Der Shuttle-Bus hieß früher Ferien-Fest-Express (Foto: R. Öttinger)

SR-Open-Air für saarländische Schüler/innen

Fast vier Jahrzehnte mit Pop-Musik in die Sommerferien

 

Inzwischen gehört sie zur kollektiven Erinnerung für die allermeisten, die im Saarland zur Schule gegangen sind: die riesige Pop-Party zum Beginn der großen Sommerferien. Das ist sie nach wie vor. Geändert hat sich über die Jahre der Name und auch der Ort. Zuerst hieß die Superfete „Schülerferienfest“, dann „Halberg Open Air“ und jetzt „SR Ferien Open Air St. Wendel“. Veranstaltungsort war zu Beginn der St. Johanner Markt mitten in Saarbrücken, dann die große Festwiese auf dem Saarbrücker Halberg (dem Sitz des Senders) und jetzt das Bosenbachstadion in der Kreisstadt St. Wendel.
„Fundstück“-Autor Marko Völke hat von Anfang an mitgefeiert, miterlebt und mitgemacht – als Fan, Musik-Journalist und jetzt als SR-Mitarbeiter.

Von Marko Völke

1981 hat alles klein angefangen: Beim ersten „Schülerferienfest“ auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken traten der Ex-Teenie-Schwarm und heutige TV-Moderator Thomas Ohrner sowie Rock’n’Roll-Sänger Ted Herold auf. Als bescheidene Bühne diente der Übertragungs-Wagen „Radiomobil“. Die drei SR-Mitarbeiter Hermann Stümpert, Jürgen Köster und Gerd Arend wollten damit „ein Event für Kinder schaffen, die nicht in Urlaub fahren können“. Axel Buchholz hatte bei Europawellen-Unterhaltungschef Hermann Stümpert angeregt, „doch mal was Besonderes für Schüler zu machen“, wie sich Jürgen Köster (später u. a. Wellenchef von NDR 1 Radio Niedersachsen und Programmdirektor von radio ffn) erinnert. Das taten die drei dann auch und stießen mit ihrer Schülerfete, bei der u. a. Neue Deutsche Welle-Sängerin „Fräulein Menke“ für Begeisterung sorgte, direkt auf große Resonanz. So große, dass die Redaktionsmitglieder anschließend gut damit beschäftigt waren, auf dem Markt selbst wieder für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. Die SR-Verwaltung belohnte sie dafür mit Gutscheinen für eine Stärkung. 

1982 hat alles klein angefangen: das erste „Schülerferienfest“ auf dem St. Johanner Markt.

Bereits im Folgejahr wurden rund 8.000 Besucher gezählt. „Wegen der Lärmbelästigung zogen wir dann schon1983 auf den Halberg um“, blickt Arend zurück. Von da an wuchs das Festival rasant zu einem der größten Open-Airs im Südwesten. Zigtausende Besucher erklommen den Halberg, Hunderte von Stars feierten mit den Kids auf der Radiowiese vor dem SR-Funkhaus über drei Jahrzehnte in die Ferien. Und seit 2018 geht die Party nun in St. Wendel weiter. Das „SR Ferien Open Air“ hat sich schnell als erfolgreiche Fortsetzung etabliert.

Aber nicht nur das Festival ist in seiner fast 40-jährigen Geschichte rapide expandiert – auch ich habe im wahrsten Sinne des Wortes dabei „klein“ angefangen und bin mit dem Event groß geworden. Noch ein junger Bub, stand ich als Besucher im Publikum. Im Teenageralter schrieb ich 1989 dann schon als Jugend-Reporter der Saarbrücker Zeitung meinen ersten Artikel über das Schülerferienfest – und das dann ausnahmslos in allen Folgejahren bis zum letzten Halberg Open Air 2017. Zwischendurch stand ich sogar mal selbst auf der Bühne. Und seit 2018 arbeite ich nun für den SR hinter den Kulissen mit. Doch alles der Reihe nach.

Spider Murphy Gang, Schülerferienfest 1990 (Foto: Rolf Ruppenthal)
Die Spider Murphy Gang beim Schülerferienfest 1990.
New Jack Kids, Halberg Open Air 1993 (Foto: J.C. Schmidt)
New Jack Kids auf der Bühne vom Halberg Open Air 1993.

