Das Erlebnisbergwerk Parc Tellure (Foto: Jochen Marmit)

Silber, Blei und enge Stollen

Das Erlebnisbergwerk Parc Tellure in den Mittleren Vogesen

  27.07.2015 | 12:10 Uhr

Einsamkeit und Reichtum, Dunkelheit und Glanz – in den Silberminen von Sainte-Marie-aux-Mines haben sich über Jahrhunderte diese Gegensätze vereint. Im Museum Parc Tellure kann man die Geschichte hautnah erleben.

Im Mittelalter zog es vor allem Bergarbeiter aus Sachsen und Böhmen in die Vogesen. Das Val d’Argent – das Silbertal – war dicht besiedelt und europaweit bekannt. Doch der Reichtum war bald erschöpft, im Tal wurde es wieder ruhiger. Heute wird die Geschichte des Tals, seiner Menschen und des Abbaus in einem Erlebnismuseum nachvollziehbar, im Parc Tellure. Hier vereinen sich für Alt und Jung Dunkelheit und Glanz, Abenteuer und Information.

Parc Tellure – Das Museum

Der Neubau des Museumskomplexes Parc Tellure ist üppig geraten: ein großflächiger Bau mit schrägem Glasdach, direkt vor dem Zugang zum „Erbstollen“ errichtet. Insgesamt gibt es drei Teile: das Museum, den Verkaufsladen samt Café und den Stollenzugang mit der Höhlenforscherumkleide.

Das Museum beginnt mit dem Cinéma Panoramique, wo auf acht runden Großbildschirmen die Geschichte des Italieners Vito Contarini erzählt wird. Er ist im 16. Jahrhundert von Venedig nach Sainte-Marie-aux-Mines gekommen und hat Aufzeichnungen hinterlassen, die ein Bild seiner Zeit und des Abbaus wiedergeben. Natürlich ist die Figur erfunden, aber das Silberfieber ist entfacht. Die Multimedia-Schau dauert gerade mal zehn Minuten und entlässt die Besucher dann in die Ausstellung selbst.

Hörfunkbeitrag: Das Erlebnisbergwerk Parc Tellure

Im Museum des Parc Tellure (Foto: Jochen Marmitt)

Eine Zeitreise in 18 Stationen

Nun geht es anhand von 18 Stationen durch das Silbertal des 16. Jahrhunderts. Reiseführer ist Vito Contarini, der im Audioguide auch auf Deutsch erzählt. Nachgebaute Szenen, mal kleine Häuschen, mal nur Tafeln oder Werkzeuge in Vitrinen werden so belebt. Nicht zu lang wird erklärt, nur die wichtigsten Elemente, die damals zum Leben rund um Edelmetallabbau und -weiterverarbeitung gehörten. Alltagsleben, Werkzeuge, soziale Errungenschaften, die wichtige Rolle des juge des mines – des Minenrates – oder auch der Gießereien.

So erfährt der Besucher, dass im 10. Jahrhundert hauptsächlich Schächte von oben nach unten gegraben, später dann lange, waagerechte Gänge in den Berg getrieben wurden: Man schätzt 30 (!) Kilometer, davon sind 11,5 Kilometer erkundet und zugänglich im Silbertal.

Einige der ausgestellten Werkzeuge wurden in den gefluteten Minen gefunden – sie lagen dort über 500 Jahre und sind bestens konserviert. Außerdem werden durch Darstellungen in 3-D auch die Mineralien und Edelsteine besser sichtbar, es gibt ein optisches Theater mit einer 20-minütigen gespielten Dokumentation – auch hier taucht Vito Contarini wieder auf.

Eine Boutique mit Edelsteinen und Fossilien

In der Boutique, die auch so besucht werden kann, gibt es eine schöne Auswahl an Edelsteinen (aus aller Welt), Fossilien, Mineralien, Souvenirs und Fachliteratur zum Thema. Von den im Silbertal dokumentierten 150 Silberarten ist aber keine erhältlich – Silber wird ja hier auch nicht mehr abgebaut. Wer wirklich größere Mengen erwerben möchte (oder einfach nur sehen), dem sei die internationale Edelsteinmesse Mineral & Gem empfohlen – jedes Jahr im Silbertal Ende Juni (www.sainte-marie-mineral.com/deutsch). Im Café kann auch mitgebrachtes Picknick verspeist werden. Besonders schön arrangiert sind die kleinen Ausstellungen im Eingangsbereich links – Grubenlampen aller Art und entlang der Wände Makroaufnahmen von Mineralien und Edelsteinen – faszinierend!

