Dillinger (Foto: SR)

Fall Dillinger: Ministerium erhebt Vorwürfe gegen Bistum Trier

Barbara Spitzer   22.12.2023 | 19:55 Uhr

Der Skandal um den verstorbenen Priester Edmund Dillinger aus Friedrichsthal zieht weitere Kreise. Wegen seines Einsatzes als Religionslehrer an einem Gymnasium in Saarlouis hat das Ministerium nun erstmals Vorwürfe gegen das Bistum Trier erhoben. Dillinger unterrichtete von 1979 bis 1999 – trotz Hinweisen auf sexuelle Übergriffe.

Jüngster Stein des Anstoßes im Skandal um Edmund Dillinger: Zitate aus Abiturzeitungen des Max-Planck-Gymnasiums (MPG) der 1990er Jahre mit eindeutigen Hinweisen auf sexuelle Übergriffe durch den damaligen Religionslehrer und Priester Dillinger. Diese wurden vergangene Woche öffentlich.

Hinweise, die dem Bildungsministerium nicht bekannt gewesen seien, heißt es auf SR-Anfrage. Deshalb sei man nicht eingeschritten.

Video [aktueller bericht, 22.12.2023, Länge: 2:49 Min.]
Bildungsministerium erhebt Vorwürfe gegen das Bistum Trier in der Causa Dillinger

Dillinger war weiter an Schulen eingesetzt

Zugleich erhebt das Ministerium Vorwürfe gegen das Bistum Trier, in dessen Auftrag Dillinger am MPG bis 1999 tätig war.

"Es wäre zum damaligen Zeitpunkt notwendig gewesen, einen Menschen wie Dillinger, über dessen Straftaten offensichtlich kirchliche Verantwortliche Bescheid wussten, entsprechend anzuzeigen, anstatt ihn in einem Umfeld weiterhin einzusetzen, in dem er Zugang zu Kindern und Jugendlichen hatte", schreibt das Ministerium für Bildung und Kultur.

Missbit sieht Bistum und Schule in der Pflicht

Für Hermann Schell von der Trierer Betroffeneninitiative Missbit ein berechtigter Vorwurf. Es sei eindeutig, dass die Geschichte von Dillinger bekannt war und dass man den Schulen, an denen er eingesetzt war, einen Täter untergeschoben habe. Das Bistum hatte die Vorwürfe offenbar vertuscht.

"Nach unserer Kenntnis war er ja schon in seiner Kaplanszeit – das war, glaube ich, um 1964 herum – auffällig", sagt Schell. Dennoch sei auch das Gymnasium in der Pflicht gewesen, den Hinweisen auf Missbrauch nachzugehen, sagt Schell.

Reform des Schulordnungsgesetzes sei nötig

Was Dillinger wohl ebenfalls als Täter begünstigt hat: schwammige Regelungen der Dienstaufsicht für Priester im Lehramt. Nach SR-Recherchen sind Ministerium und Bistum nicht einig, wer für die derzeit 36 Priester an Schulen zuständig ist. Missbit fordert Nachbesserungen.

"Fakt ist aber, dass die Fach- und Dienstaufsicht wohl doch nicht eindeutig geregelt ist", sagt Schell. "Von daher bedarf es an dem Punkt einer Reform des Schuldordnungsgesetzes." Das Wichtigste sei, sicherzustellen, dass es keine Grauzone gibt für Täter.

Reform blieb bisher aus

Eine für Schülerinnen und Schüler gefährliche Grauzone, die seit Jahrzehnten besteht. Doch Bistum und Ministerium haben daran immer noch nichts geändert. Und das eindreiviertel Jahr nach Auffliegen des Skandals um Dillinger.

Jahrzehntelang kam Dillinger auch über Hilfsprojekte in Afrika mit Studenten, Jugendlichen und Kindern in Kontakt.

Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht am 22.12.2023 im SR Fernsehen berichtet.


Das Jahr, die Meinung: Der Fall Dillinger
Warum empört ausgerechnet dieser Fall so?
Was gab das ein Medienecho im April, als der Neffe eines Priesters aus Friedrichsthal eine Kiste mit jugendpornografischem Material entdeckt hat. Und schnell klar wurde: Der Mann ist der Kirche bereits wegen sexuellem Missbrauchs aktenkundig. Edmund Dillinger, der Name war im vergangenen Jahr zumindest im Saarland das Schlagwort, wenn es um den mangelhaften Umgang der Kirche mit Missbrauchspriestern ging. Viele konkrete Missbrauchstaten konnten bislang nicht nachgewiesen werden, dennoch hat der Fall Dillinger hohe Wellen geschlagen.

Missbrauchsvorwürfe gegen verstorbenen Priester
Zweiter Zwischenbericht zum Fall Dillinger vorgestellt
Der mittlerweile verstorbene Priester Edmund Dillinger steht unter Missbrauchsverdacht, nachdem in seiner Wohnung unter anderem jugendpornografische Fotos gefunden wurden. Am Mittwoch wurde der zweite Zwischenbericht der Unabhängigen Aufarbeitungskommission zum Fall vorgestellt.

Missbrauchsskandal um Pfarrer
Bistum Trier nicht über Akten-Vernichtung im Fall Dillinger informiert
Das Bistum Trier wurde nach eigener Aussage nicht von der Staatsanwaltschaft über die Vernichtung der Akten im Missbrauchsskandal um den pädophilen Ex-Priester Dillinger informiert. Das Bistum hatte selbst Antrag auf Akteneinsicht gestellt.

Fehler nicht mehr als zufällig erklärbar
Neffe von Dillinger wirft Ermittlungsbehörden Fehler vor
Im Fall Dillinger erhebt der Neffe des mutmaßlich pädophilen Priesters schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden. Er habe der Aktenvernichtung definitiv nicht zugestimmt. Insgesamt habe es bei dieser „Routineangelegenheit“ derart viele Fehler gegeben, dass diese nicht mehr als zufällig zu erklären seien.

Voreilige Vernichtung
Fall Dillinger: Beweismittel offenbar vor Verfahrenseinstellung vernichtet
Zur umstrittenen Asservatenvernichtung im Missbrauchsfall Dillinger sind nach SR-Informationen weitere Ungereimtheiten aufgetaucht. So wurden die Asservate offenbar noch vor Einstellung des Verfahrens vernichtet. Allerdings soll das Material zuvor ausgewertet worden sein.

Neues Dokument aufgetaucht
Bistum vertuschte offenbar Missbrauchsvorwürfe gegen Dillinger
Der Fall des ehemaligen Priesters Edmund Dillinger sorgt einmal mehr für Sprachlosigkeit: Auch bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an ihn hat das Bistum Trier offenbar Missbrauchsvorwürfe vertuscht.

Skandal um verstorbenen Friedrichsthaler Priester
Dillinger-Aufarbeitungskommission sieht sich noch am Anfang
Im Skandal um den verstorbenen Priester Dillinger hat die Aufarbeitungskommission im Bistum Trier am Mittwoch den ersten Zwischenbericht vorgestellt. Neue Vorwürfe wurden nicht bekannt - es gab allerdings deutliche Kritik der Kommission am Bistum mit Blick auf die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Dillinger.

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