereits an Eva und Burkhard zugeliefert.

Bu: Der letzte Brief von Alois Kunz an seine Frau kam aus Auschwitz.

In seinem einzigen Brief von dort schreibt er am 10. 9. 1942, dass er „noch gesund und munter“ sei und auf „ein baldiges gesundes Wiedersehen“ hoffe. Gut einen Monat später war der kranke und arbeitsunfähige Alois Kunz tot. Ermordet im KZ-Krankenbau, wahrscheinlich mit einer Phenolspritze mitten ins Herz.
Sechs Jahre zuvor hatte Karl Mages in seiner Zeitung „Der deutsche Kumpel“ zur Hetzjagd gegen ihn geblasen.
Wenige Wochen vor der Saarabstimmung gab sich Karl Mages bereits sehr siegessicher.
„Die deutsche Front an der Saar steht als eine unüberwindliche Trutzburg deutschen Glaubens und deutscher Treue“, schrieb er im Jahrbuch 1935 „Unsere Saar“ (S. 34). Dessen Schriftleiter war er (zusammen mit Rupert Rupp) ebenfalls. Es erschien in zwei Berliner Verlagen und im NSZ-Verlag Neustadt an der Haardt.

Saarbrücken nach der Volksabstimmung 1935 (Foto: Hermann Keuth/Landesarchiv des Saarlandes)
Hitlerjubel nach der Saar-Abstimmung am 13. Januar 193.

Als die Bevölkerung des Saargebietes sich am 13. Januar 1935 mit der überwältigenden Mehrheit von über 90 % für „Heim ins Reich“ entschieden hatte, konnte sich Adolf Hitler in seinem ersten großen außenpolitischen Erfolg sonnen. Die wärmenden Sonnenstrahlen förderten auch Bürckels Karriere. Er wurde ab Anfang März 1935 erst Reichskommissar für die Rückgliederung des Saarlandes, am 13. Januar (!) 1936 Gauleiter beider Gaue der NSDAP unter dem Namen „Gau Saarpfalz“ und ein halbes Jahr später Reichskommissar für das Saarland.

Cover Unsere Saar. (Foto: SR)
Titel "Unsere Saar".
NSZ Schlagzeile. (Foto: SR)
Ab 1935 erschien die NSZ Rheinfront mit einer eigenen Saarausgabe.
Westmark Titelseite. (Foto: SR)
NS-Kulturzeitschrift „Die Westmark“.

Karl Mages Aufgabe bei der „Deutschen Front“ war beendet, die Zeitung hatte ihren politischen Zweck erfüllt und wurde eingestellt. Karl Mages arbeitete nun als zweiter Hauptschriftleiter vorübergehend wieder bei der Gesamtausgabe der „NSZ-Rheinfront“. Die Zeitung erschien ab 1. März 1935 mit mehreren Bezirksausgaben und eigener Filialschriftleitung an der Saar.

Außerdem wurde Karl Mages noch „mit der Hauptschriftleitung der Kulturzeitschrift ,Die Westmark‘ beauftragt, die eine der besten deutschen Kulturzeitschriften ist“ (Mages, Lebenslauf). Als Autor dieser „Monatszeitschrift für Deutsche Kultur“ verfasste er Beiträge wie „Das deutsche Blut siegt! Die Saarknappen unter französischer Verwaltung“ (4. Heft, Januar 1935). Über Emigranten, die vor Hitlerdeutschland geflohen waren, schrieb er unter der Überschrift „Der Schicksalsweg des Verrats“ (10. Heft, Juli 1935).

Das Fazit des Saarbrücker Lokalhistorikers Stefan Weszkalnys nach Lektüre auch noch weiterer Mages-Beiträge aus seinem Privatarchiv ist eindeutig: „Karl Mages ist als Autor unmissverständlich auf Parteilinie und Propagandist Adolf Hitlers.“
Die „NSZ Rheinfront“ bekam ab 1. Dezember 1940 (Pieroth, S. 197) einen neuen Titel. Sie hieß nun „NSZ Westmark“. Zu ihrem Verbreitungsgebiet gehörte fortan auch das besetzte Ostfrankreich.

Bild fehlt noch Hier einfügen Titel „NSZ Westmark“. Liegt bisher noch nicht vor. Wird noch geliefert.

