Er war der bekannteste und erfolgreichste literarische Kabarettist der Bundesrepublik. Mit ihm hat der SR seit den 50er Jahren Hunderte von Sendestunden, ungezählte Live- und Studioaufnahmen produziert. Hanns Dieter Hüsch (1925 – 2005) wurde damit, wie kein anderer, zur programmprägenden Stimme der Kabarettsendungen des Saarländischen Rundfunks und zum Liebling des saarländischen Kabarettpublikums. Anlässlich des 90. Hüsch-Geburtstags erinnert Karl-Heinz Schmieding, ehemaliger Kabarettredakteur und Hörfunk-Unterhaltungschef, mit Videos, Audios und Fotos an Hüsch-Highlights und Hüsch-Kuriosa in den SR-Programmen aus viereinhalb Jahrzehnten.
Von Karl-Heinz Schmieding
Der Bogen der Erinnerungen spannt sich von den ersten Aufnahmen im Funkhaus „Wartburg“ bis zu „Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend“, der zusammen mit seinem später hinzugekommenen TV-Ableger „Hüsch & Co“ zum Markenzeichen des SR wurde.
Sogenannte Intellektuelle
Die älteste noch erhaltene SR-Aufnahme mit Hanns Dieter Hüsch entstand am 9. Dezember 1957 im ehemaligen SR-Funkhaus „Wartburg“. Guy Walter vom damaligen SWF in Baden-Baden hatte Hüsch für den Funk entdeckt und ihn seinem Saarbrücker Kollegen A. C. Weiland empfohlen.
Er förderte ihn auch sonst nach Kräften. „ … er zog auch mit den Aufnahmen, die er mit mir gemacht hatte, im Köfferchen von Sender zu Sender und sagte überall, jetzt müsst ihr für den Jungen auch mal was tun. Und sie taten, und ich machte plötzlich meine ersten Aufnahmen bei A. C. Weiland im Saarländischen Rundfunk …“ schreibt Hüsch*.
Einen Titel aus der 1957er-Aufnahme, einer Halbstundensendung mit Chansons, findet man auf der 1995 vom SR herausgegebenen CD „Radio an der Saar 1935 – 1995“, zusammengestellt und produziert von Frank Rainer Huck und Bert Lemmich. Das Chanson „Sogenannte Intellektuelle“ beschreibt satirisch den „kulturellen Smalltalk“ auf einer Party in der Zeit des Wirtschaftswunders. Musikalisch-stilistisch – Hüsch damals noch am Klavier – ist der Peter Igelhoff-Einfluß noch deutlich zu spüren.
Zu den frühen „Wartburg“-Aufnahmen gehört auch ein kurioses „französisches“ Nonsens-Chanson, ebenfalls aus Hüschs „Igelhoff-Phase“. Es heißt „Madeleine“ und wartet mit einer ungewöhnlichen Refrainzeile auf: „Madelei-lei-lei-lei-leine – die hat Bei-Bei-Bei-Bei-Beine.“
Niemandsland des Lächelns
1962 produzierte A. C. Weiland, seit 1961 SR-Hauptabteilungsleiter Unterhaltung Hörfunk und Fernsehen, die erste größere TV-Solo-Sendung mit Hanns Dieter Hüsch: „Niemandsland des Lächelns“. Sie war auch eine der ersten Eigenproduktionen des SR für das Abendprogramm der ARD. Weiland, zugleich Regisseur und Redakteur, gelang damit ein beeindruckendes literarisch-kabarettistisches Dokument aus der Zeit des Schwarz-Weiß-Fernsehens. Aufgezeichnet wurde die Sendung im sogenannten „Pferdestall“-Studio auf dem Halberg. Während der Arbeit in diesem Studio-Provisorium kam es nicht selten zu unfreiwillig komischen Situationen. Die Erzählungen der Beteiligten von damals ranken sich dabei vor allem um die Aufnahme des bekannten Hüsch-Gedichts „Bedenkt“. So habe genau in dem Moment ein Platzregen auf das nur unzureichend schallgedämmte Studiodach zu trommeln begonnen, so erinnert sich Hüsch, als er die Zeile „Bedenkt auch, dass ihr Wasser habt und Brot“ mit großem Ernst in die Kamera gesprochen habe: „Und alle, die im Studio standen, konnten sich nur mit Mühe das Prusten verkneifen, und ich auch“. (Hüsch, SR-INFO 5/85).