Auch nach dem Umzug des „Schülerferienfestes“ 1983 auf den Halberg hielt sich der Aufwand im Gegensatz zu dem heutigen Technik-Aufgebot noch in Grenzen. Programm-Macher Jürgen Bohr erinnert sich: „Am Anfang war das Fest eine reine Spaß-Veranstaltung.“ Die Jugendlichen hätten einfach „nur“ einen schönen Tag beim SR verbringen wollen: „Die Musik hat noch nicht die entscheidende Rolle gespielt“, ergänzt der SR 1-Musik-Redakteur, der bereits 1984 seinen ersten Einsatz als Bühnenmanager beim Schülerferienfest hatte.

Neben bekannten Stars der „Neuen Deutschen Welle“ wie Markus, Frl. Menke, Geier Sturzflug und der Münchner Freiheit sind in den Anfangsjahren auch Schlager-Vertreter aufgetreten. Von Wolfgang Petry über Purple Schulz bis zu Ingrid Peters und Nicole reichte das Aufgebot. 1985 war neben Modern Talking und den Toten Hosen auch der heutige Italo-Star Eros Ramazotti mit seiner Single „Adesso tu“ als Newcomer zu Gast. Damals übrigens noch ohne feste Auftrittszeit. Er wartete geduldig und durfte dann auf die Bühne, wenn gerade etwas „Luft“ im Programm war.

Mit dem heutigen Star ist Eberhard Schilling (der bis 1999 viele Jahre das Festival moderiert hat und früher schon als Aufnahmeleiter dabei war) ein lustiger Fehler passiert. Er erzählte mir davon vor ein paar Jahren für einen SZ-Bericht: „Ich wollte mal Eros Ramazotti aus dem Backstage-Bereich werfen.“ Damals waren – anders als heute – zunächst noch keine Security-Mitarbeiter erforderlich. Diese Aufgabe „übernahmen“ oft die Eltern, die ihre Kinder zu dem Fest für die ganze Familie begleiteten. Und im Künstlerbereich sorgten die SR-Kollegen oft selbst für Ordnung: „Hinter der Bühne waren fast mehr Leute als davor“, sagt Schilling (heute SR 3 Unterhaltungschef) grinsend. Und da habe er den Musiker für einen Besucher gehalten.

Vom Fernsehen wurde das Schülerferienfest erstmals 1985 für Special-Sendungen mitgeschnitten, die später ausgestrahlt wurden. In diesem Jahr durfte ich zudem meine ersten Backstage-Erfahrungen sammeln – dem ehemaligen SR-Intendanten Prof. Dr. Hubert Rohde sei Dank. Ich hatte ihn vorher schon bei diversen anderen SR-Veranstaltungen kennengelernt. Nach seiner Ansprache schenkte er mir kurzerhand seinen Backstage-Ausweis: einen einfachen Pin. Der war damals übrigens noch übertragbar und im Gegensatz zu heute absolut nicht fälschungssicher. Sogar in den folgenden Jahren blieb er unverändert gültig. Heute wäre so etwas undenkbar …

Der Funbereich neben der Festwiese auf dem Halberg 1996. Zum Vergrößern bitte klicken.
Brooklyn Bounce beim Schülerferienfest 1997 (Foto: Becker&Bredel)
Brooklyn Bounce beim Schülerferienfest 1997.

In den folgenden Jahren stiegen die Zuschauerzahlen des Schülerferienfestes rasant auf zwischen 20.000 und 30.000 Kids. Und auch sonst wurde alles eine Nummer größer. Das Fernsehen berichtete verstärkt über das Festival. Eine überdachte Bühne und mehr Technik mussten her. Neben C. C. Catch und Bad Boys Blue gehörte 1986 auch Dan Harrow („Don't break my heart“), zu den angesagtesten Stars ihrer Zeit. Zu dem Teenie-Schwarm fällt Jürgen Bohr eine seiner Lieblings-Anekdoten ein: Ein Moderator habe vor dessen Auftritt kurzfristig zwei Künstler getauscht, aber vergessen, der Technik Bescheid zu sagen. Als Harrow auf der Bühne stand, wurde das falsche Playback eingespielt. Ein Song, den der Sänger gar nicht kannte. Bohr: „Nach einer Schrecksekunde versuchte Dan die Situation zu retten, indem er sich im Rhythmus des Titels bewegte und dabei den Mund öffnete und schloss.“ Nach 45 Sekunden wurde das Mädchen-Idol schließlich erlöst. Die Panne nahm er mit Humor.

