SR 1 Moderatorinnen und -Moderatoren: Dieter "Thomas" Heck, Alf Wolf, Bernd Duszynski, Martin Arnhold, Brita-Maria Carell, Wilken F. Dincklage, Klaus Groth, Ilona Kleitz, Wolfgang Gretscher. (Foto: Gerhard Heisler)

Radio-Stars auf der Europawelle Saar

Bernd Duszynski, Ilona Kleitz und Jan Hofer – Wilfried Eckel, Volkmar Lodholz und Martin Arnhold

 

In Sachen Radio-Geschichte ist Christian Job gleich ein doppelter Zeitzeuge. Als Schüler war der Pfälzer ab Anfang der 80er Jahre ein begeisterter Dauer-Hörer der Europawelle Saar. Die Disk-Jockeys, wie sie damals genannt wurden, waren zuerst seine viel bewunderten Stars im Radio, Tagesbegleiter durch den Schüleralltag und Vorbilder. Dann lernte er sie persönlich kennen. Und schließlich wurde er ihr Kollege mit einer inzwischen langen und erfolgreichen Karriere beim Saarländischen Rundfunk.

1988 schnupperte Christian Job im „Pampersstudio“ des SR, dem „Stadtradio Saarbrücken“, erste Profiluft auf dem Halberg. In dem in der ARD einmaligen Ausbildungsradio für Praktikanten/innen- und Volontäre ging er seine ersten Schritte vom Radiohörer zum Radiomacher.   
Vor 30 Jahren, am 3. Oktober 1991 saß er (geb. 1967 in Zweibrücken) zum ersten Mal als DJ am Mikrofon der Europawelle Saar. Zusammen mit Dieter Exter führte er durch eine Spezialsendung über Schlagzeuger. Job moderierte schließlich bis 2007 fast jedes Europawellen-Format von früh bis spät. Seither ist er bei der Saarlandwelle im Einsatz. Seine frühesten Radio-Erinnerungen hat Christian Job 2018 im Buch „Lyoner für Cliff Richard“ (Echo-Verlag, Zweibrücken) publiziert und für die SR-Fundstücke den Text jetzt aktualisiert und erweitert.

Von Christian Job

Das „Radiomobil“ des Saarländischen Rundfunks war ein verglaster, fünf auf drei Meter großer Wohnwagen mit einer Bühne davor. In den 1980er Jahren zog der Sender damit über die Marktplätze im Sendegebiet. Das Radio kam also sozusagen persönlich zu den Hörerinnen und Hörern im Saarland und in meinem Fall auch in die Westpfalz nach Zweibrücken. Die „Superbox“ war öfter zu Gast, und eines Tages fuhr ich hin, um mir den Mann, der mittags zu den Hausaufgaben zu mir aus dem Kofferradio sprach, einmal aus der Nähe anzusehen.

Radiomobil (Foto: Franz Josef Altmeyer)
Das „Radiomobil“ des SR – eine rollende Kleinbühne unterwegs in der Französischen Straße in Saarlouis, anlässlich eines Stadtfestes. Neben dem „Radiomobil“ steht der SR Ü-Wagen „SB 185“.

Ich füllte dann vor der Bühne einen Teilnahmezettel aus und wurde prompt für eine der Spielrunden ausgelost. So musste ich rauf auf diese Plattform vor dem „SR-Wohnwagen“. Da war ich ungefähr 13 Jahre alt, hatte die Hosen voll und stammelte bei der Suche nach einer bestimmten Platte meinen Namen, die Glückzahl, mit der ich spielen wollte und brachte gerade noch heraus, dass ich den Jackpot, falls ich den gewinne, auf mein Sparbuch packen würde.

Christian Anders, Jan Hofer und Christian Job ? (Foto: Christian Job)
V. l.: Stargast Christian Anders auf dem Sprung zum „Zug nach Nirgendwo“, Europawellen-DJ Jan Hofer und Autor Christian Job in Zweibrücken (ca. 1983).