Und A. C. Weiland erzählt die kuriose Geschichte von den zwei Tieren, die den Ablauf der Produktion erheblich störten: der „Garagenhund Struppi“ und eine Motte, die sich „in der Wärme der Scheinwerfer sonnte.“ Den bellenden Hund habe man schließlich zum Schweigen gebracht, die ungebetene Motte sei geblieben, was aber letztlich dem Erfolg der Sendung keinen Abbruch getan habe. Sie bekam hervorragende Kritiken.
Weitere SR-TV-Produktionen mit H. D. Hüsch aus dieser Zeit hießen „Am Rande des Parketts“ und „ … wenn die Hähne krähen“ (Regie: Tilo Philipp). Diese und andere von A. C. Weiland und Emil Zalud redaktionell betreuten TV-Sendungen des SR aus den 60er und 70er Jahren bleiben einer gesonderten Recherche vorbehalten. Dazu gehört auch die von Hüsch synchronisierte Zeichentrickserie „Plem-Plem-Brothers“, die von Gottfried Hensel gezeichnet wurde. Fernseh-Aufnahmen davon existieren leider nicht mehr.
„Carmina Urana“ und „Quartett 67“
Im SR-Hörfunk hatte Wolfgang Drescher inzwischen die Kabarettredaktion übernommen. Unter seiner Leitung entstanden u. a. mit Hüsch Sendungen wie z. B. die Reihe „Kabarett im Studio“ und öffentliche Kabarett- und Chansonabende erstmals auch im Großen Sendesaal.
Ein weiteres Programmprojekt war die Reihe „Lyrik und Jazz“. Zur Musik von Fritz Maldener sprach Hüsch u. a. Lyrik von Gottfried Benn (1965). Maldener war damals übrigens noch U-Musik-Redakteur beim SR. Später dann – als freier Komponist und Musiker auch musikalischer Leiter des Düsseldorfer „Kom(m)ödchen“ – schrieb und produzierte er die Musik zu zahlreichen U-Wort- und Kabarettsendungen des SR.
So komponierte Fritz Maldener auch die Musik zu Hüschs „Protest-Oratorium“ mit dem Titel „Carmina Urana – vier Gesänge gegen die Bombe“, das Drescher 1965 produzierte. Hüsch hatte dieses Programm bereits 1958 für den SWF geschrieben. Dort war es auch produziert worden, aber „nicht gesendet, sondern auf Eis gelegt“ worden „weil es wohl doch zu kritisch, zu ,einseitig‘ ausgefallen war“, so Hüsch. Den Mut des SR, das für die damalige Zeit politisch heikle Stück sieben Jahre später als Neuaufnahme dann doch zu senden, kommentiert er allerdings mit der Bemerkung „ … inzwischen war das nicht mehr so gefährlich, will sagen, die Programmdirektionen wurden großzügiger, und eigentlich war für sie das Thema schon verjährt.“
Wolfgang Dreschers wohl spektakulärste Produktion war das legendäre „Quartett 67“, ein Gemeinschaftsprogramm von Hanns Dieter Hüsch, Franz Josef Degenhardt, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp. Es spiegelt satirisch die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit der Bundesrepublik in der zweiten Hälfte der 60er Jahre wider. Hüsch schreibt dazu: „Wolfgang Drescher … hat ja dann auch die einmalige Leistung vollbracht, vier ganz verschiedene Menschen und Künstler zu einem Quartett zusammenzuspannen. Er hatte diese Idee und wir machten mit … Wir stellten aus unserem Repertoire ein Programm zusammen, das durchaus so aussah, als hätte es einer komponiert …“ Nach dem Erfolg der Uraufführung vom 20. März 1967 im Sendesaal auf dem Halberg sollten die Vier ein Jahr später eigentlich als „Quartett 68“ auf Tournee gehen. Doch daraus wurde nichts. Die Termine der Beteiligten, aber auch unterschiedliche Konzeptionen waren letztlich nicht unter einen Hut zu bringen. So blieb die Veranstaltung beim SR die einzige Aufführung dieses Programms in Quartett-Besetzung. „ … wir haben nur zu dritt, Süverkrüp, Degenhardt und ich in Bielefeld zweimal gespielt …“ schreibt Hüsch. Die SR-Aufnahme von „Quartett 67“ ist 1996 bei CONTRÄR Musik als Doppel-CD erschienen.
