Auch ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod klingen die Aufnahmen des Produzenten Conny Plank (1940-1987) noch taufrisch. Ob Krautrock, NDW, Folk oder New Wave: Plank erarbeitete mit “seinen” Künstlern teils revolutionäre Klänge, die bis heute lebendig und von zeitloser Klarheit sind. Er experimentierte mit technischen Möglichkeiten (Echos, Feedbacks, Filtern etc.), stellte diese aber radikal in den Dienst der Künstler und deren Vorstellungen. Auch Industrial, Trance und Techno nahm er in seinen Aufnahmen schon vorweg.
Von Katja Preißner
Auf Genres war Plank nicht festgelegt, aber die Chemie musste stimmen: U2 und David Bowie holten sich angeblich eine Abfuhr. Dafür arbeitete er ab den späten 60ern mit deutschen Pop-Avantgardisten wie Cluster, Can und Neu!. Später kamen Ultravox, Brian Eno, Gianna Nannini, die frühen Eurythmics, Zupfgeigenhansel, Devo, DAF, Les Rita Mitsouko, Heinz Rudolf Kunze und viele andere dazu. 1987 starb Conny Plank an Krebs.
Die Vier-CD-Box „Who´s that man“, erschienen 2013 beim Grönemeyer-Label Grönland, bietet einen Querschnitt durch das Schaffen eines Mannes, der - wie der Titel andeutet - zeitlebens lieber bescheiden im Hintergrund blieb.
An seine frühe Musikbegeisterung erinnerte sich Conny Plank in einem Interview mit seinem Freund Erich Werwie. Die Sendung „Pop non stop“ (Ausgabe vom 29. 12. 1979) der Europawelle Saar hat den Untertitel: „Der Musiker hinter der Scheibe. Der fünfte Mann in der Band.“ Knapp 90 Minuten lang dreht sich alles um die Gedankenwelt des einflussreichsten deutschen Musikproduzenten.
„In meinem Elternhaus bin ich eigentlich sehr von der klassischen Musik geprägt worden. Mein Vater war Organist in einer Kirche, und in einem Streichquartett hat er Bratsche gespielt. (Aber) ich lernte mit sechs schon an Knöppen drehen, am Radioapparat. Und fand heraus, dass die Militärsender zu der Zeit immer scharfe Musik spielten …“ Es setzte die erste Ohrfeige des Vaters, aber der kleine Conny Plank war an die „Teufelsmusik“ verloren.
„Erich Werwie war mit seiner Frau in der Kante um Köln rum“, so Frank Laudenklos, der frühere SR 1-Technikchef. „Conny hatte etwas Zeit, und Erich hat einfach Interviews mit ihm gemacht. Dann brachte er das ganze Material zurück und sagte: ,Frank, guck mal‘. Ich sprach mit Hermann Stümpert, dem damaligen SR 1-Unterhaltungs-Chef. Der meinte: ,Macht doch ein Special drüber‘.“
Laudenklos suchte vor allem die passende Musik aus, die er mit den Interview-„Blöcken“ verwob: Charles Mingus, Velvet Underground, Beatles, Chuck Berry, Fats Domino, Aretha Franklin … und Jimi Hendrix! Der spielte für Conny Plank eine große Rolle, wie man ihn selbst in der Sendung sagen hört: „Das war für mich eine Inspiration, Technik und Musik noch besser zusammen zu bringen. In meiner weiteren Arbeit hab ich immer nur versucht, Methoden zu finden, wie sich Musiker und die Technik am besten vertragen.“
Auch die Beach Boys mit „Good vibrations“ waren ein wichtiger Impuls für den Mann, der so gern Maschinen und Elektronik die unglaublichsten Klänge entlockte: „Zu der Zeit war ich in Wortproduktionen eingespannt. In jeder freien Minute hab ich mich in ein Studio eingesperrt und hab mit Bändern rumexpertimentiert, mit Filtern gespielt, mit Feedbacks. Hab mir gedacht, das ist ein toller Effekt, den merk ich mir mal, wenn ich in die Situation kommen sollte, Platten zu produzieren. Zwei Jahre später kamen die Pretty Things mit einem Titel raus, auf dem genau dieser Effekt drauf war, und so kam ich mir vor wie ein Erfinder, der sein Patent nicht angemeldet hatte.“
Jede Menge Musik aus „Connys Studio“ kommt in der Sendung natürlich ebenfalls vor: von Michael Rother und Devo zum Beispiel. Aber Werwie und Plank sprechen vor allem über Planks Philosophie: „Oft sind Musiker sehr drauf konzentriert, musikalische Konzepte zu erfinden, die von ihren Instrumenten abhängen. Für mich ist sehr interessant, einen Musiker in eine Situation zu bringen, die er nicht kennt. Da passieren neue Sachen.“ Und es klingt wie eine Ermunterung, es ihm nachzutun, wenn der Studiotüftler Conny Plank den Europawellen-Hörern mitgibt: „Es muss nicht immer mit den letzten Spitzenprodukten der Technologie versehen sein. Sondern es kann ganz simpel sich darstellen. Es ist die Art, wie man diese Sachen benutzt.“
Ein rarer Schatz, den der Saarländische Rundfunk da in seinem Fundus hat. Und das Ergebnis gefiel offenbar auch der Hauptperson selbst. Frank Laudenklos erinnert sich an ein Feedback von Conny Plank: „Ja, er hat zu mir gesagt, ,Frankie, so stell ich mir Rundfunk vor‘. Die Musik zum Ausdruck bringen lassen, was derjenige fühlt. Das fand er prima.“
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