Das Silbertal (Foto: Jochen Marmitt)
Das Silbertal (Jochen Marmitt)

Val d’Argent – Die Geschichte des Silbertals

Neuste Grabungen legen nahe, dass bereits die Römer von den Schätzen unter Tage im Silbertal wussten und erste Stollen im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus angelegt haben. Gesicherte Quellen über den Abbau gibt es aber erst ab dem 10. Jahrhundert. Vor allem die Mönche aus dem nahen Kloster von Échery ließen nach Edelmetallen graben. Danach geriet das Tal wieder lange in Vergessenheit.

Die alten Minen wiederentdeckt hat der Herzog von Lothringen – um 1550 ging es mit neuer Pump- und Abbautechnik noch tiefer in den harten Fels (Gneis).

Den größten Schub erhielt das Tal aber durch den Zuzug von rund 3.000 Bergarbeitern aus Sachsen und Böhmen. Sie waren Fachleute für den Abbau von Edelmetallen unter Tage und die Weiterverarbeitung über Tage. Mit ihren Familien und weiteren Handwerkern, die sich rund um den Abbau ansiedelten, wuchs das Silbertal auf über 30.000 Einwohner an (heute circa 3.500).

Im 16. Jahrhundert gab es über 80 Minen, in denen hauptsächlich Blei, Silber und Kupfer abgebaut wurden. 19 verschiedene Gießereien sind dokumentiert – in ihnen wurde rund um die Uhr gearbeitet. Größter Fund: ein Block von 592 Kilogramm Silber 1530. Doch der Boom hielt nicht lange an.

Nur rund 100 Jahre später waren es die Gold- und Silberminen in Südamerika, die mehr Erträge lieferten. Die Schächte im elsässischen Silbertal leerten sich, gerieten wieder in Vergessenheit. Doch das Tal hatte sich verändert. Nicht nur physisch, auch die Verwaltung beispielsweise war durch die Minenindustrie reformiert worden. Es wurden neue Gesetze erlassen, eine Krankenversorgung und soziale Verbesserungen durchgesetzt. Daneben entstanden weitere Firmen und Geschäftsverbindungen, die aus dem Tal heraus vor allem die edlen Metalle in alle Welt brachten.

Mit dem Dreißigjährigen Krieg begann nach 1635 eine Phase des gelegentlichen Abbaus. Vor allem Kobalt wurde bis ins 18. Jahrhundert mit guten Ergebnissen gewonnen. Um 1740 waren es aber nur noch wenige Dutzend Bergleute, die in den Minen arbeiteten. Kobalt wurde vor allem für Farbstoffe genutzt, auch die vielen Töpferwerkstätten im Elsass und Lothringen wurden damit beliefert.

Einen letzten Versuch der Wiederbelebung gab es nach 1871. Eine deutsche Firma baute eine ganze Fabrik ins Tal, begann einige der alten Minen erneut auszubeuten. Doch die Erträge blieben hinter den Vorstellungen zurück. 1907 schloss die Fabrik wieder. 1930 wurde erneut vor allem Arsen abgebaut, die Grube Gabe Gottes schloss dann im Mai 1940. Seither wird nicht mehr abgebaut im Silbertal, rund 300 Kilometer Stollen und 1.000 Stolleneingänge zeugen aber von einer Vergangenheit, die lebendig und abwechslungsreich war.

Unter Tage in der Erbstollen-Mine

Das Gebäude des Museums wurde direkt vor den Haupteingang zu den Hauptstollen gebaut. Und so liegt der Zugang samt Umkleide und Ausrüstungskammer denn auch direkt dabei. Unser Guide und staatlich ge­prüfter Höhlenforscher (Speleologe) Pascal lässt uns die Höhlenforschermontur anlegen: Gummistiefel, wasserdichte Overalls, Helme, Lampen und ein zusätzliches Arschleder. Dazu gibt es einen Klettersteiggurt samt Sicherungshaken, Seilbahnrolle und Abseiler. Fertig. Wir sind eine Gruppe von zwei Jugendlichen und zwei Erwachsenen. Eine gute Größe, so dass alle auch ausreichend Zeit zum Fragen und Klettern haben.

