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CDU – “Veränderungsagenda” mit viel Kontinuität

Landtagswahl 2022

Carolin Dylla   10.03.2022 | 11:01 Uhr

Seit 1999 ist die CDU Seniorpartner in der saarländischen Landesregierung. Eine Rolle, die nach zwölf Jahren ein gewisses Maß an Gewöhnung mit sich gebracht haben dürfte. Für die Landtagswahl hat die Saar-CDU aber wegen sinkender Umfragewerte eine knapp 100 Seiten starke “Veränderungsagenda” vorgelegt.

In diesem Landtagswahlkampf sind die Voraussetzungen für die Christdemokraten schwieriger als sonst: Neun Prozentpunkte Abstand zur SPD hat sie im jüngsten Saarlandtrend. Und eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die in erster Linie mit dem CDU-Teil der Regierung nach Hause geht - und weniger mit der SPD, die in den vergangenen zehn Jahren immerhin mitregiert hat.

In der Veränderungsagenda zum Landtagswahlkampf 2022 finden sich einige neue Ansätze - aber vor allem Bewährtes. So werden neben Ideen und Projekten für die kommenden fünf Jahre viele bereits erreichte Punkte noch einmal aufgeführt.

Wirtschaft: Fokus auf Start-Up-Förderung und Digitales

Dass der Teil zur Wirtschaftspolitik ganz am Anfang des CDU-Programms steht, kann wohl als Ausdruck der Prioritätensetzung verstanden werden. Die CDU bekennt sich einerseits zum Saarland als Industriestandort - setzt aber auch einen deutlichen Fokus auf Mittelstands- sowie Start-Up-Förderung (unter anderem durch mehr öffentliche Aufträge) und Digitalwirtschaft. Ein eigenes Digitalministerium soll die Digitalisierungsbemühungen auf allen Eben bündeln und koordinieren.

Dabei versuchen die Christdemokraten, Industrie und Forschung stärker zusammen zu denken: Ein Beispiel hierfür ist der Vorschlag eines Mobilitäts-Kompetenzzentrums für die Zukunft der Autoindustrie mit dem Ziel, Forschung und Wirtschaft besser zu vernetzen.

Außerdem sichert die CDU zu, “industriefeindliche Regulierung zulasten unserer Wettbewerbsfähigkeit” verhindern zu wollen - ohne aber allzu konkret zu werden, welche Regulierungen hier gemeint sind und wie sie dagegen vorgehen will. Beim Ziel, die Stahlindustrie klimafreundlich umzubauen, setzt die CDU vor allem auf Wasserstofftechnologien. 

Haushaltspolitisch setzt die CDU auf ein Einhalten der Schuldenbremse und Konsolidierung - die sie als Voraussetzung sieht, um investieren zu können. Gleichzeitig ist klar, dass viele der Forderungen im Programm enorme finanzielle Anstrengungen bedeuten würden. Wie dieser Grundkonflikt aufgelöst werden soll – also wo zum Beispiel an anderer Stelle gespart werden muss - könnte bei den Haushaltsberatungen Ende des Jahres für intensive Diskussionen sorgen.

Bauen als Aspekt von Familienförderung 

Familienförderung spielt im Programm der CDU eine zentrale Rolle - was nicht zuletzt “Förderung von Wohneigentum für Familien” bedeutet. Dazu gehört unter anderem, Bauland bereitzustellen. In puncto Bauen liegt die Priorität zwar auf Innenverdichtung (das heißt: Bevor neue Baugebiete genehmigt werden, sollen zuerst Baulücken in den Orten genutzt werden), aber die CDU positioniert sich klar dazu, auch neue Flächen auszuweisen. Kritiker fürchten allerdings, dass die Ausweisung vieler neuer Baugebiete zu einer weiteren Zersiedelung und Flächenversiegelung führt.

Um mehr bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen, will die CDU vor allem bestehende Förderprogramme ausweiten und ein hauptamtliches Leerstands-Management in den Kommunen anführen, um Leerstände besser zu nutzen. Der soziale Wohnungsbau soll “bedarfsgerecht optimiert” werden, bezahlbarer Wohnraum darüber hinaus nicht nur für Sozialhilfeempfänger, sondern auch den Mittelstand (zum Beispiel Polizistinnen und Polizisten) zur Verfügung stehen. 

Parallel zum Digitalisierungsministerium plant die CDU auch ein eigenes Ministerium für Bauen, Infrastruktur und Wohnen. Auch der umfassende Landesentwicklungsplan ist Teil des Wahlprogramms. Der wurde allerdings bereits vor Jahren angekündigt und bisher nicht vorgelegt.

