Buchcover: Welt ohne Ende - Jean-Marc Jancovici und Christophe Blain (Foto: Reprodukt)

„Welt ohne Ende“ – Ein Klima-Comic macht in Frankreich Furore

Sabine Wachs   13.03.2023 | 12:05 Uhr

Ein Comic als meistverkauftes Buch des Jahres – in Deutschland kaum vorstellbar und auch im Comic-Land Frankreich eine Premiere. Der Klima-Comic „Welt ohne Ende“ hat es im vergangenen Jahr geschafft.

Mit mehr als einer halben Million verkauften Exemplare hat das Buch von Zeichner Christophe Blain und dem bekannten französischen Klimaforscher Jean-Marc Jancovici alle anderen auf die Plätze verwiesen: „Welt ohne Ende“ analysiert die Folgen des menschengemachten Klimawandels witzig, wissenschaftlich und provokant. Ein Thema, das vielen Menschen auf den Nägeln brennt. Der Erfolg des Comics aber hat seine Autoren dann doch überrascht.

„Ich habe überhaupt keine Erklärung, warum das Buch das meistverkaufte Buchs Frankreichs ist“, sagt Jean-Marc Jancovici und grinst. Als Wissenschaftler hält er sich an Fakten, um Phänomene zu erklären – doch was den enormen Erfolg des Comics „Monde sans Fin“ – „Welt ohne Ende“ angeht, den er zusammen mit Zeichner Christophe Blain veröffentlicht hat, wagt er zumindest Hypothesen.

„Die erste Hypothese ist, dass das Klima in den vergangenen Jahren immer mehr ins Bewusstsein der Menschen gerückt ist. in Deutschland waren es die heftigen Überschwemmungen. Bei uns in Frankreich die extremen Hitzewellen.“

Ein Ausschnitt aus dem Comic "Welt ohne Ende". (Foto: Verlag )
Ein Ausschnitt aus dem Comic "Welt ohne Ende".

Klimakatastrophen betreffen uns alle

Und genau dort setzt Zeichner Christophe Blain an. Bei dem Fakt, dass Wetterextreme immer häufiger auftreten werden, dass Paris im Jahr 2050 Temperaturen um die 50 Grad bevorstehen könnten. Wie hängt das mit dem Klimawandel zusammen? Was sind seine Ursachen und Folgen?

Blain wollte diesen Fragen schon lange in einem Comic auf den Grund gehen, suchte einen Experten und fand einen Partner in Jean-Marc Jancovici, Frankreichs populärstem Klimaforscher.

Der erklärt seit Jahren in Youtube-Videos einfach und griffig die Folgen des Klimawandels. „Als Christophe Blain zu mir kam, hat er mir gesagt, deine Videos sind super, wenn man Dir zuhört, versteht man alles, aber selbst kann man es nicht wiedergeben. Deswegen wollte er aus meinen Vorträgen ein Buch machen, das man immer wieder hervorholen kann. Quasi Verstehen auf einen Blick.“

Bande Dessinee
Das Recht der Erde von Étienne Davodeau
Bure in Lothringen, dort soll das umstrittene Atommüll-Endlager entstehen. Und dorthin ist der französische Comic-Zeichner Etienne Davodeau vom Süden Frankreichs etwa 800 km weit gewandert. Das „Recht der Erde“ heißt sein Comic, der Anfang des Jahres auch in Deutschland erschienen ist.

Iron Man als Energiefresser

In einfachen wie genialen Bildern erläutern Jean-Marc Jancovici und Christophe Blain, die gravierenden Probleme, die die Menschheit ihrem Planeten zumutet. So verkörpert der Superheld Iron Man aus dem Marvel-Universum, den Jancovici in seinen Videos und Konferenzen immer wieder nutzt, den unstillbaren Durst der Menschheit nach fossiler Energie.

Ein Durst, der Mutter Natur – eine weitere Persönlichkeit im Comic – irgendwann zu Grunde richten wird. „Die Lebensweise der Menschen frisst zu viele Ressourcen, zu viel Energie, als dass wir noch lange so weiterleben können.“ Das ist ein Fazit, das Jancovici und Blain ziehen und das sicherlich viele Menschen mittragen.

Ein Pamphlet für die Atomkraft …

Das zweite Fazit ist zumindest für deutsche Ohren schon kontroverser: Jancovici sieht nur eine mögliche Übergangsenergie, um ein Minimum an unserem Lebensstandard aufrecht zu erhalten: Die Atomkraft. Denn seiner Ansicht nach gibt es keine saubere Energie.

Christophe Blain und Jean-Marc Jancovici: "Welt ohne Ende"
Audio [SR 2, Sabine Wachs, 27.02.2023, Länge: 04:18 Min.]
Christophe Blain und Jean-Marc Jancovici: "Welt ohne Ende"
Mit mehr als einer halben Million verkaufter Exemplare hat der Klima-Comic "Welt ohne Ende" von Zeichner Christophe Blain und dem bekannten französischen Klimaforscher Jean-Marc Jancovici Spitzenautoren wie Joël Dicker und Pierre Lemaître überholt.

„Wir müssen uns die Frage stellen, welche Energie produziert die wenigsten Abfälle? Wenn es um Atommüll geht, produzieren wir nur wenig hoch gefährlichen Abfall und ich will ja jetzt nicht hämisch mit den Deutschen sein, aber Braunkohle ist tausendmal schlimmer.“ Jancovici lacht. Er weiß, dass „Welt ohne Ende – vom Energiewunder zum Klimawandel“ von vielen als ein weiteres seiner Pamphlete für Atomkraft  gesehen wird. Aber das ist nicht alles.

… und eine Art „Klimawandel für Dummies“

Der Erfolg des Comics in Frankreich ist nicht nur Jancovicis Anhängern zuzuschreiben. Sondern auch der Art und Weise, wie es ihm und Zeichner Christophe Blain gelungen ist, das komplexe und eigentlich eher deprimierende Thema Klimawandel mit Witz und Genie in all seinen Facetten zu diskutieren, es auch denjenigen einfach zugänglich zu machen, die sich bisher nur wenig mit dem Klimawandel und seinen Folgen beschäftigt haben.

Über dieses Thema hat auch SR 2 KulturRadio am 27.02.2023 berichtet.


Konzept

Die Comicbegeisterung in Frankreich ist mit dem deutschen Comicmarkt nicht zu vergleichen. Aber sie schwappt auch über die Grenze: Gut die Hälfte aller frankophonen Bücher, die für Deutschland übersetzt werden, sind Comics. Von den Klassikern wie Asterix oder Lucky Luke bis zu heutigen Serien wie Largo Winch oder XIII, von Cartoongrößen wie Sempé oder Pénélope Bagieu bis hin zu den Zeichnern und Zeichnerinnen von Charlie Hebdo oder den Graphic Novels eines Guy Delisle.

Hier bietet SR.de exklusiv für Deutschland eine regelmäßige Auswahl aktueller Titel, aber auch Hinweise auf Klassiker und Gesamtausgaben. Kontakt: gheger@sr.de

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