Der Meier-Sucher
„Quartett 67“ war nach meiner Kenntnis Wolfgang Dreschers letzte große Produktion beim SR, bevor er im selben Jahr noch zum SWF ging. Danach arbeitete er als Regisseur für den WDR und für das ZDF, wo er viele Jahre lang zum Redaktions- und Produktionsteam der Sendung „Kennzeichen D“ gehörte.
Ich selbst wurde im Januar 1968 Dreschers Nachfolger und zugleich auch der von Emil Zalud, von dem ich die Abteilung U-Wort übernahm. Zalud wurde von seinen Aufgaben in der TV-Unterhaltung voll in Anspruch genommen und musste daher den Hörfunk abgeben. Als ich begann, mit Hanns Dieter Hüsch zusammenzuarbeiten, konnte ich nicht ahnen, dass diese Kooperation eine Konstante meines gesamten Berufslebens werden würde.
Unter den vielen Sendungen und öffentlichen Veranstaltungen, die meine Kollegen und ich in Fortsetzung der Arbeit Dreschers in den ersten Jahren mit Hüsch produzierten – einige auch im kleinen Saal der Kongresshalle –, war wohl das ungewöhnlichste Projekt die „Meier-Suche“ auf der Europawelle.
Mehr als vier Jahre lang, vom Frühjahr 1969 bis Herbst 1973, konnte man Hanns Dieter Hüsch täglich außer sonntags pünktlich um 13.30 Uhr ins Studio stürmen hören – immer auf der vergeblichen Suche nach seinem mysteriösen Freund Meier und immer mit einer kuriosen Geschichte, die er seinem Gegenüber am Mikrofon unbedingt erzählen musste. Dass die Stimme des sympathisch-chaotischen Störenfrieds mitsamt dem Studiotürenschlagen fast immer vom Band kam, dass die wechselnden Live-Moderatoren der Sendung – Brita Maria Carell, Dieter Thomas Heck, Alf Wolf, Martin Arnhold u. a. – in Wirklichkeit jeweils mit einem Tonband sprachen, wussten damals die Wenigsten.
Dabei hatten Helmut Peter als Aufnahmeleiter und ich selbst anfangs nicht geglaubt, dass dies klappen könnte. Doch es funktionierte dank der typischen immer ein wenig hektischen Sprechweise Hüschs in der Rolle des Meier-Suchers. Es war verblüffend zu hören, wie die Europawellen-Moderatoren sich geschickt live in den Hüschschen Redeschwall auf ihrem Kopfhörer einklinkten. Kritisch wurde es allerdings, wenn der aus der Tonkonserve kommende Hüsch die kurzfristig für einen männlichen Kollegen eingesprungene Moderatorin Brita Maria Carell mit „mein Herr“ anredete. Die rettete jedoch die Situation, indem sie geistesgegenwärtig mit der Bemerkung „Sie haben wohl Ihre Brille vergessen“ parierte.
Hüsch kam alle zwei bis drei Wochen zur Vorproduktion nach Saarbrücken. Und nur an einem solchen Tag war der Meier-Sucher auch wirklich live im Studio. Bei bevorstehenden wichtigen Ereignissen wie z. B. Spielen der Fußballnationalmannschaft, nahmen wir drei verschiedene Versionen der jeweiligen Meier-Geschichte auf, damit Hüsch am Tag nach dem Spiel je nach Ausgang der Partie auf Sieg, Niederlage oder Unentschieden „aktuell“ eingehen konnte. Übrigens stammten nicht alle der von Hüsch gesprochenen Texte von ihm selbst. Als Co-Autor lieferte Friedrich Papenzin gelegentlich Manuskripte zu, die Hüsch sich mund- bzw. „Meier“-gerecht machte. Bei den Hörern der Europawelle wurde der Meier-Sucher durch seinen täglichen Auftritt schon bald sehr populär. Nur der eine oder andere Freund des traditionellen Kabaretts runzelte die Stirn, weil er Hüsch auf Abwegen wähnte in einem allzu leichten Genre.