Jan Hofer, der damals meine Wortfetzen professionell und nett zu ganzen Sätzen ergänzte, wusste in diesem Moment noch nicht, dass er Jahre später Chefsprecher der Tagesschau werden würde. Aber ich wusste nach meinem kurzen, aber – wie ich fand – viel versprechenden Auftritt, dass ich auch mal beim Radio arbeiten wollte. Am nächsten Tag hatten nämlich fast alle Leute in meiner Klasse meinen klasse Auftritt gehört und das war ein unglaubliches Gefühl. Die Tatsache, eine wenn auch ganz kleine Berühmtheit erlangt zu haben, war dabei gar nicht wichtig. Ich hatte da in ein Dings mit langem Kabel dran gesprochen und überall im Umkreis meiner kleinen Welt im Kreis Pirmasens und sogar darüber hinaus war es zu hören gewesen: im Wohnzimmer, am Schreibtisch oder im Auto. Dieses Radio hatte eine „supergeile“ Technik! Mit der wollte ich später mal unbedingt arbeiten.

Christian Job (Foto: Job/Duszynski)
Von Europawellen-DJ Bernd Duszynski fotografiert: Christian Job mit 16 im Sendestudio der Europawelle Saar, ca. 1983.

So begann meine Zeit als ambitionierter, wissbegieriger und manchmal nervtötender Radio-Fan. Ich sammelte die Erkennungsmelodien der Sendungen, rief im Studio an, wenn ich eine Musikfrage hatte und bewarb mich ständig bei Spielen und für Studiobesuche. Ab und an hatten die SR-Profis Erbarmen.

Heiß ging es her beim Schülerferienfest. Da krempelte sogar Bernd Duszynski die Hose hoch. Neugierig? - Dann bitte das Foto anklicken!
Musik-Fahrplan der Sendung „Das waren Schlager“ mit Bernd Duszynski (1979). Zum Lesen bitte anklicken.

Bernd Duszynski (* 1941; † 1999), ein Riesen-Radio-Herz auf zwei Beinen, ließ mich antraben und „isch hab mit gans vieeel Pauer“ co-moderiert! „Hit mal mit“ und „Glücksrad“ waren seine Sendungen, beides Wunschformate mit Spielelement.

Im Hörerhitwettbewerb „Hit mal mit“ im „Journal am Morgen“ ging es um eine Langspielplatte für den Gewinner, der die meisten Stimmen für seine beiden Lieblingstitel sammeln konnte. Der Verlierer bekam symbolisch mit Bernds sonor-einfühlsamen Worten die „Rote Laterne“ verliehen.

DJ mit Glücksrad (Foto: Reiner F. Oettinger)
Das „Glücksrad“ – eine beliebte Wunschsendung auf der Europawelle Saar. Hier mit Bernd Duszynski am Glücksrad.
Bernd Duszynski und Sabine Neu (Foto: F. J.  Mees)
Bernd Duszynski und Sabine Neu.
Bernd Duszynski (Foto: Sabine Neu)
Bernd Duszynski (r.) in seiner Zeit als junger Schauspieler.

Am Samstagabend wurden im „Glücksrad“ die Hörerwünsche per ratterndem Kirmesrad ausgespielt. Dieses blieb auf einer Zahl von 1 bis 9 stehen und jeder entsprechend gezählte Anrufer einer Runde hörte kurz darauf sein Lieblingslied nebst Grüßen im Radio.

Bernd Duszynski war wie viele Radiosprecher damals gelernter Schauspieler. Nach der Schauspielschule spielte er an mehreren südwestdeutschen Bühnen.
Ab Anfang der 70er Jahre arbeitete Bernd Duszynski beim SR immer wieder mal als Sprecher im Hörfunk und wechselte dann vom Hörspiel nach und nach als Diskjockey in die Unterhaltung. Später moderierte er zwischendurch auch beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart. Auf dem Saarbrücker Halberg wurde er für viele Jahre einer der DJ-Stars der Europawelle, ehe er dann hauptsächlich für SR 3 Saarlandwelle moderierte. Er starb mit nur 58 Jahren am 13. Oktober 1999.

Sabine Neu, damals Assistentin in der Musikredaktion erinnert sich an die Hobbies von Bernd. Als Liebhaber von Oldtimern fuhr er gern seinen BMW 3000 csi, sein altes weißes Mercedes-Coupé mit roten Ledersitzen und eine Citroën Diane, die man kurzschließen musste, weil kein Schlüssel mehr vorhanden war … Er sei auch in großer Liebhaber von Islandpferden und von Hunden gewesen und habe nebenbei eine Zeitlang auch das Lokal „Winterbergalm“ betrieben.