Apropos Anekdoten: „Ich will einmal nach Saarbrücken …“ singen Die Ärzte in ihrem Titel „Madonnas Dickdarm“. Dass diese Textzeile auf dem Live-Konzert der Band am 23. Juli 1987 beim Schülerferienfest basiert, wissen dagegen nur wenige. Farin Urlaub kann sich an diesen Gig noch heute ziemlich genau erinnern: „Es hat tierisch geregnet. Obwohl das Ganze nur Playback war, haben sich die anderen Musiker unter einem Zeltdach verkrümelt. Uns war das egal. Wir haben uns in den Regen gestellt und waren so viel näher an den Leuten. Das haben sie uns damit quittiert, dass sie komplett durchgedreht sind. Weil Bela nicht schnell genug gerannt ist, haben sie ihm auch auf dem Weg zu unserem Kleinbus die Klamotten vom Leib gerissen. Daraufhin haben wir die Stadt einfach mal in den Text eingebaut.“

1987 war übrigens nicht nur die Geburtsstunde dieses „Die Ärzte“-Textes, sondern auch der Newcomer-Show, die Bernd Duszynski immer am Morgen des zweiten Festivaltages moderierte. Dabei wurden in den Folgejahren übrigens Bands aus der Region wie Lancelot und Vanden Plas entdeckt, die später sogar internationale Erfolge feiern konnten. Überhaupt waren es in den Anfangsjahren nicht nur die bekannten Größen, die zum Teil sogar über Jahre hinweg aufgetreten sind. Zu den Dauergästen gehörten so auch Künstler wie Fux („Überdosis Glück“), Bernward Büker („Wilde Abenteuer“), Möller („Zärtliche Gefühle“), Two Of Us („Blue Night Shadow“) und später Charly Lownoise & Mental Theo („Wonderful Days“), die eigentlich nur wenige Hits hatten, aber stets ein Garant für tolle Stimmung waren. „Damals brauchten wir noch keine Mega-Acts, um den Halberg zum Beben zu bringen“, sagt Bohr. Und ich erinnere mich noch gut an Mike Mareen („Love Spy“), der bei seinen Auftritten immer wieder Maxi-Singles in die Menge feuerte.

Schilling, Greis, Helm 1996 (Foto: R. Oettinger)
Pressekonferenz für das Halberg Open Air 1996: Eberhard Schilling, Heike Greis und Roland Helm (v. l.).

Auch Pur, die heute zu den Interpreten mit den meisten verkauften Tonträgern in Deutschland zählen, gehörten ab 1988 lange Zeit zu den Stammgästen: „In den 80ern und 90ern waren wir unzählige Male auf den Schülerferienfest. Das war schon jedes Mal sehr beeindruckend bei dem Star-Aufgebot“, weiß Gitarrist Rudi Buttas noch gut. Seinen ganz persönlichen Höhepunkt hat er dort jedoch 1999 erlebt: „Ich lernte bei dem Open Air Michael Sadler von Saga kennen, einer meiner Helden, der zu der Zeit der Liebe wegen in Saarbrücken lebte.“ Die beiden hätten sich vom ersten Augenblick gemocht – und es sei eine fruchtbare Zusammenarbeit entstanden. Unter anderem gingen sie gemeinsam auf Tour und veröffentlichten eine CD.

