Jonas Minch mit seiner Gitarre. (Foto: SR)

Das lange Warten auf den Therapieplatz

Marco Karp / Onlinefassung: Cathy Huyer   30.04.2023 | 20:09 Uhr

Schnelle therapeutische Hilfe ist bei Depressionen sehr wichtig, trotzdem müssen Betroffene häufig viel zu lange auf einen Therapieplatz warten. Im Saarland dauert es bundesweit mit am längsten, prangern Experten an. Jonas Minch hatte Glück und will Betroffenen Mut machen.

Jonas Minch hat gerade sein Abitur in der Tasche, als er mit der Diagnose Depressionen konfrontiert wird. Es war eine schwere Zeit für den heute 27-Jährigen, der plötzlich nicht mehr in der Lage war, alltägliche Dinge zu erledigen: „Gedankenspiralen gehen los, aus denen man nicht rauskommt. Man fängt an, eigentlich an allem zu zweifeln."

Depression und Selbsthilfe
Video [SR Fernsehen, (c) SR, 27.04.2023, Länge: 05:39 Min.]
Depression und Selbsthilfe
Jonas Mich kämpft seit acht Jahren gegen seine Depressionen. Lange hat er gebraucht, bis er sich geöffnet hat, mit Familie und Freunden über die Krankheit sprach. Heute sucht er die Öffentlichkeit, will über Depressionen aufklären.

Plötzlich seien einfache Dinge wie das morgendliche Aufstehen schon kaum zu bewerkstelligen. "Das kann dann so weit gehen, dass die ganzen Basics, was zu essen, zu trinken, duschen zu gehen, nicht mehr machbar sind.“

Jonas fällt, so beschreibt er es selbst, in ein „tiefes Loch“, aus dem es ihm schwer fällt wieder herauszufinden. Es folgen Aufenthalte in der Klinik und ambulanten Praxen.

Schnelle Hilfe ist wichtig

Jonas hat Glück im Unglück: Neben der Unterstützung durch seine Familie erhält er auch schnell therapeutische Hilfe durch die Psychotherapeutin Ellen Meierotto.  In den Therapiestunden mit ihr lernt Jonas mit der Erkrankung umzugehen und auf Signale seines Körpers zu achten.

Dass man wie Jonas nur wenige Wochen auf einen Therapieplatz warten muss, ist aber leider nicht die Regel, kritisiert Irmgard Jochum von der Psychotherapeutenkammer Saar. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat die Wartezeiten für einen Therapieplatz ermittelt. Mit am längsten warten Betroffene im Saarland – in der Regel ein halbes Jahr.

Zu wenig Therapeuten oder Überversorgung?

Für Irmgard Jochum ist diese lange Wartezeit sehr problematisch: „Wer mit einer Angststörung, mit einer Depression, ein halbes Jahr oder länger warten muss, auf einen Psychotherapieplatz, der geht anders in die Therapie rein als jemand, der nach zwei oder vier Wochen beginnen kann“ so die Präsidentin der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes. Man brauche mehr Therapeuten mit Kassenzulassung, um die Warte-Situation zu entschärfen, so Jochum.

Dem widerspricht die Kassenärztliche Vereinigung. Laut der gibt es im Saarland sogar eine Überversorgung an Psychotherapeuten. Allerdings ist die Grundlage für diese Behauptung eine Bedarfsplanung, die vor 25 Jahren erstellt wurde.

Harry Derouet, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, meint deshalb: „Da müsste ich andere Zahlen haben, die mir irgendwie beweisen, das ist so, dann könnten wir uns mit dem Thema nochmal beschäftigen.

Aber es müssen auch immer die Kostenträger mit eingeschaltet werden, weil sie letzten Endes für die Kosten, die entstehen, verantwortlich sind. Kurz und gut, es ist schon so, aus unserer Sicht, dass wir eigentlich, so wie ich das beurteilen kann, relativ gut aufgestellt sind, auch ausreichend personell ausgestattet.“

Auch in "guten Phasen" ist therapeutische Unterstützung wichtig

Wie wichtig therapeutische Unterstützung für Menschen mit Depressionen ist, zeigt sich auch daran, dass ein Therapeut einen Patienten oft über Jahre begleitet, nicht nur in akuten Phasen der Depression hilft, sondern auch vorbeugend Hilfe leistet.

Rezitiv-Prophylaxe oder Erhaltungstherapie nennt das die Therapeutin Ellen Meierotto. Der Patient kommt nicht nur, wenn es ihm sehr schlecht geht, sondern auch wenn sich zum Beispiel seine Lebenssituation ändert. Wie bei Jonas, der gerade sein Studium beendet. Solche Umbruch-Phasen führten bei Patienten mit wiederkehrenden Depressionen häufig zu Rückfällen, die durch die Erhaltungstherapie vermieden werden können, so die Therapeutin.

Jonas Minch setzt aber nicht nur auf professionelle Hilfe. Eine große Stütze sind für ihn auch seine Familie und die Selbsthilfegruppe KISS in Saarbrücken. Hier treffen sich junge Menschen mit den unterschiedlichsten psychischen Erkrankungen.

Musik als Ventil

Jonas, dem es selbst heute gut geht, wünscht sich, dass Betroffenen mehr Verständnis für ihre Erkrankung entgegengebracht wird und dass sie sich nicht mehr verstecken müssen.

Und wenn bei ihm die Krankheit doch einmal zurück kommt? Dann nutzt Jonas, der mit fünf Jahren angefangen hat Gitarre zu spielen und Musik studiert hat, die Musik als Ventil. Sein eigenes Tonstudio wird dann zu seinem „Zufluchtsort“. „Wenn ich da reingehe, dann gibt es nur Musik und alles andere ist außen vor. Wenn ich einen Song schreib, dann ist das wie ein Tagebuch."

Über dieses Thema wurde auch in der Sendung "Wir im Saarland - Das Magazin" am 27.04.2023 berichtet.


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