Tour de Kultur 2024: Das Museum der Eisenerzminen in Neufchef

Pferde, die unter Tage lebten

Erstaunliches aus dem Museum der Eisenerzminen in Neufchef

Lisa Huth  

Museumskurator David Merat steht vor mehreren Pferdeboxen. Die Tiere, die dort einst standen, zogen die Karren mit dem abgeklopften Eisenerz. Viele von ihnen sahen nie das Tageslicht. Das war ein hartes Los für Tiere, die nicht selbst über ihr Schicksal entscheiden konnten.

Für arbeitssuchende Männer aus Lothringen, dem Saarland, später Polen, Italien und Marokko war es eine Chance: harte Arbeit, aber auch eine Möglichkeit, die Familie zu ernähren. Les gueules jaunes, die Gelbgesichter, nannte man die Bergleute, die das Erz aus 60 Minen zwischen Luxemburg und Nancy herausholten. Im Unterschied zu den gueules noires, das waren die Bergarbeiter, die die Kohle nach oben brachten.

Wie alles begann - und endete

Eisenerzminen in Neufchef (Foto: Lisa Huth/ SR)

Um 1870 ging es los mit dem industriemäßigen Schürfen von Eisenerz. Bis dahin war das eher eine Familienangelegenheit, so David Merat. Im Winter, wenn nicht viel los war, hackten die meist Bauern das Eisenerz los, an das sie herankamen. Zu dem Zeitpunkt waren es noch Frauen und Kinder, die es auf Rückentragekörben nach draußen brachten.

La Minette Lorraine nannte sich das. Die enthielt nur 35 Prozent Eisenerz und viel Phosphor. Das verminderte die Qualität beim Schmelzen.

Dann kam das so genannte Bessemer-Thomas-Verfahren. Das führte zu einer großen Reinheit. Dennoch: 35 Prozent ist sehr wenig. Auf dem Weltmarkt heute bekommt man einen Eisenerzgehalt von mehr als 50 Prozent. Das ist wohl auch ein Grund, warum in den 1990er Jahren die Eisenminen in Lothringen nach und nach aufgegeben wurden.

Erste Gastarbeiter im 19. Jahrhundert

Ab 1870 aber suchten die Industriellen händeringend nach Arbeitern. Die ersten Gastarbeiter kamen damals aus dem … Saarland! Später wurden Arbeiter aus anderen Ländern in Europa angeworben. Und vor Ort wurde ein ausgeklügeltes System ersonnen, damit sie ja nicht wieder weg gingen: Zuerst durften die Arbeiter ihre Familien nachholen. Dann gab es Sport- und Musikvereine, eine Schänke für den Feierabend. Die wurde natürlich auch von Gewerkschaftern genutzt, die dort nicht selten die Revolution planten.

Rundumangebot für die Bergleute

Alle bekamen einen Garten, es gab Geschäfte, Krankenstationen, Bäckereien, Krippen für die Kinder. Das Ziel war: Die Bergleute und ihre Familien sollten das Dorf überhaupt nicht mehr verlassen müssen. Vielleicht wurde dort auch die klassische Hausfrau geboren: Sie bekam alles geboten, um es dem heimkehrenden Bergmann schön zu machen: damals hochmoderne Küchen mit Ofen, Spüle, massiven Schränken und dem notwendigen Geschirr. Es gab Fortbildungen zum gesunden Essen in den verschiedenen Jahreszeiten und Informationen, wieviel Proteine ein Mensch am Tag zu sich nehmen musste – aus Käse, Fisch, Gemüse, Fleisch oder Eiern.

Die Museumshalle

Ausstellungshalle der Eisenerzminen in Neufchef (Foto: Lisa Huth/ SR)

Das alles, und dazu eine der größten Sammlungen an Grubenlampen, befindet sich in der luftigen Museumshalle, die thematisch unterteilt ist, und spannende Einblicke in den Alltag der Bergleute bietet. Auch Video-Dokumente von ehemaligen Bergleuten.