Zu den weiteren bekannten Namen der Anfangsjahre, die sich bereits auf der Radiowiese tummelten, gehörten Rio Reiser, Patricia Kaas, O. M. D., Middle Of The Road, Suzie Quatro und sogar Hollywood-Stars wie Al Corley aus dem „Denver Clan“ sowie Lucy aus „Dallas“. Jermaine Stewart, der in den 80er Jahren mit „Get lucky“ einen Hit landete, in England bereits ein Star gewesen wäre und sich auch so gefühlt habe, hat Bohr dagegen in weniger positiver Erinnerung: Als er leicht verspätet auf dem Halberg eingetroffen war, sei er schon enttäuscht gewesen, dass für ihn nicht der rote Teppich ausgerollt worden wäre. „Auch die Umkleidekabine, ein Bürocontainer, entsprach nicht seinen Vorstellungen.“ Sein Manager habe dem SR-Team daraufhin mitgeteilt, dass er so nicht auftrete. Nach kurzer Beratung habe man beschlossen, auf den Künstler zu verzichten. „Eine solche Reaktion hatte er wohl nicht erwartet. Und so ging er zähneknirschend auf die Bühne, machte seine Show und verließ danach grußlos das Gelände“, sagt der Musikexperte schmunzelnd.

Das höchste Honorar habe in den Anfangsjahren 500 Mark betragen, verriet mir Gerd Arend mal in einem Interview und ergänzte: „Viele Künstler sind sogar umsonst aufgetreten“. Heute wäre dies undenkbar, heute übersteigen oft schon die Spesen diesen Betrag bei weitem.

Das Festival war immer wieder ein „Brutkasten für Stars“. Viele Acts standen hier schon vor ihrem großen Durchbruch auf der Bühne: So hatten 1988 Milli Vanilli einen ihrer ersten großen Auftritte. „Dank dem seit über 30 Jahre bestehenden Kontakt zu dem Hit-Produzenten Frank Farian“, so Arend. Kurze Zeit später eroberte das Duo mit dem Hit „Girl you know it’s true“ die internationalen Charts. Dass Milli Vanilli dann 1990 für einen der größten Skandale der Pop-Musik sorgten, weil sie ihre Lieder nicht selbst eingesungen haben, ahnte damals noch niemand …

Lou Bega auf der Bühne des Halberg Open Air 1999. Zum Vergrößern bitte anklicken.

Auch als SR 1-Musikredakteur Jürgen Bohr zu Top-Konditionen Lou Bega gleich für zwei Tage des Halberg Open Air 1999 verpflichtete, konnte keiner wissen, welchen Mega-Hit er mit „Mambo No. 5“ landen würde. Ich traf den zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannten Künstler ein paar Wochen vorher zufällig bei dem ehemaligen Musiksender „Viva“ in Köln und führte mit ihm ganz spontan ein Interview. Als er dann in Saarbrücken auf der Bühne stand, war nicht nur „Mambo No. 5“ weltweit auf Platz eins der Charts, sondern auch seine Gage in die Höhe geschossen. Erst habe er sich geärgert, hier für einen Spottpreis auftreten zu müssen, weiß Bohr noch gut. Doch Bega hielt seinen Vertrag ein und war von der Atmosphäre des Festivals begeistert. Erst kürzlich traf ich ihn bei einer 90er Party wieder zum Interview und er erinnert sich immer noch gut und gerne daran.

Auch Silbermond haben nicht vergessen, dass sie bei dem Festival 2004 einen ihrer ersten großen Auftritte außerhalb ihrer Heimat hatten. Bohr war damals vom Talent der Newcomer so begeistert, dass er auf die Schnelle eine halbe Stunde Platz in dem eigentlich schon vollen Programm geschafft hat. Bis heute arbeiten Silbermond und der SR gut zusammen. Die Band spielte schon ein „SR 1 Unplugged“ Konzert, und die Welle präsentiert regelmäßig ihre Konzerte in der Region.

Bei Tokio Hotel hatte Bohr 2005 wieder einen „guten Riecher. Bevor die Band auf der Bühne gestanden hat, konnten sich die Jungs noch unerkannt unters Publikum mischen. Ein paar Wochen später fegte ihr Hit „Durch den Monsun“ durch die Charts, und ihre weltweite Karriere begann. Wie gut, dass mir Jürgen – wie so oft – auch bei Tokio Hotel den Tipp gegeben hat, doch ein Interview mit ihnen zu führen. Die Band willigte spontan ein und war sehr froh über mein Interesse.