Wir wandern durch die zunächst noch breiten Gänge in den Fels. Am Boden sind die Vertiefungen noch zu sehen, in Jahrhunderten von kleinen Wägelchen geschliffen, die geschoben wurden und hier das Material heraus transportierten. Zur Sicherung sind einige Stollen abgestützt, hier und da wurde etwas mit Beton verstärkt. Aber dezent. Dann kommen die ersten Abzweigungen und schnell wird klar: Gut, dass wir einen Guide dabei haben, der die Gänge in- und auswendig kennt.

Gänge für kleine Leute (Foto: Jochen Marmitt)
Gänge für kleine Leute (Jochen Marmitt)

Achtung, Kopf einziehen

Nach 300 Metern werden die Gänge enger, oft laufen sie oben spitz zu, sind oval. Während die Jungs noch gut durchschlüpfen, muss ich mich schon ducken, manchmal auch seitlich weitergehen. Pascal erklärt, dass die Menschen im 15. Jahrhundert im Durchschnitt 1,50 Meter groß waren und recht schmal gebaut. Sie konnten durch die Gänge aufrecht und recht zügig laufen.

An manchen Stellen sehen wir in unserer Ausrüstung nicht nur wie Froschmänner aus, sondern bewegen uns auch so – aber dazu gleich. Erst einmal gehen, rutschen, stolpern wir an Löchern vorbei, an Seitengängen, aufsteigenden Querschächten. Hin und wieder gibt es kleinere Knotenpunkte, wo sich zwei oder mehrere Gänge treffen. Meist verliefen hier Silber- oder Kupferadern. Es entstanden Kammern, hier wurde das Material aus den Grabungsgängen weiterverteilt.

Die mittelalterlichen Stollen sind oftmals so geblieben, wie sie vor über 500 Jahren in den Fels gehauen worden sind: rau und eng. Später dienten sie als „Zuwegung“ für tiefer oder höher gelegene Bereiche. Hier und da schimmern Phosphate, Quarzite, Kalkablagerungen, Eisenoxide.

Auf der engen Eisenleiter im Bergwerk (Foto: Jochen Marmitt)
Auf der engen Eisenleiter im Bergwerk (Foto: Jochen Marmitt)

Eine Tour für Schlanke

Unser Guide führt uns in eine etwas größere Halle der Mine. Nach oben führt eine enge Eisenleiter. Zwölf Meter geht es nach oben. Wer durch den Sicherungsring der Leiter nicht durchpasst, der wird auch im weiteren Verlauf der Tour keine Chance haben – sie ist das Nadelöhr der Tour. Denke ich. Natürlich schaut Pascal bereits beim Anprobieren der Overalls, wer zu breit und hoch ist für die Tour. Ich trage bereits den größten Overall, gesteht er mir, und ich passe gerade so durch die Leiter.

Oben angekommen klettern wir über Fels und enge Gänge zu einem Holzkonstrukt, an dem mehrere Seile hängen. Jetzt kommen die zwei Sicherungshaken zum Einsatz. An einem Haupt- und einem Sicherungsseil eingeklickt geht es oberhalb des Abgrunds im Berg weiter zu einem engen Gang auf der linken Seite. Wasser tropft herab, die Seile verhindern einen Absturz nach rechts, gut 30 Meter in die schwarze Tiefe, die wir nur erahnen können.

Kraxeln und Krabbeln statt gemütlich gehen

Vom beschaulichen Gehen ist die Tour ins abenteuerliche Kraxeln und Krabbeln übergegangen. Die Jungs strahlen vor Anstrengung, sie können die Passage nach Anleitung auch alleine weitergehen. Herzklopfen und Muskelkraft vereinen sich. Dann huscht unser Guide wie aus dem Nichts vorbei und führt uns in einen immer enger und tiefer werdenden Gang. Ich liege irgendwann auf dem Bauch und krieche durch feuchten Steinschlamm, dann kann ich nur noch ein Bein krumm machen, zum Abstoßen. Der Gang windet sich mehrfach, die Luft wird immer stickiger, plötzlich ruft fünf Meter vor mir einer der Jungs erstaunt: „Hier geht es nicht mehr weiter ...?!“ Wir hocken uns hin, hintereinander, seitlich. Ein toter Gang. Vor Hunderten von Jahren bis zu diesem Punkt in den Berg getrieben, dann wegen ausbleibenden Edelmetallen aufgegeben.