Bernd war es, der meinen Berufswunsch Radio schon ganz früh ernst nahm, mich mit „deine Stimme ist gut“ ermutigte, es zu versuchen.

SR 1 Europawelle Saar lieferte in den 80er Jahren den Soundtrack meiner frühen Teeniezeit. Ich war ein treuer Hörer und von morgens bis abends dabei. So hat mir die „Schülerplatte“ die Zeit vom Zähneputzen übers Frühstück bis zum Weg an den Bahnhof immer genauso versüßt wie das Marmeladenbrot. Der Mann, der den Wunschsong der Schulpflichtigen allmorgendlich präsentierte, hatte eine wunderbar sonore Röhre und wirkte auf mich mega cool, obwohl man damals noch nicht in Mega- und Giga-Kategorien einteilte. Martin Arnhold war ein formidabler Wachmacher, und das mit ganz sparsamen Mitteln. Heute muss ich lachen, wenn ich zurück denke, dass der Wecker-Moderator ab 1984 den Wunschhit jeden Morgen mit dem Olympia-Maskottchen Vucko einläutete. Das kleine Wölfchen hatte mit seinem gebrüllten „Sarajeeeevooooo“ zum Skilaufen aufgerufen, das Jingle hatte der Sportredaktion als Eröffnungs-Signal gedient, war nun übrig, und Martin Arnhold verwendete es für seine Schülerplatte, noch jahrelang. Oder er ließ Fred Feuerstein nach seiner „WIIILMMMMMAAAA“ rufen. Das hatte mit einem aktuellen Hit so viel zu tun wie Steinzeit mit Raumfahrt oder Basketball mit Wintersport, aber es funktionierte. Die Uhrzeit und ein tiefes Lachen des Moderators dazu und jeder wusste Bescheid. Es war Kult, auch ohne solche ein designtes Jingle-Paket, mit denen das Radio wenige Jahre später überflutet wurde. „,Sarajeeeevooooo‘ – ah Schülerplatte, mach laut!“

Martin Arnold (Foto: Gerhard Heisler)
SR-Moderator und Schauspieler Martin Arnhold im Sendestudio mit seinem Hund „Strolch.

Natürlich gab es auch Radiospiele, bei denen ich kurz vor 7 Uhr und knapp vor dem Start zur Schule noch unbedingt dabei sein wollte. Einmal war der „Goldene Waschlappen“ zu gewinnen mit einer ebenso einfachen wie spaßigen Regel: der Kandidat sollte dem Moderator ein Lied vorgurgeln, mit Wasser aus dem eigenen Zahnputzbecher. Konnte Martin Arnhold den Titel erkennen, gab‘s den Waschlappen. Eines Morgens war auch ich Sieger mit „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ (Echt! Is wahr!) und freute mich nach einiger Wartezeit über ein quadratisch braunes Frottee, in das mit goldenem Faden das Achteck-Logo der Europawelle eingestickt war.

Martin Arnhold (Foto: E. Röder)
Martin Arnhold bei der Moderation einer Sendung im Studio.

Martin Arnhold (* 3. 2. 1936) hatte eine Schauspielerausbildung auf der Folkwang Schule in Essen absolviert, dann an den Theatern in Heilbronn, Hagen, Detmold, Essen und schließlich Saarbrücken gearbeitet. Als Schauspieler wurde er 1963 für ein SR-Fernsehspiel als Dieb im Kaufhaus besetzt: „Romanze in Müll“ – der Streifen landete nach der Ausstrahlung im Archiv, der Endzwanziger blieb auf dem Halberg. Bei der Europawelle Saar, wo er nach 1964 zur Garde der ersten DJs gehörte, begann seine Radiokarriere. Schnell wurde er auch ein erfolgreicher Werbe-, Synchron- und später Hörbuchsprecher.
Auf der Europawelle war er er bald ein beliebter Radio-Wecker. Ab 5.00 Uhr sprang er ansteckend munter spielend zwischen zehn Dialekten hin und her, mal als bayerischer Kraxelhuber, schwäbisches Nachtgespenst oder als Gastarbeiter mit italienischem Spaghetti-Deutsch. Völlig uneitel hatte er in den 70ern einmal sein Haupthaar verwettet, falls für die Sammel-Aktion „Europawelle Saar hilft helfen“ zugunsten der S.O.S. Kinderdörfer mehr als 50.000 Spenden-Mark zusammen kommen sollten. Es waren am Ende 100.000 – Arnhold ließ pflichtbewusst zum Rasierer greifen.