Aus den schüchternen Jungs sind kurze Zeit später gefeierte Stars geworden. Doch trotz aller Erfolge haben sie mich bei späteren Anfragen nie vergessen. Obwohl ihr Terminplan stets proppenvoll war, nahmen sie sich immer Zeit für mich. So erinnerte sich Bill in einem Interview noch genau: „Es kam uns damals alles riesig vor. Und wir waren tierisch nervös. Dort haben wir so ziemlich unsere ersten Autogramme geschrieben und Interviews gegeben.“

Doch zurück ins Jahr 1989, in dem ich meinen ersten „beruflichen Einsatz“ beim Schülerferienfest hatte. Als junger Nachwuchs-Reporter durfte ich einen kleinen Artikel schreiben, den ich damals noch telefonisch an die Redaktion durchgegeben habe. 1990 folgte dann mein erstes Interview mit P. M. Sampson, der mit „I love to love“ einen Hit hatte und dem eine große Karriere vorhergesagt wurde …

Nach Karat im Jahre 1987 stand mit den Puhdys 1989 zudem eine weitere Top-Band der früheren DDR auf der Bühne. Schon vor der Wende durften die Gruppen eigens zu dem Festival ausreisen. Bei der letzteren übernahm übrigens Erich Honecker die Reisekosten – sozusagen als Geschenk an seine Heimat, erinnerte sich Gerd Arend in einem Interview. Nicht vergessen hat er auch, dass 1990 Verona Feldbusch auf dem Halberg aufgetreten ist. Mit ihrer Band Chocolate und „Ritmo de la Noche“ war sie damals in den Charts.

In den 90ern versammelten sich von Culture Beat und Mr. President über Masterboy und Scooter bis hin zu Fun Factory und Captain Jack quasi alle Top-Acts der Eurodance-Ära auf dem Halberg. Zeitweise war fast die komplette Top 20 der Charts mit von der Partie. Auch die Casting-Show- und Teenie-Act-Welle schwappte über die Radiowiese. Von den „Popstars“ Bro’Sis & Co. bis zu Boybands wie Worlds Apart und später Natural und US 5 – alle waren sie da. „Wenn ich an die Schreie der Mädchen denke, dröhnen mir noch heute die Ohren“, sagt Bohr lächelnd.

Natural beim Halberg Open Air 2002 (Foto: Becker&Bredel)
Natural beim Halberg Open Air 2002.

Die Zuschauerzahlen stiegen in den 90ern rasant. Ein neues Bühnendesign und Sicherheits-Konzept wurde realisiert. Und 1996 wurde aus dem Schülerferienfest das Halberg Open Air. Während in den Anfangsjahren SR 1-Moderatoren wie Manfred Sexauer, Wilfried Eckel, Wolfgang Hellman, Bernd Duszynski, Volkmar Lodholz und Dieter Exter gemeinsam durch das Programm führten, übernahm dies nun ein Duo: Heike Greis und Eberhard Schilling. 1998 folgte die erste Kooperation mit dem TV-Musiksender „Viva“, der sein Gesicht Frank Lämmermann auf den Halberg schickte. Mit dem Sendestart übernahm dann 1999 „Unser Ding“ die Moderation.

Nachdem ich als Reporter zehn Jahre hinter den Kulissen des Festivals unterwegs war, durfte ich 1999 auch mal ein bisschen Bühnenluft schnuppern. Inspiriert durch die schnelllebige Eurodance-Ära, in der quasi (fast) jeder mal einen Hit landen konnte, hatten ein Kumpel und eine Freundin die Idee: „Das können wir auch“ und nahmen den Song „Forever in your Dreams auf“. Ein paar Wochen vor dem Open Air spielten wir das Demotape Jürgen Bohr vor – einfach, um ihn nach seiner Meinung zu bitten. Und der fragte uns spontan, ob wir damit nicht auftreten wollten. In Windeseile produzierten wir den Song fertig und suchten Tänzer, die dazu eine Choreographie einstudierten. Und so stand ich plötzlich auch auf der Bühne am Keyboard im Rampenlicht und sammelte – quasi mit Weltstar DJ Bobo als Vorband – eine ganz neue Erfahrung auf dem Halberg.