Im Dezember 1970 gab es anlässlich der 500. Meier-Folge einen großen Solo-Kabarettabend mit Hanns Dieter Hüsch unter dem Titel „Mensch Meier“, wobei wir das Thema „Meier-Suche“ als Running Gag ins Programm eingebaut hatten. Darunter auch eine Liveschaltung von der Bühne im Großen Sendesaal ins Abendmagazin „Zwischen heute und morgen“ der Europawelle. Reporter war Axel Buchholz, und Karl-Heinz Send moderierte das Magazin.
Die Bänder mit rund 1400 Meier-Glossen aus viereinhalb Jahren sind übrigens erhalten. Sie haben allerdings ein „dramaturgisches“ Manko: Es handelt sich um die vorproduzierten Aufnahmen, auf denen nur Hüsch solo zu hören ist. Die „Live“-Dialog-Version wurde leider nie mitgeschnitten.
Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend
Als die Meier-Glosse Ende September 1973 im Rahmen einer Programmreform der Europawelle eingestellt wurde, da standen meine Kollegen und ich bereits kurz vor dem Start eines neuen Projekts mit Hanns Dieter Hüsch. Zu meiner großen Freude hatte er sofort zugestimmt, als ich ihm von meiner Idee einer Art „Hanns Dieter Hüsch-Show“ erzählte und ihn fragte, ob er sich vorstellen könne, die Rolle des Moderators und Gastgebers zu übernehmen.
Am 20. Oktober 1973 hatte „Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend“ im Großen Sendesaal Premiere.
Von den zahlreichen prominenten Künstlern, die Hüsch im Laufe von fast drei Jahrzehnten im „Gesellschaftsabend“ und hier vor allem bei den Jubiläumsveranstaltungen begrüßt hat, waren nicht wenige sozusagen „Stammgäste“, so z. B. Dieter Hildebrandt, Mathias Richling, Konstantin Wecker, Franz Hohler und Helmut Ruge. Egal ob Kleinkunst-Prominenz oder Newcomer – zu Hanns Dieter Hüsch kamen alle immer gern. Bis zu seinem offiziellen Abschied vom SR im Jahre 2001 hat Hanns Dieter Hüsch 28 Jahre lang den „Gesellschaftsabend“ moderiert. Seit der 100. Folge im Jahre 1991 war das Fernsehen dabei.
Die Geschichte der SR-„Gesellschaftsabende“ mit Gastgeber H. D. Hüsch lesen Sie ausführlich im Beitext „Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend – ein Markenzeichen des SR“.
„Hagenbuch hat jetzt zugegeben …“
Die berühmte Kunstfigur Hagenbuch, sicher so etwas wie Hüschs Alter Ego, steht in einer ganz besonderen Beziehung zur Stadt Saarbrücken und zum „Gesellschaftsabend“ des SR. Hüsch hatte die Figur, die ohne seine grenzenlose Begeisterung für den Stil des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard nicht denkbar gewesen wäre, schon länger im Hinterkopf Die erste Hagenbuch-Geschichte schrieb er dann am 7. November 1975 im Saarbrücker Hotel „Meran“. In Zimmer 502, das immer für ihn reserviert war, brachte Hüsch neben anderen Kabarettnummern noch zahlreiche weitere Hagenbuch-Geschichten zu Papier – jeweils in der Nacht vor ihrer Uraufführung im „Gesellschaftsabend“. Sie sind daher, so ihr Autor, „fast schon Saarbrücker Geschichten“.
Die erste Episode dieser Reihe mit dem Titel „Hagenbuch und die Erziehung“ wurde im 11. „Gesellschaftsabend“ am 8. November 1975 uraufgeführt. Sie begann mit der bei Hüsch-Fans bestens bekannten Anfangszeile „Hagenbuch hat jetzt zugegeben, dass die Erziehung seiner Kinder eine völlig verfahrene war“. Am selben Abend gab es eine weitere Uraufführung: die außerordentlich komische „Folklore“-Parodie „Es ritten drei Reiter …“, die schon kurze Zeit später ein absoluter Hüsch-Hit wurde. In Zimmer 502 des Hotels „Meran“ erinnert ein Foto an den langjährigen Stammgast.