Die Öllampen der Bergleute (Foto: Jochen Marmitt)
Die Öllampen der Bergleute (Jochen Marmitt)

Wenn plötzlich absolute Dunkelheit herrscht

Pascal hat uns extra hierher geführt. Und erzählt uns über die acht Stunden Arbeit der Männer in solch einem Schacht: alleine, mit einer Ölfunzel als Lampe, mit einem kleinen Felshammer und nicht selten einem Hund – als Begleiter in der Einsamkeit. Wir löschen das Licht: absolute Dunkelheit und absolute Stille. Ganz schnell verschwimmen alle Orientierung-Zeit-Raum-Empfindungen. Die Jungs schaffen es keine 20 Sekunden, dann wird wieder geplappert. Licht an, wir robben zurück und kommen an einen erneuten Engpass, dahinter gähnende Leere. Schwarz.

Per Seilrolle nach unten

Ein Seil führt hinüber – die Seilbahn mit Laufrollen wird eingehängt, und nacheinander verschwinden wir in der Dunkelheit. Gut 20 Meter geht es über das schwarze Loch hinweg zur anderen Seite des Doms. Dort angekommen, wird die Abseilrolle befestigt, und noch einmal geht es knapp 20 Meter nach unten, wie Tom Cruise in Mission Impossible sollen wir uns die Wand runterseilen – ich bin froh, dass mich niemand filmt. Unten angekommen, stehen wir lächelnd nebeneinander und dürfen zu guter Letzt auf dem Arschleder durch einen feuchten, niedrigen Gang nach unten rutschen. Jetzt sind wir auch endgültig dreckig. Dann geht es zu Fuß zurück durch die Gänge zum Ausgang.

800 Meter haben wir in zwei Stunden zurückgelegt, gerne hätte es auch ein wenig länger und mehr sein können. Touren von drei, vier und sechs Stunden können ebenfalls gebucht werden – Vorabmeldung dringend erforderlich! Allein der Preis ist recht zünftig, Spaß gemacht hat es allemal, und selbst mit wenig Französischkenntnissen sollte die Kletterei ab 9 Jahren dazugehören.

Jochen Marmit


Kontakt:

Parc Tellure
Lieu-dit Tellure
F-68160  Sainte-Marie-aux-Mines
Tel.: (00333) 89 49 98 30
www.tellure.fr

Mineral & Gem – Edelsteinmesse im Ort Sainte-Marie-aux-Mines bis Ende Juni.
www.sainte-marie-mineral.com/deutsch

Öffnungszeiten:

31. März – Mitte Nov.: Juli, Aug. täglich 10.00 – 19.00 Uhr, sonst Di. – So., 10.00 – 18.00 Uhr.

Eintritt:

8 € pro Person
Museum und einfache Führung in den Stollen: Erwachsene12 €, Kinder bis 12 Jahre: 9 €

Höhlenexkursionen mit Ausrüstung (vorher telefonisch anmelden!)
1,5 Std/25 €;
2 Std./32 €
4 Std./42 €

Anfahrt:

Von Saarbrücken aus A 4 nach Strasbourg, dann Abfahrt Saverne über Wasserlonne nach Molsheim, dann wieder auf die A 35 Richtung Colmar (alternativ über A 4/A 35 Strasbourg); Autobahnausfahrt Nr. 17 Richtung Saint-Dié, 25 Kilometer bis Sainte- Marie-aux-Mines auf der N 59. Vor (!) dem Tunnel links nach Ste-Marie abfahren, durch den Ort durch, immer Richtung Tellure/Col de Bonhomme circa 6 Kilometer ins Tal hinter dem Ort auf der linken Seite, Parkplatz und Eingang (circa 180 Kilometer, 2 Stunden).

Alternativ führt die An-/Abfahrt über Sarrebourg, Saint-Dié und den Col de Bonhomme (circa 200 Kilometer, 2,5 Stunden).



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