Auch in den nächsten beiden Jahren war ich in dieser „Doppelmission“ unterwegs. 2001 musste ich direkt nach unserem Auftritt ein Interview mit Sarah Connor führen, die gerade aus der „Harald Schmidt“-Show angereist war und mit „Let’s Get Back to Bed – Boy“ ihren Durchbruch geschafft hatte. Ich entschuldigte mich bei ihr, dass ich normalerweise nicht geschminkt herumlaufe und hinterließ damit bei der Soul-Sängerin wohl einen bleibenden Eindruck. Jedes Mal, wenn wir uns wieder trafen, fragte sie mich schmunzelnd: „Heute nicht geschminkt?“

DJ Ötzi beim Halberg Open Air 2001 (Foto: Becker&Bredel)
Halberg Open Air 2001 mit DJ Ötzi.

Immer wieder haben viele Künstler in Interviews die besondere Atmosphäre des „Halberg Open Airs“ gelobt, das inmitten der grünen Natur gefeiert wurde. In der romantischen Kulisse mit vielen Bäumen, in der sonst Spaziergänger ihre Runden drehen und Vögel zwitschern, wurde ein Mal im Jahr kräftig gerockt. Obwohl er schon 2002 bei dem Festival zu Gast war, betont DJ Ötzi bis heute in fast jedem Interview, wie gut es ihm damals gefallen hat. Der Stimmungs-Macher geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt in Anspielung auf seine Hits: „Das Saarland ist ein Teil meiner Karriere. Das gehört zu mir wie der ,Anton‘ und der ,Stern‘.“ Auch für Jürgen Bohr hat DJ Ötzi einen der für ihn bedeutendsten Auftritte abgeliefert: „Er hat die Leute dazu gebracht, ihre Schuhe in die Luft zu werfen. Der Berg hat gebebt“, blickt er zurück.

Von brütender Hitze bis zu heftigem Regen hat das Festival in seiner langen Geschichte schon sämtliche Wetterextreme miterlebt: Nicht lange nach Beginn der 2000er-Jahre zogen dann jedoch erstmals andere dunkle Wolken über dem Halberg auf. Aufgrund der Sparzwänge war die Zukunft des SR ungewiss. 2005 startete die Traditions-Fete deshalb erstmals mit neuem Konzept: Nach der gewohnten, kostenlosen Party am ersten Tag feierte am zweiten Tag das „SR 1 LegendAir“ seine Premiere. Für Acts wie Reamonn, Laith Al-Deen & Co. wurde dann Eintritt erhoben. Mit dem Erlös sollten beide Tage finanziert werden.

2007 gab es wieder eine Konzeptänderung: Ab sofort spielten alle Bands bei dem Festival live. „Wir wollen keine Playback-Show, sondern ein authentisches Festival mit ehrlichen, gut ausgebildeten Musikern“, erklärte Christian Langhorst, damals Programm-Chef von SR 1 und UnserDing. Internationale Acts wie Sunrise Avenue und The Rasmus sowie nationale Größen wie Bosse und Stefanie Heinzmann rockten den Berg. 2011 trat zudem Milow auf. Er erinnert sich noch gut daran, dass wegen eines gewaltigen Unwetters erstmals der Abbruch des Open-Airs drohte. Dann hatte Petrus doch noch Nachsehen mit den Fans und die Fete konnte weitergehen.

Halberg Open Air 2010 (Foto: Becker&Bredel)
Die Bühne beim Halberg Open Air 2010 ...

Was die Musik angeht, ist das Festival in seiner langen Geschichte immer trendy und am Puls der Jugend geblieben. Zumal die Besucher in den vergangenen Jahren zunehmend jünger wurden. Bei der Künstlersuche setze er traditionell auf die Tipps der Plattenindustrie, aber auch auf moderne Internet-Plattformen wie „YouTube“ und die einschlägigen Casting-Shows, erklärt Jürgen Bohr. Er halte immer Ausschau nach Leuten, die neben einer tollen Stimme auch einen besonderen Charakter haben und ihren Weg gehen werden. Dabei sei aber auch ein bisschen Glück notwendig, ergänzt er. Man müsse ein Risiko eingehen, den Künstler früh einkaufen und hoffen, dass er sich bis zu dem Festival positiv entwickelt.