Nach Frankreich essen gehen
Schon 1970 hatte Hüsch eine ganz andere „Saarbrücker Geschichte“ geschrieben. Sie bezog sich auf seine Erfahrungen mit bestimmten Lebensgewohnheiten der Saarländer, insbesondere der Künstler- und Rundfunkkollegen von damals – zu einer Zeit, als das Saarland kulinarisch noch nicht so angesagt war wie heute. Der Text parodiert die Lieblingsbeschäftigung Saarbrücker Gourmets von damals und derer, die sich dafür hielten: „Nach Frankreich essen gehen“. Er beginnt mit dem verblüffenden Satz: „Wenn ich in Saarbrücken bin, dann steh ich morgens auf und dann weiß ich schon, dass ich abends in Frankreich essen gehe.“ Die Geschichte verrät überraschende kulinarische Vorlieben ihres Autors, die man bisher doch eher bei „Spinat mit Kartoffeln und Soß' durcheinander“ angesiedelt sah: „Alle vier Wochen, da brauch ich was Flambiertes“ und z. B. „liquidierte Eichhörnchenohren in feiner Weinsauce“. Das sei halt „wie ein Zwang – dieses Essen wie Gott in Frankreich …“.
Fröhlicher Wecker
Anfang der 80er Jahre hat sich Hüsch in seinen Kabarettnummern auch kritisch-satirisch mit den Popmusik-Programmen der ARD und der privaten Sender beschäftigt. Eine dieser Satiren – sie heißt „Fröhlicher Wecker“ – nimmt gleichzeitig Bezug auf RTL Radio und die Europawelle, ohne dass dies aber direkt ausgesprochen würde. Bei näherem Hinhören entdeckt man allerdings: die sehr komisch wirkende Nummer ist ein Mix aus Sendungstiteln des damaligen Tagesprogrammschemas von RTL einerseits und den Werbeslogans für den 1980er Relaunch von SR 1 Europawelle Saar andererseits, d. h. die Nummer besteht ausschließlich aus Textbausteinen, die nicht von Hüsch selbst stammen. Folglich lautet seine Schlussbilanz: „Weil Parodie und Wirklichkeit sich hier verteufelt küssen, hab' ich bei diesem Text kein eignes Wort verwenden müssen“. Das Stück ist nachzuhören auf WDR/Intercord DLP/DCD „Das neue Programm“ 1981/1994. Ich hatte die Nummer schon fast vergessen, als ich 25 Jahre später das Textbuch von „Das neue Programm“ in einem Online-Antiquariat entdeckte – ein mit handschriftlichen Korrekturen versehenes Typoskript des gleichnamigen Bühnenprogramms von 1981, das Hüsch im Eigenverlag herausgebracht hatte. Darin auch der Text der Nummer „Fröhlicher Wecker“. Zu meiner großen Überraschung stellte ich fest, dass Hüsch die SR 1-Handzettel und Aufkleber, denen die Werbeslogans entnommen waren, als „Beleg“ in den Text hineinkopiert hatte. Er hatte die Anfang 1980 im Funkhaus-Foyer zur Information und zum Mitnehmen ausliegenden Werbe-Aufkleber tatsächlich nach Hause mitgenommen und offensichtlich gut aufgehoben.
„Papa Mobil“ und „Was sagt denn der Vater dazu?“
Neben den traditionellen Kabarettprogrammen des SR gab es noch eine ganze Reihe Sendungen anderer Redaktionen, in denen Hüsch aktiv war. Am ungewöhnlichsten war seine Zusammenarbeit mit dem Kirchenfunk und dessen kabarettbegeistertem Chef Norbert Sommer. Für ihn schrieb und sprach Hüsch 1987 u. a. einen satirischen Beitrag über den zweiten Deutschland-Besuch des reisefreudigen Papstes Johannes Paul II, den Sommer als ARD-Korrespondent auf den meisten Reisen begleitet hat. Auf den Umschlag-Innenseiten von Sommers Papst-Buch „Fliegender Fels“ (Wichern-Verlag) ist Hüschs handgeschriebener Text mit dem Titel „Papa Mobil“ abgedruckt.
