Grabstein Samuel Yeboah (Foto: SR)

Yeboah-Prozess: Zeuge aus rechtsextremem Milieu vernommen

Barbara Spitzer   11.08.2023 | 21:54 Uhr

Der Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis ist fast 32 Jahre her. Seit knapp einem Jahr wird über die mutmaßlich rassistisch motivierte Tat vor dem Oberlandesgericht in Koblenz verhandelt. Für die betroffenen Bewohner ist die Nacht offenbar alles andere als vergessen. Wie sehr die Tat nachwirkt wurde am Freitag einmal mehr deutlich.

Es war einer der Tage, an denen die Folgen des Brandanschlags, den der Angeklagte Peter S. verübt haben soll, im Gerichtssaal spürbar wurden. Unter Tränen schildert eine Zeugin die Schreckensnacht in dem Flüchtlingsheim vor 32 Jahren.

Video [aktueller bericht, 11.08.2023, Länge: 2:37 Min.]
Yeboah: Zeuge aus dem rechtsextremen Milieu verneint Rassismus-Motiv

Die Schreie gingen ihr bis heute nicht aus dem Kopf, sagt sie. Sie habe Menschen gesehen, die aus dem Fenster gesprungen seien. Eine Belastung, die sie mit vielen der 20 ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern teilt. "Vor allem die Hilferufe, dass man nicht helfen konnte, die Todesangt, das ist bei allen Beteiligten so, dass es fortdauert", so Christian Schmitt, Anwalt eines Nebenklägers.

Eine Tat angeblich ohne Planung

Bei dem Feuer starb Samuel Yeboah aus Ghana. Peter S. muss sich deshalb wegen Mordes aus rassistischer Gesinnung verantworten. Dieses Tatmotiv wird nun durch einen Zeugen aus der Saarlouiser Neonaziszene der 90er Jahre indirekt in Zweifel gezogen.

Es sei dort vor allem um Alkohol und Partys gegangen. Die Verteidigung sieht sich bestätigt: "Ich nenne das mal 'dumpfe Aktion aus einer Situation heraus', wo man den ganzen Abend in der Kneipe zusammen gesessen hat und dann plötzlich ist das entstanden. Es gab keine Planungen", so Verteidiger Guido Britz.

Vorwurf, die Nazi-Strukturen zu verharmlosen

Für den Prozessbeobachter Roland Röder ist das ein Versuch, die Neonaziszene und damit das Tatmotiv zu verharmlosen. "Fakt ist: Es gab damals stabile Neonazi-Strukturen und verschiedene Gruppierungen, die agiert haben. Wenn ich Alkohol getrunken habe und Heil Hitler rufend durch die Straßen marschiere, dann muss dieser Gedanke schon vorher da gewesen sein", so Röder.

War Peter S. überzeugter Neonazi und beteiligte sich deshalb an der Brandstiftung? Diese Frage wird das Gericht wohl noch länger beschäftigen. Ein Urteil wird Ende des Jahres erwartet.

Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht am 11.08.2023 berichtet.

Der Podcast zum Fall Yeboah

Die Podcast-Serie zum Mordprozess
Der Fall Yeboah – Rassismus vor Gericht
1991 stirbt Samuel Yeboah durch einen Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Saarlouis. Erst über 30 Jahre später wird der Mord als rassistisch motivierte Tat verfolgt und steht möglicherweise vor der Aufklärung. Warum erst jetzt? Dieser Frage gehen die SR-Journalistin Lisa Krauser und ihre beiden Kollegen Thomas Gerber und Jochen Marmit in einem mehrteiligen Podcast nach.


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Der Yeboah-Prozess steht kurz vor dem Abschluss der Beweisaufnahme. Das Verfahren gegen den ehemaligen Saarlouiser Neonazi Peter S. geht jetzt in eine Sommerpause und wird Mitte August fortgesetzt. Ein Urteil gegen den 52-Jährigen wegen Mordes gilt als wahrscheinlich.

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