Embryonenschutzgesetz (Symbolbild) (Foto: picture alliance / dpa | Bernd Wüstneck)

Embryonenschutzgesetz und Reform-Pläne

Isabel Schaefer   30.05.2022 | 16:37 Uhr

Was im Bereich künstlicher Befruchtung in Deutschland erlaubt ist und was nicht, regelt das über 30 Jahre alte Embryonenschutzgesetz. Das Gesetz von 1990 verbietet vieles, was heute technisch möglich ist und in anderen Ländern längst angeboten wird. Namenhafte Expertinnen und Experten aus der Medizin, Psychologie und Ethik sowie des Rechts fordern seit Jahrzehnten, dass dieses Gesetz reformiert werden muss.


Eizellenspende

Die Eizellenspende ist in Deutschland verboten. Die Samenspende hingegen ist erlaubt und rechtlich geregelt. Diese Ungleichbehandlung lässt sich nicht rechtfertigen, finden zum Beispiel Reproduktionsmediziner der nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

So hätten Frauen, die nach einer Krebsbehandlung keine eigenen fruchtbaren Eizellen mehr haben, derzeit keine Möglichkeit, schwanger zu werden. Heterosexuelle Paare, bei denen der Mann keine fruchtbaren Samenzellen hat, könnten hingegen eine Samenspende in Anspruch nehmen.

Vor 30 Jahren, als das Embryonenschutzgesetz verabschiedet wurde, verbot der Gesetzgeber die Eizellenspende, weil er nicht wollte, dass ein Kind zwei Mütter hat – die genetische Mutter und die Frau, die das Kind austrägt. Es wurde damals laut Leopoldina befürchtet, dass eine sogenannte „gespaltene Mutterschaft“ Identitätsfindungsprobleme für das Kind zur Folge haben würde.

Durch Studien sei dies inzwischen widerlegt und viele deutsche Paare würden wegen des Verbots ins europäische Ausland drängen. Die Eizellenspende ist nämlich in fast allen europäischen Ländern legal. Nur Norwegen und die Schweiz haben momentan noch eine ähnliche Regelung wie Deutschland. 

Die Eizellenspende wird laut Leopoldina im Ausland oft anonym praktiziert, wodurch dem Kind sein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung versagt bleibe. Dies sei ein weiterer für Grund, sie auch in Deutschland zu legalisieren.


Präimplantationsdiagnostik (PID)

Eizellen zum Beispiel vor der Befruchtung auf ihre genetische Gesundheit überprüfen zu lassen, erlaubt das Embryonenschutzgesetz nur in Ausnahmefällen. Nur wenn in der Familie der Partner schwerwiegende Krankheiten aufgrund von Genmutationen oder Chromosomenveränderungen vorhanden sind, können sie einen Antrag auf Präimplantationsdiagnostik stellen.

Eine Ethik-Kommission muss dann über diesen Antrag entscheiden. Mit dieser Regelung wollten die Gesetzgebenden 1990 das menschliche Leben schützen und verhindern, dass so etwas wie „Designer-Babies“ entstehen.

In der heutigen Zeit, in der Paare viele Tausend Euro für einen einzigen Versuch künstlicher Befruchtung ausgeben, ist der Wunsch, die genetische Gesundheit von Zellen und Embryos zu überprüfen, jedoch gestiegen.


Vorauswahl überlebensfähiger Embryonen

Es ist in Deutschland nicht erlaubt, bei künstlicher Befruchtung überzählige Embryonen, sozusagen auf Vorrat, entstehen und dann einfrieren zu lassen. Mit diesem Verbot wollten die Gesetzgebenden 1990 verhindern, dass Embryonen zum Zweck der Forschung erzeugt werden.

Es dürfen laut Gesetz pro Zyklus nicht mehr als drei künstlich befruchtete Eizellen heranreifen und der Frau übertragen werden. Das Embryonenschutzgesetz erlaubt es Ärztinnen und Ärzten nicht, vor der Übertragung auf die Frau eine Auswahl des überlebensfähigsten Embryos zu treffen.

Der sogenannte elective Single Embryo Transfer (eSET) wird aber in vielen Ländern praktiziert bzw. ist dort sogar Pflicht. Bei einer Übertragung von drei Embryonen auf einmal steigt nämlich das Risiko einer Mehrlingsgeburt und damit auch der gesundheitlichen Gefahren für Mutter und Kind(er).

Reproduktionsmediziner und Juristen haben sich deshalb auf den „deutschen Mittelweg“ geeinigt, eine liberale Auslegung des Embryonenschutzgesetzes. Ärzte einem Kinderwunschzentrum dürfen auch mehrere Zellen befruchten und dann fünf Tage lang schauen, welche Zelle sich wirklich zu einem potenziell entwicklungsfähigen Embryo ausbildet.