Das Schaubergwerk

Im Schaubergwerk der Eisenerzminen in Neufchef: Arbeit mit dem Handbohrer (Foto: SR/Lisa Huth)

Direkt neben dem Gebäude führen zwei Eingänge in das Schaubergwerk. Es ist 800 Meter lang und nicht wirklich unter Tage: Die Besucherinnen und Besucher sollen einen Spaziergang durch die Geschichte machen, aber im sicheren Rahmen. Darum ist alles ebenerdig.

Die ersten von handgedrehten Bohrwerkzeuge sind zu sehen, mit denen die Mineurs mühsam das Eisenerz aus dem Berg gelöst hatten. Nach und nach wurde dann immer auf den neuesten Stand der Technik aufgerüstet. Das ging über Schlagbohrer bis hin zu modernen Schaufelbaggern. Das bedeutete viel Staub und Dreck und beim Einsatz von Chemie auch toxischen Dämpfe. Irgendwann sollten die Bergleute zum Schutz Masken tragen. Damals habe es aber noch kein Bewusstsein für die Gefährdung gegeben, sagt David Merat. Darum hätten die meisten Löcher in die Masken gebohrt, um ihre Zigaretten rauchen zu können. Eisenerzbergmann sein war kein gesunder Beruf.

Eine Kantine untertage

Kantine im Schaubergwerk der Eisenerzminen in Neufchef (Foto: Lisa Huth/ SR)

Aber auch unter Tage gab es so etwas wie eine Bergmannskantine. Dort wurde auch der 4. Dezember gefeiert. Am Barbara-Tag hatten alle frei, sie trafen sich aber, um ihrer Schutzheiligen zu gedenken. Außerdem gab es eine Krankenstation und in späteren Zeiten einen eigenen Krankenwagen, wenn es mal Verletzte gab.

Das Engagment eines Ehemaligen

Eisenerzminen in Neufchef (Foto: Lisa Huth/ SR)

All das wäre verloren gegangen, hätte es nicht einen entschlossenen Bergarbeiter gegeben, als die Eisenerzminen nach und nach alle schlossen: Antoine Bach brachte zunächst viele mögliche Helfer zusammen: Es dürfe nicht sein, dass jegliche Erinnerung an eine glorreiche Zeit verloren ging, das Frankreich weltweit auf dem 3. Platz der Eisenproduktion stand.

Antoine Bach schaffte es, 105 Gemeinden zu überzeugen, über 15 Jahre lang pro Einwohner und Jahr einen Franc zu bezahlen. Damit konnte das stattliche Museum gebaut werden, das Schaubergwerk und bis heute kommen viele Schulklassen und Menschen von weither, um in die Geschichte einzutauchen.

Museum und Restaurant

Im Museum gibt es auch ein Restaurant, das der Verein verpachtet hat. Es ist nur mittags geöffnet. Halb Hayange und Neufchef trifft sich hier: Überwiegend ältere Leute, aber auch Rettungsfahrer kommen hierher oder Leute aus Unternehmen: Es gibt nämlich ein komplettes Menü für 15 Euro, und wie die Gäste versichern: Es schmeckt sehr lecker!

Lisa Huth


Auf einen Blick


Kontakt
Musée des Mines de Fer de Neufchef

rue du musée
F-57700 Neufchef
Tel.: (0033 3) 82 85 76 55
E-Mail: museedesmines57@gmail.com
www.musee-minesdeferlorraine.com

Restaurant
Le Relais du Musée
rue du musée
F-57700 Neufchef
Tel.: (0033 3) 82 84 74 37
E-Mail: contact@lerelaisdumusee.com
www.lerelaisdumusee.com
Di. – So.: 10.00 – 16.00 Uhr.

Öffnungszeiten Museum
Di. – So.: 14.00 – 18.00 Uhr.
Führung immer um 15.00 Uhr auf Französisch.
Besichtigung auch gut ohne Führung möglich, das Museum ist selbsterklärend.

Eintritt:
Erwachsene: 10 Euro, ermäßigt: 6 Euro,
Kinder: 5 Euro, kostenlos für Kinder unter 6 Jahren.


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Ein Thema in der "Region am Mittag" am 31.07.2024 auf SR 3 Saarlandwelle

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