Igel in einem Blätterhaufen (Foto: dpa)

Igel - Tier des Jahres ist in Not

Bertille van Elslande   10.12.2023 | 12:39 Uhr

Die Deutsche Wildtierstiftung hat den Igel zum Tier des Jahres gekürt. Doch der Igel hat mit vielen Problemen zu kämpfen, vor allem im Winter. In manchen Ländern soll er vom Aussterben bedroht sein - auch im Saarland hat er es schwer.

Pro Jahr sterben schätzungsweise 500.000 Igel auf deutschen Straßen. Aber die stacheligen Winterschläfer müssen noch viel mehr durchmachen: Nicht nur der Klimawandel droht, auch ordnungsliebende Gärtner. In manchen europäischen Ländern, zum Beispiel in Groß-Britannien, ist der Igel vom Aussterben bedroht.

In Deutschland wurde der sogenannte Braunbrustigel jetzt auf die Rote Liste der Säugetiere in der Kategorie "Vorwarnliste" gesetzt. Das bedeutet, dass Igel in Deutschland noch nicht gefährdet sind, es aber wohl bald sein könnten. Viele Igel-Pflegestationen schlagen Alarm - auch im Saarland.

Nicole Nobbe hat vor einigen Jahren eine Igelhilfe in Losheim gegründet. Das Jahr ist noch nicht vorbei und sie hat schon Igel im dreistelligen Bereich aufgenommen. So viele waren es noch nie. Sie erzählt: "Dieses Jahr ist ein ganz ganz großer Anstieg bei den Tieren zu erkennen, die mit tödlichen Innenparasiten infiziert sind, die bis auf die Knochen abgemagert sind und teilweise gar keine Chance haben zu überleben." Nobbe nimmt auch deutlich mehr Igel-Babys auf. Letztes Jahr waren es zehn, dieses Jahr sind es schon 40 Babys. Und das macht deutlich, dass Igel gefährdet sind.

Igel-Babys zu spät im Jahr geboren

Auch die Wildtierauffangstation in Eppelborn bekommt über die Jahre immer mehr Baby-Igel. Sie wiegen um die 300 Gramm. Das sei für einen Igel um diese Jahreszeit noch viel zu wenig. "Die brauchen mindestens 500 Gramm, um den Winterschlaf zu schaffen", erklärt die Leiterin der Wildtierauffangstation Jennifer Knur-Schmidt. "Dass jetzt um Dezember rum, noch Igel mit 300 Gramm gefunden werden, zeigt, dass die Igel viel später noch Junge gekriegt haben. Das ist untypisch."

Laut Knur-Schmidt steht das Phänomen ganz klar in Verbindung mit dem Klimawandel: "Dieses Jahr war es Ende April, Anfang Mai, schon sehr warm. Da hatten wir schon kleine Igelchen. Normalerweise ist die Wurfzeit im Juni. Und da es dann auch sehr lange warm war, haben die Igel mindestens einen zweiten oder sogar einen dritten Wurf gehabt. Normalerweise kriegen sie im Frühsommer ihren ersten Wurf, versorgen den und das war's dann."

Igel fangen an, ihren Stoffwechsel runterzufahren, wenn es tagsüber kontinuierlich unter acht Grad wird. Somit kommen sie in den Winterschlaf. Das passiert meistens im November. "Dieses Jahr fängt es erst jetzt an, also im Dezember," besagt Knur-Schmidt.

"Alles wird weggemäht"

Ihren Winterschlaf machen Igel gerne in Komposthaufen, verrät Miriam Hill. Sie hat die Wildparkakademie in Saarbrücken gegründet. Komposthaufen befinden sich in Gärten: "Igel lieben Gärten", erzählt Hill. Aber nicht alle, sondern "naturbelassene" Gärten, wie Hill sie nennt: "Gärten mit Laubhaufen, Hecken, mit wilden Ecken, und heimischen Pflanzen."

All das sei in "modernen" Gärten nicht mehr zu finden. Hill erklärt: "Es wird alles weggemäht. Der Trend geht zu aufgeräumten Gärten. Und das macht das Leben der Igel ein bisschen schwerer". Früher war der Fuchs der größte Feind vom Igel, jetzt ist es der Rasenmäher. Gegen den Fuchs konnte der Igel seine 5000 bis 7000 Stacheln aufstellen, gegen den Rasenmäher hat er keine Chance.

In den sterilen Gärten kann der Igel sich nicht mehr verstecken oder im Sommer in Ruhe seinen Nachwuchs zur Welt bringen. Auch der Winterschlaf ab November wird zum Problem. Und auch die Nahrung wird seltener. "Gerade die unbeliebten Engerlinge, die Igel gerne fressen, sprich Schmetterling oder Laufkäfer werden aus den Gärten eliminiert, vernichtet, entfernt," sagt Hill.

Schnecken und Regenwürmer übertragen Parasiten

Nicht nur in Gärten, auch generell, fehlt es für Igel an Insekten. Laut Nicole Nobbe gibt es einen starken Insektenrückgang, der bei allen Tierarten, die Insekten fressen, zu spüren ist. Durch diesen Rückgang, sollen Igel anderes fressen, zum Beispiel Schnecken und Regenwürmer. "Die isst der Igel nur in größter Not. Und Schnecken und Regenwürmer sind die Hauptüberträger von Parasiten. Der Igel infiziert sich mit diesen Parasiten, die dann im Endeffekt auch unbehandelt zum Tod führen," erklärt Nobbe.

Was tun, wenn man einen Igel findet?

Sollte man im Dezember noch einen Igel finden, rät Miriam Hill diesen auf jeden Fall zu sichern, also ihn in Obhut zu nehmen. So sollte man vorgehen: "Den Igel in eine Kiste setzen (höher als ein Schuhkarton), dann eine Einwegflasche mit warmen Wasser in die Kiste reinlegen, so dass der Igel auf Temperatur kommt." Rücksprache kann man dann mit der Wildtierauffangstation in Eppelborn halten. Das Tier kann man dort auch direkt hinbringen. Was man noch tun kann, um einen Igel zu retten, gibt es hier zu lesen.

Um Igeln zu helfen, rief die Deutsche Wildtier-Stiftung dazu auf, Gärten naturnah zu gestalten und den Igeln Hecken, Totholz oder Laubhaufen anzubieten. Zahlen zum Igel-Bestand gibt es laut der Stiftung nicht. Es ist schwer einzuschätzen, ob es in Deutschland weniger Igel gibt. Da der Igel nicht als "vom Aussterben bedroht" gilt, werden kaum Daten erfasst.

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Wenn man einen hilflosen oder verletzten Igel findet, dann ist es ganz klar, dass man helfen möchte. Was man in einem solchen Fall tun sollte und wie man im Alltag den stacheligen Gesellen das Leben leichter machen kann.

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