Meist wird dann der Frau auch in Deutschland nur der Embryo übertragen, der die besten Entwicklungschancen hat. Falls spontan mehrere entwicklungsfähige Embryonen entstehen, dürfen diese eingefroren werden.

Rechtlich ist das aber eine Grauzone. Die Auswahl des entwicklungsfähigsten Embryos rechtlich klar zu regeln, ist die Forderung des Arbeitskreises „Offene Fragen der Reproduktionsmedizin“ bei der Bundesärztekammer.


Embryonenspende

Was passiert mit übrig gebliebenen Embryonen, wenn der Kinderwunsch eines Paares abgeschlossen ist? Sie könnten zum Beispiel an andere Paare, die keine eigenen Eizellen oder Samenzellen haben, zur Adoption freigegeben werden.

In anderen Ländern dürfen die Embryonen auch für hochrangige Forschungsziele eingesetzt werden, zur Entwicklung neuer Therapien gegen Diabetes oder Herzinfarkt etwa. Zuvor muss eine unabhängige Ethikkommission im Rahmen einer Einzelfallentscheidung die wissenschaftliche Fragestellung als wichtig genug bewerten.

In Deutschland sind beide Ansätze nicht klar geregelt bzw. nicht legal. Eindeutig verboten ist nach dem Embryonenschutzgesetz die gezielte Herstellung von Embryonen zum Zweck einer Spende. Deutschland nutzt aber die ausländischen Forschungsergebnisse, die auf Embryonen-Forschung beruhen.


Leihmutterschaft

Die Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten und gesellschaftlich höchst umstritten. Bei dieser Art der Familienbildung trägt eine Frau im Auftrag eines Paares oder eines alleinstehenden Menschen mit Kinderwunsch ein Kind aus. Aufgrund des Verbots gehen viele deutsche Paare ins Ausland. Die gesetzliche Lage in Bezug auf die Leihmutterschaft ist in vielen Ländern aber auch nicht vollständig geklärt und ändert sich ständig.

Generell wird zwischen der altruistischen und kommerziellen Leihmutterschaft unterschieden. Für die altruistische Leihmutterschaft erhält die Frau, die das Baby zur Welt bringt, keinen finanziellen Ausgleich. Sie tut dies aus selbstlosen Motiven, um dem Paar zu helfen, den Kinderwunsch zu erfüllen. Diese ist zum Beispiel in den Niederlanden, Großbritannien und Belgien erlaubt, allerdings oftmals nur für Staatsbürger.

Die kommerzielle Leihmutterschaft ist für (heterosexuelle) Ausländer in einigen Staaten der USA, in Russland, Georgien, Indien und Südafrika erlaubt. Israel erlaubt die kommerzielle wie altruistische Leihmutterschaft für homosexuelle und heterosexuelle Paare, allerdings nur mit israelischer Staatsbürgerschaft. Bis zum Kriegsbeginn war vor allem auch die Ukraine ein Ziel für deutsche Paare in Sachen Leihmutterschaft.

Eine Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland würde laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Leopoldina eine ganze Reihe von Fragen aufwerfen:

„Wie soll sichergestellt werden, dass die Frauen nicht von den Wunscheltern unter Druck gesetzt werden? Was geschieht, wenn Leihmütter nach der Geburt das Kind nicht abgeben wollen? Welche Rechte haben sie? Gäbe es überhaupt akzeptable Rahmenbedingungen?“

Die Leopoldina stellt fest, dass unbedingter Regelungsbedarf für im Ausland von einer Leihmutter geborene, jedoch in Deutschland aufwachsende Kinder besteht. Außerdem solle eine in Deutschland angebotene und durchgeführte medizinische und psychosoziale Beratung zu den Problemen einer Leihmutterschaft nicht strafbar sein.

Die Leihmutterschaft ist auch gesellschaftlich umstritten. Konservative und religiöse Sichtweisen lehnen diese Art der Familiengründung oftmals ab. Für sie zerstört die Leihmutterschaft die traditionelle Rolle der Mutter und die etablierte Vorstellung, dass die biologischen Eltern auch automatisch die sozialen Eltern sind.

Außerdem kritisieren Ethikerinnen und Ethiker häufig, dass die Leihmutterschaft wie auch die Eizellenspende Kinder zur Ware mache und die finanzielle Not von Frauen aus ärmeren Ländern und Schichten ausnutze. Der Schutz von Leihmüttern sei nicht ausreichend geregelt, internationale Standards fehlten.