Bildung: CDU setzt auf Chancengleichheit

Eine zentrale Forderung des CDU-Programms in Sachen Bildung ist die Abschaffung der Kita-Gebühren - ein Projekt, das die SPD schon länger umsetzen wollte. Aus Sicht von Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Tobias Hans ist dieser Schritt auch wichtig, um zu verhindern, dass immer mehr Familien aus dem Saarland nach Rheinland-Pfalz ziehen - wo die Kita-Betreuung schon kostenfrei ist.

Ein weiterer Punkt ist die angekündigte Rückkehr zu G9 - eine recht überraschende Abkehr von einer Haltung, die die CDU über zwei Jahrzehnte hinweg vertreten hatte. Daneben fordert die CDU, die verbindliche Grundschulempfehlung wieder einzuführen und das Profil der jeweiligen Schulformen in der Sekundarstufe zu stärken. Außerdem kündigt die CDU mehr Studienplätze für Grundschullehramt sowie die Einrichtung eines Studiengangs “Lehramt an Förderschulen” an. 

Eine Stabsstelle “Bildungsinnovation” soll unter anderem neue Ideen entwickeln, um das Saarland zu einem attraktiven Bildungsstandort zu machen. Zur Modernisierung des Bildungswesens zählt auch der Aufbau eines „Kompetenzzentrums Digitale Bildung“.

Klimaschutz: Mehr Erneuerbare Ja, Windräder im Wald Nein

Die CDU positioniert sich klar zu einem “massiven Ausbau" der Erneuerbaren Energien. In diesem Zusammenhang sollen vor allem Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

Grundsätzlich fordert die CDU eine “ideologiefreie” Energiepolitik - und betont, dass sie die Ausbaukapazitäten vor allem bei der Windenergie als begrenzt betrachtet. Stattdessen setzen die Christdemokraten verstärkt auf die Förderung alternativer Technologien wie zum Beispiel Geothermie. Außerdem kündigt die CDU in ihrem Programm ein Saarländisches Klimaschutzgesetz an. 

Gleichzeitig pocht die CDU mit Blick auf die möglichen Kosten der Energiewende auf Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger - zum Beispiel über eine Senkung der Stromsteuer oder mit einem landeseigenen Förderprogramm für klimafreundlichere Heizungen.

Ergänzt werden soll das unter anderem durch ein Förderprogramm für Photovoltaik-Anlagen auf Wohnhäusern. Anders als die SPD spricht sich die CDU klar gegen neue Windräder im Wald aus. 

Abgrenzen oder Anbieten: Welcher Abstand zur SPD?

Mehr als einmal hat Ministerpräsident Tobias Hans in den vergangenen Wochen deutlich gemacht, dass er nach der Landtagswahl gern mit der SPD weiterregieren möchte - als Seniorpartner, versteht sich. Hans und seine jetzige Stellvertreterin Anke Rehlinger kommen gut miteinander klar, heißt es. Über weite Teile der letzten fünf Jahre lief die Regierungsmaschine mehr oder weniger geräuschlos.

Allerdings dürfte in diesem “möchten” auch ein guter Teil “müssen” stecken. Laut dem Saarlandtrend von Mitte Februar hat die CDU keine eigene Machtoption - ist also auf die SPD angewiesen, wenn sie Regierungspartei bleiben will. Die frühe, auch öffentliche Festlegung auf eine Neuauflage der GroKo ist wohl auch der Versuch, Rehlinger unter Zugzwang zu setzen. Die allerdings hat bisher nur ein Bündnis mit der Linkspartei ausgeschlossen, andere Optionen hält sie sich offen.

Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass die CDU mit einigen zentralen Punkten des Programms einen großen Schritt auf die SPD zugeht - zum Beispiel bei den Kita-Gebühren oder G9. Grundlegend verschiedene Ansätze sind zwischen CDU und SPD nicht zu finden - die Unterschiede in der jeweiligen Programmatik sind eher marginal: In der Wirtschaftspolitik setzt die CDU stärker auf Digitales und Gründungen, bei der Frage nach Windkraft-Ausbau im Wald gibt es von den Christdemokraten ein deutliches Nein, in der Bildung hält die CDU am Konzept Förderschule fest.

Schon bei der Vorstellung des Programms hatte CDU-Spitzenkandidat Tobias Hans das Programm als “Angebot” an den Koalitionspartner bezeichnet, die Regierungsarbeit fortzusetzen. Die zentrale Frage wird wohl sein, wer die nächste GroKo führt - CDU und SPD scheinen sich beide darauf einzustellen, mit dieser GroKo auch in den kommenden fünf Jahren weiterzumachen.


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Die Landtagswahl 2022 im Saarland
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