Die Fernsehunterhaltung des SR realisierte mit Hüsch viel beachtete Einzelprogramme: Das Hüsch-Porträt von Georg Bense aus der Reihe „Lieder zum Nichtmitsingen“ (1971, Redaktion: A. C. Weiland), die Sendung „Fast ‘ne Solo-Oper“ zu Hüschs 60. Geburtstag von Christel Priemer (1985, Redaktion Hans-Bernhard Theopold) und den SR-Beitrag zur nächtlichen ARD-Satire-Reihe „Nachschlag“ (1991, Redaktion Michael Beckert).
Hörspielchef Werner Klippert beschäftigte den Kabarettisten, der ja auch ein exzellenter Sprecher war, gern in Hörspielproduktionen, wobei Hüsch gelegentlich auch Regie führte. Für den Jugendfunk von Hermann Stümpert und dessen Sendung „Drugstore 1421“ produzierte Hüsch eine Zeit lang eine heitere Kurzbeitragsserie unter dem Titel „Was sagt denn der Vater dazu?“ Immerhin war Hüsch damals schon Mitte 50 und insofern für junge Leute nicht nur eine kabarettistische „Autorität“. Raimund Hess, Leiter der damaligen Abteilung Unterhaltungs- und Tanzmusik, hatte 1971 die Idee, Hüsch-Texte vertonen zu lassen und die Songs mit Hüsch als Gesangssolisten fürs Musikprogramm der Europawelle zu produzieren.
Fritz Maldener schrieb die Musik zu diesen schlagerhaften Chansontiteln, bei denen Hüsch vom Großen Unterhaltungsorchester des SR unter der Leitung von Hans Hammerschmid begleitet wurde. An einen dieser Titel in einem musikalischen Gewand, das typischen Grand Prix-Schlagern von damals ähnelt, kann ich mich noch gut erinnern, weil er jahreszeitlich bedingt relativ häufig auf der Europawelle gespielt wurde: „Oh Mister Herbst“.
Verdienstorden für den „Ehrensaarländer“
Anlässlich des 25-jährigen „Gesellschaftsabend“-Jubiläums, das wegen einer schweren Erkrankung Hüschs um ein halbes Jahr hatte verschoben werden müssen, wurde der Jubilar am 10. April 1999 vom damaligen Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt mit dem Saarländischen Verdienstorden ausgezeichnet.
In seiner Dankesrede auf Klimmts Laudatio sagte Hüsch schmunzelnd, „… er wünsche sich, sein Vater, ein preußischer Beamter, hätte die Ordensverleihung noch erleben können, um wieder einmal festzustellen, dass aus seinem ,merkwürdigen‘ Sohn ja doch noch etwas geworden sei. Neben den von Klimmt erwähnten ,verdienten‘ Hüsch-Aktivitäten an der Saar sei vor allem aber auch die landsmannschaftliche Mentalitätsverwandtschaft zwischen den Saarländern und ihm selbst als typischem Niederrheiner von entscheidender Bedeutung für seinen Erfolg im Saarland“ (aus SR-INFO 5/99). Wie hier, so hat Hüsch auch bei anderer Gelegenheit die Mentalitätsverwandtschaft von Saarländern und Niederrheinern immer wieder zum Thema gemacht – mal augenzwinkernd und ein wenig wehmütig, wie bei seiner Abschiedsrede (s. u.), mal mit unbändigem Witz und parodistischer Power in seiner Parade-Nummer „Der Niederrheiner“ in sozusagen „Saarländer-affiner“ Spezialfassung.
Der Klimmtschen Laudatio folgte am Abend desselben Tages im „Gesellschaftsabend“ die kabarettistische „Laudatio“ von Detlev Schönauer mit „Acht goldenen Regeln“ für den „Ehrensaarländer“ Hanns Dieter Hüsch. Von „Hauptsach gudd gess, geschafft hann mir schnell“ (Regel 1) über „Du muschd eener kenne, wo eener kennt“ (Regel 3) bis „Schwätze muss mer mit de Leit“ (Regel 8) machte Schönauer seinen Kollegen mit den Geheimnissen saarländischen Lebens vertraut und empfahl Hüsch am Schluss seines saarländischen „Sprachkurses“, zur Bekräftigung und Verstärkung seiner verbalen Äußerungen einfach immer eine „Wutz“ an selbige anzuhängen. Und er schloss unter dem Beifall des Publikums im Sendesaal mit einer entsprechenden Liebeserklärung: „Hanns Dieter, mir hann Disch saugeer.“
Abschied
Mit dem 161. „Gesellschaftsabend“, einem Duo-Programm gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Konstantin Wecker, nahm Hanns Dieter Hüsch am 9. Juni 2001 Abschied von seinem Publikum im Großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks. Am Vorabend war er bereits nach seiner letzten „Hüsch & Co“-Sendung im TV-Studio von Programmdirektor Werner Zimmer gebührend gewürdigt worden.