Progressive, liberale Lager betonen hingegen die Notwendigkeit einer Legalisierung der altruistischen Leihmutterschaft. Sie schaffe Gleichberechtigung, wenn es darum geht, unabhängig vom Geldbeutel oder der sexuellen Orientierung eine Familie zu gründen.

Das Kindeswohl hänge außerdem von der Liebe der Elternteile ab und nicht davon, wie ein Kind gezeugt werde. Aktuell dränge die gesetzliche Lage in Deutschland ohnehin viele Paare ins Ausland. Eine Legalisierung der Leihmutterschaft und Eizellenspende würde den medizinischen Tourismus beenden und rechtliche Rahmenbedingungen und Standards für die Leihmutterschaft schaffen.


Pläne der Ampel-Koalition

Man darf gespannt sein, wann die neue Bundesregierung ihre Pläne für "Reproduktive Selbstbestimmung" umsetzen wird. In nicht einmal zwei Jahren will Justizminister Marco Buschmann (FDP) die größte familienrechtliche Reform seit Jahrzehnten umsetzen.

Auf Seite 116 des Koalitionsvertrags heißt es:

Wir wollen ungewollt Kinderlose besser unterstützen. Künstliche Befruchtung wird diskriminierungsfrei auch bei heterologer Insemination, unabhängig von medizinischer Indikation, Familienstand und sexueller Identität förderfähig sein.

Die Beschränkungen für Alter und Behandlungszyklen werden wir überprüfen. Der Bund übernimmt 25 Prozent der Kosten unabhängig von einer Landesbeteiligung. Sodann planen wir, zu einer vollständigen Übernahme der Kosten zurückzukehren.

Die Kosten der Präimplantationsdiagnostik werden übernommen. Wir stellen klar, dass Embryonenspenden im Vorkernstadium legal sind und lassen den „elektiven Single Embryo Transfer“ zu. Wir setzen eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ein, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird.

Daraus kann mein ein Umdenken in Bezug auf Familie und wie sie entstehen kann lesen. Neue, staatlich anerkannte Lebensgemeinschaftsformen sollen gleichgestellt werden. Alle sollen selbst wählen können, wie sie Eltern werden wollen, unabhängig vom Geldbeutel oder ihrer sexuellen Identität.

Die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Monika Knoche, schreibt in der jungen Welt:

Unter den Bannern „Gendergerechtigkeit und Gleichstellung“ sowie „reproduktive Selbstbestimmung“ soll nicht nur das gesellschaftliche Verständnis von Elternschaft modernisiert, sondern auch die menschliche Fortpflanzung aus der zwischengeschlechtlichen Sexualität herausgeführt werden.

Dabei gilt als Akt der Emanzipation, Leihmutterschaft, Eizellspende und den selektiven Embryonentransfer aus der „Verbotszone“ herauszuholen. 

Eine Legalisierung der Leihmutterschaft, Eizellenspende und des selektiven Embryonentransfers würde nicht ohne eine neue gesetzliche Grundlage, also eine grundlegende Reform des Embryonenschutzgesetzes, gehen. Im Koalitionsvertrag steht allerdings erstmal nur, dass eine Kommission eingesetzt werden soll, die Möglichkeiten für die Legalisierung erschließt.

Künstliche Befruchtung soll außerdem diskriminierungsfrei in Bezug auf die Kosten werden. Man kann also erwarten, dass die staatliche Förderung künstlicher Befruchtungen alle gleich berücksichtigen wird -  egal ob unverheiratet, hetero- oder homosexuell, trans oder divers.

Auch die medizinische Vorgeschichte soll beim Zugang zu künstlicher Befruchtung keine Rolle mehr spielen. Ein Arzt oder eine Ärztin muss also nicht erst bestätigen, dass die Behandlung „krankheitsbedingt“ notwendig ist, z. B. aufgrund von Sterilität. Auch die Altersgrenze soll fallen. Unklar ist bisher, was dies für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen bedeutet.

Ein konkretes Reformvorhaben ist bereits bekannt: Bundesjustizminister Buschmann hat angekündigt, die Co-Mutterschaft anerkennen zu wollen. Wenn ein Kind in eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau geboren wird, ist der Mann unabhängig von der biologischen Vaterschaft rechtlich der Vater.

Buschmann will, dass dies bei Frauen-Paaren auch automatisch zutrifft. Dafür müsste das Abstammungsgesetz reformiert werden. Aktuell beschäftigt sich das Verfassungsgericht in Karlsruhe damit.

Bis zur Mitte der Legislaturperiode will die Ampelkoalition ihre Reformen im Familienrecht umsetzen. Die Gesetzentwürfe sollen zügig erarbeitet und bereits im Sommer vom Bundestag verabschiedet werden, so zumindest der Plan vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs.


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