Von Hip-Hop- und Rap-Acts wie Sido, Gentleman und Genetikk über Stars aus dem Netz wie Die Lochis und Mike Singer bis zu Pop-Künstlern wie Glasperlenspiel, Max Giesinger und Wincent Weiss hat der Programmmacher immer wieder ein „goldenes Händchen“ gehabt. Die „The Voice of Germany“-Coaches „The Boss Hoss“ sind übrigens nicht nur 2014, sondern auch schon zu Beginn ihrer Karriere 2005 auf dem Halberg aufgetreten. Und daran erinnern sich die beiden Frontmänner noch gut. So verriet mir Alec erst kürzlich im Interview, dass damals neben ihnen auch Nu Pagadi dabei waren. Deren Mitglied Pat habe nach dem Ende der „Popstars“-Band viele Jahre für sie als Techniker gearbeitet. Und Sascha fiel ein, dass er 2005 die Moderatorin Jessica Schwarz auf dem Halberg getroffen hat, die für den Musiksender „Viva“ mitmoderiert hat. 2017 habe er mit ihr in dem Film „Hanni und Nanni“ dann „einen kleinen Abstecher in die Schauspielerei gemacht“, sagt er und ergänzt: „Sie war quasi meine Filmfrau. Wie halt manchmal so skurril die Wege gehen. Man trifft sich oft auf phänomenale Weise wieder.“

Fans beim Halberg Open Air 2008 (Foto: Becker&Bredel)
... und die Fans davor.

2017 war aber auch das Schicksalsjahr des Halberg Open Air. Mit einem Zehn-Punkte-Spar-Programm versuchte der SR trotz der zu geringen Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag über die Runden zu kommen. Und SR-Intendant Thomas Kleist musste im Mai schweren Herzens verkünden, dass das Festival am 30. Juni zum letzten Mal steigen wird. Die Betroffenheit im Saarland war groß. Auch für mich als langjährigen Begleiter war es ein Schock. Eigentlich wollte ich in diesem Jahr zum ersten Mal seit 1989 als Berichterstatter ausnahmsweise aussetzen, weil ich zu einer Schiffstaufe nach Mallorca eingeladen worden war. Doch nach der Hiobsbotschaft änderte ich sofort meine Pläne.

Sängerin Lena mit Marko Völke (Foto: Becker&Bredel)
Sängerin Lena mit Fundstück-Autor Marko Völke beim Halberg Open Air 2015.

Bei Philipp Dittberner, dem letzten Act in der langen Geschichte des Open-Air, stand ich dann mit einigen der SR-Verantwortlichen vor der Bühne. Es war ein wirklich sehr emotionaler Moment. Alle waren sehr betrübt. Nach dem offiziellen Programmende saßen wir – wie so viele Jahre zuvor – noch lange im Restaurant Schloss Halberg, dem Backstage-Bereich, zusammen. Mit viel Wehmut redeten wir über die „guten, alten Zeiten“.  

Zwar hatte der Sender schon vor der letzten Ausgabe angekündigt, eine Alternative für das Traditions-Festival zu suchen. Und mehrere Städte hatten auch ihr Interesse bekundet, als Veranstalter zur Verfügung zu stehen. Doch entschieden war noch nichts. Zudem konnte ich mir – wie so viele – damals nicht vorstellen, dass die Traditionsfete zum Schulferienbeginn zukünftig an einem anderen Ort fortgesetzt werden könnte.

Das erste SR Ferien Open Air St.Wendel fand 2018 statt.

Doch dann kam am 22. Juni 2018 der Tag des ersten „SR Ferien Open Air St. Wendel“. Auf der Hinfahrt in die Stadt erinnerte ich mich daran, dass ich Größen wie PUR & Co. bereits live im Bosenbachstadion erlebt hatte. Und vor Ort war mir dann schnell klar, dass hier – mitten im Grünen wie auf dem Halberg – eine neue, würdige Location für die Schülerfete zum Ferienbeginn gefunden war. Mit rund 10.000 Besuchern und Stars wie Joris, Lukas Rieger, Nico Santos und Genetikk wurde die Premiere zum vollen Erfolg – und die Fortsetzung des Festivals in St. Wendel endgültig beschlossen. 2019 kamen sogar 12.500 Fans, um ihre Stars wie Max Giesinger, Bosse und Summer Jem live und kostenlos zu erleben. Wie in den Anfangsjahren die riesen Pop-Party waren unter den Besuchern wieder viele Familien.