Karl Mages war da allerdings längst nicht mehr bei der Zeitung. Seit  dem 1. Juni 1935 arbeitete er beim Reichssender Saarbrücken. Der erste Intendant des Reichssenders Dr. Raskin habe ihn „angefordert“, sagte er im SR-Interview. Warum, wisse er (1985) immer noch nicht. Auf die Frage, wie Raskin denn auf ihn gekommen sei, antwortete Mages: „Der Dr. Raskin hat damals im Rundfunk für die Saarabstimmung geworben und lernte mich damals kennen als Journalist an der „Deutschen Front“. Er selbst habe mit diesen Sendungen aber „gar nichts zu tun“ gehabt (ebd.).
Im Gegensatz dazu ist aber auch zu lesen (Jacoby, S. 14; Mallmann/Paul, S. 126; Pohle, S. 409, FN 816), Mages sei schon der Stellvertreter von Raskin gewesen als dieser den „Westdeutschen Gemeinschaftsdienst“ vor der Saarabstimmung leitete. Davon schreibt allerdings der Rundfunkhistoriker Dr. Ansgar Diller, der ansonsten Jacoby häufiger zitiert, nichts.
Diese Arbeitsgruppe von Rundfunkleuten – mit Sitz zuerst beim Reichssender Frankfurt und dann beim Reichssender Stuttgart –  organisierte (und teilweise auch produzierte) im gesamten Reichsrundfunk ab 1934 die Propagandasendungen für die Saarabstimmung. Sie unterstand dem allein für den Rundfunk zuständigen Reichspropagandaminister Goebbels und bestand aus Rundfunkfachleuten, einige vom Reichssender Köln. Dazu passte der Zeitungsjournalist Mages nicht, der zudem ja auch noch ein Bürckel-Vertrauter war und von diesem als Pressemann gebraucht wurde.
Plausibler ist dagegen, dass Gauleiter Bürckel selbst sich dafür eingesetzt hat, dass Mages zum Sender wechselte. Er hätte jedenfalls gleich drei gute Gründe dafür gehabt. Mit seinem „Gefolgsmann“ Karl Mages verschaffte er sich eigenen regionalen Einfluss im neu entstehenden „Reichssender Saarbrücken“, der von dem Goebbels-Vertrauten Raskin geleitet wurde. Im Rundfunk ein Wort mitzureden, hatte er schon vorher vergeblich versucht (Diller, Der Frankfurter Rundfunk 1923 – 1945, S. 125). Außerdem konnte er sich Mages gegenüber dankbar zeigen für dessen propagandistische Pressearbeit während des „Saarkampfs“. Und schließlich war Bürckel als Verleger das Problem los, zwei Hauptschriftleiter bei der „NSZ-Rheinfront“ bezahlen zu müssen.
Für Mages allerdings bedeutete die Arbeit beim Reichssender Saarbrücken erst einmal einen Abstieg. Darum ist durchaus glaubhaft, dass er gar nicht so gern in das damalige Erfolgsmedium Radio wechselte, wie er im SR-Interview sagte. Seine Begründung dafür, dass er „lieber Journalist geblieben wäre“, ist verräterisch. Sie deutet darauf hin, dass sein Förderer Bürckel ihm einen baldigen Aufstieg in eine Leitungsfunktion beim Sender in Aussicht gestellt hatte.

Lässt sich das folgende als Link gestalten, der an den Text anschließt?

Mages Karriere beim Reichssender Saarbrücken und seine Nachkriegstätigkeit in der bundesdeutschen rechtsradikalen Szene ist Thema des Fundstücks „Von Gauleiters Gnaden“.

Zitierte Quellen:

„Betriebsgemeinschaft, NSZ-Westmark“, „Neue Arbeitsräume in Saarlautern“ (damals der Name von Saarlouis), S. 11f.

„Der Rundfunk, Blätter für nationalsozialistische Kulturgestaltung“, 1938,Heft 2, Jahrgang 2, S.35.

Diller, Ansgar, Rundfunkpolitik im Dritten Reich, München 1980 (Rundfunk in Deutschland, hrsg. von Hans Bausch, Bd. 2).

Ders., Der Frankfurter Rundfunk 1923 – 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Zeit des Nationalsozialismus, Diss. Wiesbaden 1975.

Hühnerfauth, Josef, „Vom ,Revolverblatt' zur führenden Zeitung“, in: „Betriebsgemeinschaft, Werkszeitung der „NSZ Rheinfront“ und der angeschlossenen technischen Betriebe, Folge 1, November 1936. Der Artikel ist mit J. H. gezeichnet. Dabei dürfte es sich um Josef Hühnerfauth, den damaligen stv. NSZ-Hauptschriftleiter und Hauptschriftleiter der Anfangszeit gehandelt haben.