Mit Co-Moderator Volkmar Lodholz lieferte sich Martin Arnhold am frühen Morgen herrliche Kabbeleien. Knapp, nur vier, fünf Sätze lang. Zwischen den Hits: ein Gag, ein Lacher, und die nächste Platte zum wach werden drehte sich.

Dieter Thomas Heck, Willem F. Dincklage (Foto: Gerhard Heisler)
Der „dicke Willem“ war lange der Musik-Moderator der Jugendsendung „Drugstore 1421“. Hier zu sehen bei der „Goldenen Europa“ 1978 zusammen mit Dieter „Thomas“ Heck.

Lodholz (* 26. 9. 1952) war 1980 im Geleitzug des „dicken Willem“ (* 1942; † 1994) nach Saarbrücken gekommen. Der Musiker mit Hitparadenerfolgen wie „Tarzan ist wieder da!“ oder „Wat?“ hieß bürgerlich Wilken F. Dincklage und moderierte auch beim Radio und das herrlich herrenwitzig. Manche Moderationen von Wilken vergesse ich nie: „Das waren ‚Dr. Hook‘ mit ‚Baby makes her blue jeans talk‘. Die Geschichte von den Mädchen, das für einen Bademantel alles tun wollte. Und als sie es getan hatte, kriegte sie den Bademantel nicht mehr zu!“ – Brüller, Schulhofthema.

Dincklage und Lodholz kannten sich aus der Hamburger Szene. Unter seinem richtigen Namen war Willem Moderator in der Jugendsendung „Drugstore 1421“ (nach der damaligen Mittelwellenfrequenz der Europawelle benannt). Da sein zehn Jahre jüngerer Kumpel Volkmar in Hamburg eine rollende Disco betrieb, kam Ende der 70er die Idee, dass die Saarbrücker Funktruppe für drei Außensendungen in Spanien den Anhänger aus Hamburg zum Transport der Anlage mieten wollten, nebst Lodholz als Fahrer und Einheizer-DJ bzw. Vorprogramm an diversen Urlaubsorten wie Alicante, Ibiza oder Mallorca. Der Rest ist Radiogeschichte.

Lodholz trat am 11. Mai 1980 für drei Probesendungen in der Früh um 5.00 Uhr seinen Dienst in Saarbrücken an. Der 13. war ein Freitag – und prompt funktionierte in der dritten Sendung das Umschalten von der ARD-Nachtversorgung zum Eigenprogramm nicht. Wer daran schuld war, verrät Lodholz bis heute nicht. Er jedenfalls nicht, ihn aber trafen die Folgen. Er moderierte beim Programmstart mindestens 10 Minuten ins Leere und befürchtete schon ein Ende seiner jungen Radiokarriere. Es sollte anders kommen.

Staubtrocken konnte Volkmar mit knappen, wie nebenbei hingezischten Sätzen eine Musik zackig ansagen. Das spontane Erfassen einer Situation war ihm vielleicht als damals immer noch praktizierendem Fahrlehrer vertraut. Bis heute beherrscht er die leider in Vergessenheit geratene Einsatz-Moderation inkl. Pointe.

Volkmar Lodholz (Foto: E. Röder)
Volkmar Lodholz im SR 1-Sendestudio: immer scheinbar ernst bei seinen trockenen Gags.

Lodholz und Arnhold zusammen waren bisweilen wie Waldorf und Statler bei den Muppets, kultig und cool. Natürlich wollte ich wissen, wie die Männer im Radio aussahen. Von der SR-Pressestelle kamen schnell die Autogrammkarten zu mir nach Hause. Als echter Fan, der ich war, ließ ich mich natürlich auch irgendwann zum Studiobesuch einladen. Das ging immer in den Ferien, wenn die Schüler ihre Platte selbst ansagen durften.