Als im Sendesaal der Beifall für Hüsch nach der bewegenden Dankesrede von Intendant Fritz Raff und den wehmütig-humorigen Abschiedsworten des Geehrten nicht enden wollte, verabschiedeten sich Hüsch und Wecker gemeinsam mit einem literarisch-musikalischen Akzent. An dessen Ende standen zwei Texte, die sich wie ein Leitmotiv durch Hüschs Leben und Werk ziehen:
„Ich habe immer versucht
Die Erhabenheit der Bäume
Die Unverwundbarkeit der Steine
Die Vorurteilslosigkeit der Flüsse
Und die Gelassenheit der Tiere
Zu erreichen
Aber es ist mir nicht gelungen.“
„Ich bin gekommen Euch zum Spaß
Und gehe hin, wo Leides ist
Und Freude und wo beides ist
Zu lernen Mensch und Maß.“
Hüschs Gesundheitszustand verschlechterte sich in Folge eines Schlaganfalls im Herbst 2001 erheblich. Ein Wiedersehen mit ihm bei gelegentlichen Gastauftritten im „Gesellschaftsabend“, wie von uns erhofft, sollte es deshalb leider nicht mehr geben. Nach langer schwerer Krankheit starb Hanns Dieter Hüsch im Alter von 80 Jahren am 6. Dezember 2005 in Windeck/Sieg, wohin er sich in den letzten Lebensjahren zusammen mit seiner Frau Christiane zurückgezogen hatte. In seiner Heimatstadt Moers am Niederrhein bekam er ein Ehrengrab. Auf einer schlichten schlanken Grabstele sind die beiden Texte zu lesen, die er schon an den Schluss seines letzten „Gesellschaftsabends“ gesetzt hatte.
Seiner saarländischen „Hüsch-Gemeinde“, den SR-Kollegen und mir, der ich ihn fast mein ganzes Berufsleben lang begleiten durfte , wird er unvergessen bleiben als liebenswerter Freund und kabarettistischer „Seelsorger“, als faszinierender Poet und Geschichtenerzähler – nach eigener Aussage „immer ein Prediger und ein Zweifler, mal mit der Fackel in der Hand, mal mit der Narrenkappe auf dem Gehirn, mal als Kind und mal als Komiker.“
In seinem letzten größeren literarischen Werk – „Wir sehen uns wieder – Geschichten zwischen Himmel und Erde“ – schildert Hüsch seinen Besuch beim Akkordeon spielenden lieben Gott im Himmel. Angenommen, es stimmt, was der leidenschaftliche Fabulierer dort geschrieben hat – dann sitzt er an seinem 90. Geburtstag vermutlich im Café „Pilatus“ und liest dem lieben Gott „zur Erheiterung“ typische Hüsch-Geschichten vor. Vielleicht ja auch welche aus seinem „Gesellschaftsabend“, dessen eigene Erfolgsgeschichte als älteste Kabarettreihe der ARD jetzt von Steffen Kolodziej und ALFONS und damit inzwischen in der „dritten Redakteurs-Generation“ fortgeschrieben wird.
*Die kursiv gesetzten Hüsch-Zitate sind, soweit nicht anders angegeben, Hüschs Autobiographie „Du kommst auch drin vor – Gedankengänge eines fahrenden Poeten“ entnommen (Kindler-Verlag München 1990. Neuauflage Klartext-Verlag Essen 2008). Beide Ausgaben sind vergriffen, allerdings antiquarisch erhältlich. Der Titel ist ab sofort aber wieder aktuell auf dem Buchmarkt: als Bestandteil der neuen siebenbändigen E-Book-Ausgabe des literarischen Werks von Hanns Dieter Hüsch, herausgegeben von Helmut Lotz , Edition diá)
Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Michael Fürsattel, Sven Müller, Eva Röder (Layout/Produktion), Roland Schmitt (Dokumentation/Bild-Recherche)