Jacoby, Fritz, „Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar”, Saarbrücken 1973.

Kahmann, Bodo, Feindbild Jude, Feindbild Großstadt. Antisemitismus und Großstadtfeindschaft im völkischen Denken, Diss. Göttingen 2016.

Mages, Karl, Lebenslauf vom 1. 10. 1935 für den Reichssender Saarbrücken. Quelle: Bundesarchiv, Bestand R 55 (Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda), Nr. 24319.

Ders., Frankreichs Pläne an der Saar, in: Unsere Saar. Jahrbuch 1935, Verlagsgemeinschaft Verlag der Deutschen Arbeitsfront Berlin, „NSZ Rheinfront“-Verlag Neustadt an der Haardt, Kurt Vowinckel-Verlag Berlin, Schriftleitung Karl Mages und Rupert Rupp.

Ders., Fünf Jahre „NSZ“ an der Saar. Ein Rückblick, NSZ Rheinfront vom 30. 9.1935

Recherche-Interview Axel Buchholz vom 5. 1. 1985 mit Karl Mages (SR-Archiv).

Mallmann, Klaus Michael; Paul, Gerhard, Herrschaft und Alltag ein Industrierevier im Dritten Reich, Bonn 1991

Martin, Michael, Bürckel und die Verfolgung der Juden, in: Pia Nordblom, Walter Rummel und Barbara Schuttpelz (Hrsg.), Josef Bürckel Nationalsozialistische Herrschaft und Gefolgschaft in der Pfalz, 2. verbesserte und ergänzte Auflage, 2020.

Muskalla, Dieter, NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel, Saarbrücken 1995.

Pieroth, Stephan, Presse unterm Hakenkreuz, in: Gerhard Nestler, Roland Paul und Hannes Ziegler (Hrsg.): Braune Jahre in der Pfalz. Neue Beiträge zur Geschichte einer deutschen Region in der NS-Zeit (Beiträge zur pfälzischen Geschichte, Bd. 29), Kaiserslautern 2016.

Ders., Parteien und Presse in Rheinland-Pfalz 1945 – 1971, Mainz 1994.

Pohle, Heinz, Der Rundfunk als Instrument der Politik, Hamburg, 1955.

Verein „Wider das Vergessen und gegen Rassismus“ (e. V. Marpingen), Alois Kunz – ein Vorbild damals und heute, http://www.widerdasvergessen.de/index.php/marpingen/alois-kunz

Wagner, Eberhard, Marpingen und der Kreis St. Wendel unter dem Hakenkreuz. Ein alternatives Heimatbuch, Röhrig Universitätsverlag, 2008

Wettstein, Lothar: Josef Bürckel: Gauleiter Reichsstatthalter Krisenmanager Adolf Hitlers, 2. überarbeitete Ausgabe 2010.

Für hilfreiche Unterstützung bei der Recherche bedankt sich der Verfasser insbesondere bei:

Mario Aulenbacher (Stadtarchiv Kaiserslautern), Dieter Balb (langjähriger Redaktionsleiter des „Fränkischen Anzeigers“), Ruth Bauer (Stadtarchiv Saarbrücken), Eberhard Dittus (Gedenkstätte Neustadt/Weinstraße), Michael Geib (Dokumentations- und Ausstellungszentrum zur Geschichte der US-Amerikaner in Rheinland-Pfalz), Dr. Bärbel Hanemann (Stadtarchiv Neustadt/Weinstraße), Florian Hüttenberger (Stadtarchiv Rothenburg o. d. T.), Dr. Roger Münch (Deutsches Zeitungsmuseum, Wadgassen), Dr. Stephan Pieroth, (Redakteur der Rheinfalz in Frankenthal und Historiker), Klaus Reichert (Bürgerdienste, Ordnungswesen der Stadt Lebach), Gerald Schleiwies (Stadtbibliothek Saarbrücken), Wolf Stegemann (Journalist und Ko-Herausgeber der Internet-Reihe „Rothenburg unterm Hakenkreuz“), Synagogengemeinde Saar, Stefan Weszkalnys (Saarbrücker Lokalhistoriker), Peter Wettmann-Jungblut (Landesarchiv des Saarlandes), Renate Young (ehrenamtliche Archivpflegerin der Gemeinde Lambsheim).

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz; Eva Röder (Gestaltung/Layout); Burkhard Döring (Illustrationen, Recherche SR-Archiv), Sven Müller (Video), Laura Hoffmann (Fotos Archivmaterial).

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