Auch wenn ich mittlerweile schon zehntausende Musiken präsentiert habe, diese erste Ansage vergesse ich nie. „Foreigner – Waiting for a girl like you!“ – zu mehr Infos an die Hörer war ich nicht fähig, weil zu aufgeregt. Aber entgegen dem Gestammel ein Jahr zuvor bei Jan Hofer, war es eben schon mal nahezu ein ganzer Satz. Den Rest erledigten professionell Arnhold und Lodholz und zogen mir schnell noch den Namen meiner Schule und die Bezeichnung der Klasse aus der Nase: die 9a des Hofenfels-Gymnasiums in Zweibrücken.

So wie man heute Selfies mit seinen Stars sammelt, habe ich nahezu jeden 80er-Radio-DJ heimgesucht wie z. B. auch Wilfried Eckel, „Mr. Europarade“. Der gebürtige Hesse (5. 11. 1951) hatte den Geschmack der Musikfans hautnah direkt in der Diskothek als Discjockey erspürt und war sowieso mit der richtigen „Hitnase“ ausgestattet. Erste Profierfahrung im Radio sammelte Eckel beim Hessischen Rundfunk, wo er Ende der 70er zusammen mit Thomas Koschwitz und Wolfgang Hellmann ein (heute heißt es) Casting gewann und am Abend die „hr3 Top Time“ präsentieren durfte. Wolfgang Hellmann war zum SR vorausgegangen und lud Wilfried 1980 nach Saarbrücken zum Reinschnuppern ein. Auch diese Probe hielt ein Berufsleben lang.

Wilfried Eckel (Foto: Franz Josef Mees)
Wilfried Eckel präsentierte auf der Europawelle Saar lange in seiner „Europarade“ die erfolgreichsten Titel bei den europäischen Nachbarn.  

Eckel war bald einer der gefragten Programmgestalter und Präsentatoren. So wie jeder Moderator einen häufig wiederkehrenden Satz als Markenzeichen prägte, gab Wilfried bei der Zeitansage zur exakten Minutenzahl oft „noch ne Halbe zu für meine Freunde“ dazu. Er präsentierte ab Mitte der 80er die Chartsendung, die der Europawelle zur Ehre gereichte.

Eckels Hitaufstellung „Europarade“ war eine Zusammenrechnung der Bestenlisten aus allen Nachbarländern. Zuerst wurde sie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Niederlande „TROS“ zusammengestellt und in Saarbrücken übernommen. Als die Holländer ihre Sendung einstellten, schrieb Wilfried selbst, wie ich mit meinem DIN-A4 Block am Kassettenrekorder daheim, Hitlisten der Charts vom Kontinent und den britischen Inseln ab, wertete Faxe aus und erstellte alleine die „Europarade“ für SR 1.

Cliff Richard, Wilfried Eckel (Foto: Gerhard Heisler)
Cliff Richard (l.) und Wilfried Eckel und Cliff Richard im Europawellen-Studio.

Der „Pop-Professor“ (ein von ihm präsentiertes Radio-Musikquiz) moderierte freitags im „SR 1-Kraftpaket“ auch regelmäßig die Rubrik „Gruppen zu Gast“, bei der ein eingeladener Freundeskreis das komplette Musikprogramm zusammenstellen durfte. Natürlich war auch die Clique meines Oberstufenjahrgangs irgendwann dran. Zehn jungdynamische Möchtegern-DJs und DJanes enterten das SR 1-Studio, um einmal mit einem anderen Hit-Mix zu punkten. Statt Hitparade war es eine Stunde voll fetziger Rockmusik angesagter Musiker wie Russ Ballard, Queen, Rainbow oder Pink Floyd. Eckel nickte zufrieden. Das sei eine ganz andere Musikfarbe als sonst, aber gerade deshalb mal eine besondere Sendung. Wir begriffen dies als Ritterschlag des Profis und waren stolz.

Lustige Randnotiz: damals lernte ich Eberhard Schilling (*1958) als Assistent der Sendung kennen, der der großen Gruppe den Musikablaufplan zum Mitlesen mehrmals kopierte – dann aber das vermeintliche Andenken an einen tollen Abend am Ende der Sendung ebenso streng wie unnachgiebig aus datenschutztechnischen Gründen wieder einsammelte.

Ilona Kleitz (Foto: Gerhard Heisler)
Ilona Christen-Kleitz: von der Filmcutterin zur Radiomoderatorin und zum Fernsehstar.

Gab es auch Frauen im Radio damals? Aber ja. Ilona Kleitz (* 26. 5. 1951 in Saarbrücken; † 31. 7. 2009 in Ennetbürgen/Schweiz als Ilona Christen-Kleitz) , die hübscheste und erste Brillenträgerin im SR-Fernsehen. Ilona kam auf Umwegen ins Radio, hatte Filmcutterin gelernt, sagte dann das Vorabendprogramm des SR Fernsehens an und wurde später von Europawellen-Unterhaltungschef Hermann Stümpert (* 24. 5. 1949 in Pirmasens; † 1. 10. 2005 in Stein/0stsee) und Manfred Sexauer (*2. 8. 1930 in Baden-Baden; † 20. 7. 2014 in Saarbrücken) fürs Radio entdeckt.

Auch Ilona habe ich mehrfach in der Mittags-Radioshow „Halbzeit“ als Telefon-Kandidat heimgesucht. Ilona, die nach der Heirat mit einem Schweizer Bauunternehmer später Christen hieß, zum ZDF ging, mit dem Fernsehgarten TV-Geschichte für Open-Air-Sendungen schrieb, wurde später Talker-Queen bei RTL und deutschlandweiter Werbestar für Waschmittel. Ihr verdanke ich meinen ersten echten SR-Radio-Job, schon mit 16. Und das kam so:

Ilona war bisweilen die Moderatorin der Sendung „Bundfunk“, die live aus Kasernen der Bundeswehr übertragen wurde. Die rassige SR 1-Frau war natürlich ein Traum für hormonell unterversorgte Wehrpflichtige und für mich mit aktivem Vater im Reservistenverband eine weitere Möglichkeit, Radioluft in einem Ü-Wagen zu schnuppern. Da Papa ein begeisterter Mariner war – und bis heute geblieben ist –, hatte er damals beste Kontakte zum blau uniformierten Truppenteil an der Küste. An einem olivgrünen Abend in der Bundeswehrkaserne in Zweibrücken wurde der Plan für eine Spezialsendung mit einem Kriegsschiff gefasst und später aufwendig umgesetzt. Eine sog. Dreierkonferenz verband drei Orte des Geschehens per Rundfunkleitung: Der Hafen von Ponta Delgada auf den Azoren war der erste. Dort lag der Zerstörer „Schleswig-Holstein“, der sich auf einer mehrmonatigen Manöverfahrt befand. Die deutsche Küstenfunkstation „Radio Norddeich“ stellte die Verbindung zur Schiffbesatzung her. Einige Frauen der Seefahrer wurden im Studio B (manche Begriffe vergisst man nie) bei Radio Bremen zugeschaltet. Ilona saß mit Papa (und mir) in Saarbrücken. So wurde eine munter-interessante Runde über Einsamkeit, die raue See, Familienleben als Bootsmann auf den Weltmeeren, Manöver im Kalten Krieg aufgezeichnet. Irgendwann schoss sich ein russischer Funker in die Frequenz der Funkverbindung zum Schiff und störte den heute noch zeitgeschichtlich spannenden Verlauf des Gesprächs.

Fehlte noch die passende Musik zur Sendung. „Die stellt dein Junge zusammen!“, boxte Ilona Papa in die Seite und schielte zu mir rüber. Ich gab Gas, beziehungsweise Wind auf die Segel: „Sailing“ von Christopher Cross und von Rod Stewart, „Tretboot in Seenot“ von Frl. Menke, „Ship to Shore“ von Chris de Burgh, die Wogen und Wellen schlugen musikalisch hoch. Diesen Sendelaufplan durfte ich behalten. Ich war meinem Traumjob Radio ein Stückchen näher gekommen. Aber es dauerte noch sieben Jahre bis ich zum ersten Mal als Profi am Europawellen-Mikrofon sitzen durfte. 

Christian Job (Foto: P. D'Angiolillo)
Christian Job.

Vom Autor des Beitrags Christian Job ist auch das Buch „Ohne Dresscode – Große Stars beim kleinen Sender“ erschienen. Job schreibt zudem den Pop-Musik-Blog www.christian-job.de

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Eva Röder (Gestaltung/Layout), Burkhard Döring und Magdalena Hell (Fotos)

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