Missbrauchsskandal: DNA-Probe blieb jahrelang unbearbeitet liegen
Die Unabhängige Aufarbeitungskommission zum Missbrauchsskandal an der Homburger Uniklinik hat in ihrem kürzlich vorgestellten Abschlussbericht auch die Fälle an der HNO untersucht und Versäumnisse festgestellt, insbesondere im Fall der damals sechs Jahre alten Lena, die 2012 in Homburg an den Mandeln operiert worden war. Eine DNA-Probe blieb offenbar jahrelang unbearbeitet.
„Ja, das ist vertuscht worden.“ Zu diesem Ergebnis kommt Lenas Mutter noch heute, mehr als zehn Jahre nach der Mandel-OP ihrer Tochter am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg, während der die frische Wunde im Intimbereich von Lena festgestellt worden war.
Untersuchung erst nach sieben Jahren
Die Verantwortlichen hatten damals, im Juli 2012, zunächst richtig reagiert und die gerade gegründete Kinderschutztruppe informiert. Eine Medizinerin nahm vier Abstriche von Lena und schickte sie in die Rechtsmedizin.
Dort aber blieben die Proben jahrelang liegen. Erst 2019 wurde die Staatsanwaltschaft aktiv. Zur Gegenprobe wurde bei Lena durch eine Polizeibeamtin eine Speichelprobe entnommen. Die Polizistin gab sich in Absprache mit den Eltern als Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes aus, die eine vermeintliche Erbkrankheit erforscht, die die Familie in ihren Genen hat.
In den Abstrichen aus der OP befand sich jedoch nur genetisches Material von Lena, keine Fremd-DNA – sicherlich kein eindeutiger Beleg, dass sexueller Missbrauch auszuschließen ist, aber doch ein starker Hinweis. Zudem hätte der Verdacht, der zunächst gegen die Eltern bestand, noch früher und klarer entkräftet werden können.
UKS muss sich Spekulationen gefallen lassen
„Es hat ziemlich schnell festgestanden, dass wir mit der Wunde nichts zu tun haben“, sagt die Mutter heute. „Aber es wäre halt besser gewesen, wenn wir die Antwort schneller gekriegt hätten.“
Das sieht auch die Unabhängige Aufarbeitungskommission so. Sie stellt in ihrem Abschlussbericht die Frage: „Ist die Nichtbefundung der DNA-Abstriche im Jahr 2012 ein zufälliger Fehler, eine Achtlosigkeit – oder fällt diese Tatsache unter die Rubrik ‚Sorge vor einem Imageschaden des UKS‘? Das UKS muss diese Spekulationen gegen sich gelten lassen.“
Heutige Klinikleitung räumt Fehler ein
Die Kommission jedenfalls spricht von einem „groben Fehler“, den die heutige Klinikleitung auch einräumt. Auf SR-Anfrage heißt es aus Homburg: „Viele Entscheidungen würde man heute anders treffen. Heute würde ein solcher Fall dem Krisenstab der Uniklinik gemeldet und zur Anzeige gebracht. Probenmaterial würde heute entsprechend den juristischen Vorgaben asserviert und untersucht.“
Unklar bleibt bis heute aber, wie bei Lena die Verletzung im Intimbereich entstanden ist. Im Raum steht noch immer die „Zäpfchentheorie“ – dass die frische Wunde also Folge eines groben, unsachgemäßen Einführens gewesen sein könnte. Experten halten dies allerdings für eher unwahrscheinlich.
Entschädigung für die Familie
Lena und ihre Eltern sollen jetzt für das Erlittene entschädigt werden. Bis zu 50.000 Euro könnten sie bekommen. „Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde: ‚Wissen Sie, och, ich kann das Geld nicht gebrauchen‘“, sagt die Mutter. „So viel Geld kann glaube ich jeder gebrauchen. Mir persönlich wäre es aber lieber gewesen, wenn es personelle Konsequenzen gegeben hätte.“
Lena wisse inzwischen, was passiert ist, sagt ihre Mutter. „Sie sagt aber auch, dass sie in Narkose war, sie hat nichts mitgekriegt. Wenn wir irgendwie darüber sprechen, dann wäre das so, wie wenn ich von irgendeinem fremden Kind erzähle.“ Trotzdem überlegt die Mutter, mit ihrer Tochter gemeinsam eine Therapie zu machen.
Über dieses Thema berichtet auch die SR 3 Region am Mittag vom 06.06.2023.