Der Wechsel nach St. Wendel brachte auch für mich eine Veränderung mit sich: Seit 2018 bin ich nun offiziell Teil des „SR Ferien Open Air“-Teams und für SR1.de im Einsatz. Auch wenn das Festival wieder mal nicht nur einen neuen Namen, sondern auch einen anderen Veranstaltungsort erhalten hat und das Konzept überarbeitet wurde – die Zukunft des traditionsreichen Open Air scheint gesichert. Also auf die nächsten 40 Jahre!

Der Text von Marko Völke ist als Kooperation mit der SR-Unternehmenskommunikation ähnlich auch im Begleitheft der Fotoausstellung „Goldene Europa, Hallo Twen & SR 1 Unplugged: Der Saarländische Rundfunk als Popkultur-Botschafter“ erschienen. Sie ist Teil des Ausstellungsfestivals „Pictures of Pop – Fotografie in der Popkultur“ (2019/2020).

SR Ferien Open Air St. Wendel 2019 (Foto: Dirk Guldner)
SR Ferien Open Air St. Wendel 2019.

Einige der Top-Acts des Schülerferienfestes im Überblick:
1981: Thomas Ohrner, Ted Herold
1982: Markus, Frl. Menke
1983: Geier Sturzflug, Kiz, Markus
1984: Münchener Freiheit, Steinwolke
1985: Modern Talking, Eros Ramazotti, Die Toten Hosen
1986: Eros Ramazotti, Rio Reiser, Den Harrow, C. C. Catch
1987: Die Ärzte, Bad Boys Blue, Bruce & Bongo
1988: Pur, Milli Vanilli, Camouflage
1989: Patricia Kaas, Wolfgang Petry, Bonnie Bianco
1990: Spider Murphy Gang, Extrabreit, Masterboy
1991: O.M.D., Suzie Quatro, Culture Beat, Blue System
1992: Pur, Dr. Alban, Rodgau Monotones
1993: Fury in the Slaughterhouse, Rattles, Haddaway
1994: Lucilectric, Weather Girls, Fun Factory
1995: La Bouche, E. A. V., Mr. President, Worlds Apart
1996: Blümchen, Extrabreit, Tic Tac Toe
1997: The Boyz, der Wolf, Heath Hunter
1998: Scooter, Nana, Papa Bear, 4 The Cause, Sash!, Gil
1999: DJ Bobo, Echt, Lou Bega, Captain Jack
2000: DJ Ötzi, Reamonn, Band ohne Namen
2001: Sarah Connor, Jeanette, Melanie Thornton, Rednex
2002: Hermes House Band, Natural, Right Said Fred
2003: Patrik Nuo, Jeanette, Ben
2004: Silbermond, Bro’Sis, Overground, Preluders
2005: Tokio Hotel, Christina Stürmer, Laith Al-Deen, Reamonn
2006: Revolverheld, US5, Massive Töne
2007: Nevada Tan, Boundzound, Max Buskohl
2008: Sunrise Avenue, Stanfour, Killerpilze
2009: The Rasmus, Stefanie Heinzmann, Cassandra Steen
2010: Sido, Stanfour, Aura Dione
2011: Milow, Bosse, Frida Gold
2012: Culcha Candela, Jupiter Jones, Roman Lob
2013: Royal Republic, Glasperlenspiel, Gentleman
2014: The BossHoss, Genetikk
2015: Lena, Die Orsons, Ferris MC
2016: Die Lochis, Jamie-Lee, Max Giesinger
2017: Wincent Weiss, Philipp Dittberner, Mike Singer.           
2018: Joris, Lukas Rieger, Nico Santos, Genetikk
2019: Max Giesinger, Bosse, Summer Jem
2020: ???

Fans beim Ferien Open Air St. Wendel 2019 (Foto: Dirk Guldner)

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz; Eva Röder (Gestaltung/Layout); Burkhard Döring (Illustrationen), Sven Müller (Videos)

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja