Wohin mit dem kranken Kind im Notfall?

Wohin bringe ich mein krankes Kind, wenn der Kinderarzt schon geschlossen hat?

Jana Hiege   08.10.2023 | 10:10 Uhr

Es ist Wochenende oder spät am Abend und das Kind ist krank oder hat sich verletzt. Wie sollten Eltern in diesem Fall reagieren? Wann sollten sie zum Kinder-Notdienst fahren und wann sogar einen Krankenwagen rufen? Der langjährige Kinderarzt Benedikt Brixius und die Kassenärztliche Vereinigung Saarland geben Tipps, worauf Eltern achten sollten.

Gerade beim ersten Kind stellen Eltern sich oft die Frage, wann sollte ich mit meinem kranken Kind zum Notdienst fahren und wann reicht es noch bis zum nächsten Tag, um zum eigenen Kinderarzt zu gehen? Im Saarland gibt es noch eine zusätzliche Möglichkeit, den kinderärztlichen Bereitschaftsdienst. Er kümmert sich außerhalb der Sprechstundenzeiten der Kinderärzte um akute Krankheitsfälle bei Kindern.

Besonderes System im Saarland: Kinderärztliche Bereitschaftspraxis

Bisher gibt es im Saarland drei kinderärztliche Bereitschaftspraxen: Am Marienhaus-Klinikum in Saarlouis, am Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg und in der Marienhausklinik auf dem Kohlhof. Werktags sind sie zwischen 18.00 und 21.00 Uhr und am Wochenende durchgängig von acht Uhr morgens am Samstag bis acht Uhr morgens am Montag erreichbar.

Der Dienst ist auf Bundesebene etwas Besonderes. Viele andere Bundesländer haben keinen Notdienst speziell für Kinder oder wenn, dann nur punktuell. Zum 31. Dezember 2023 muss jedoch der Standort Saarlouis schließen. Das liegt vor allem daran, dass einfach nicht mehr genügend Kinderärzte und das dazugehörige Personal da sind, um alle Standorte aufrecht zu erhalten.



Kinder-Notdienst statt allgemeiner Notdienst

Zwar ist jeder Fall individuell, aber es gibt einige Anzeichen und Symptome, auf die Eltern und andere Aufsichtspersonen achten können. Das erklärt Benedikt Brixius vom Landesvorstand der Kinder- und Jugendärzte im Saarland. Er ist selbst Kinderarzt und betreut zusammen mit Kolleginnen und Kollegen den kinderärztlichen Bereitschaftsdienst im Saarland.

Auch wenn der Weg etwas weiter ist, empfiehlt Benedikt Brixius in der Regel, bei dringenden Fällen mit dem Kind zum Kinder-Notdienst zu fahren statt zum allgemeinen Bereitschaftsdienst. Vor allem in den ersten drei Lebensjahren kann ein Kinderarzt Fälle häufig besser einschätzen als ein Mediziner im allgemeinen Notdienst.

Trotzdem ist auch hier eine gute Betreuung gewährleistet. Allgemeine Bereitschaftsdienste sind vor allem für Menschen, die nicht mobil sind, eine gute erste Anlaufstelle. Wer aber kann, sollte eher den Bereitschaftsdienst für Kinder aufsuchen.

Je jünger das Kind, desto eher zum Notdienst

Fiebert ein Kind beispielsweise außerhalb der Sprechstundenzeiten des Kinderarztes, kommt es unter anderem auf das Alter an. Brixius empfiehlt bei Babys auch schon bei wenigen Symptomen zum Notdienst zu fahren. Vor allem die ersten drei Monate sind hier besonders wichtig, weil das Immunsystem noch nicht so stark ist.

Außerdem spielt es eine Rolle, ob mehrere Symptome gleichzeitig auftreten. Hat ein Kind zum Beispiel nicht nur Fieber und Erkältungssymptome wie Schnupfen und Husten, sollten Eltern nicht warten. Anzeichen sind, dass Säuglinge und Kinder schlecht trinken, apathisch wirken, ungewöhnlich oder angestrengt atmen und sich während des Fiebers ein Ausschlag auf der Haut bildet. Auch Nackensteife und eine unkontrollierbare Erhöhung des Fiebers sollten beachtet werden.

Ähnlich sieht es bei Durchfall oder Erbrechen aus. Wenn das einmal passiert, besteht häufig kein Grund zur Sorge. Jedoch sagt Brixius: „Wenn ein Kind massiven Durchfall hat, es wird immer schlapper und müder, hat dann auch einen trockenen Mund und trockene Schleimhäute, dann ist das auf jeden Fall eine Sache, wo man nicht bis zum nächsten Tag warten sollte.“

Verletzungen, die zum Beispiel das Laufen oder die Bewegung des Kindes einschränken, sind auch ein Fall für den Kinder-Notdienst. Dasselbe gilt zum Beispiel für tiefe Schnittwunden. Bei Verletzungen ist es oft auch sinnvoll, Kinder direkt zu einer chirurgischen Notfallambulanz zu bringen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Saarland empfiehlt das vor allem bei Fällen, die mit großer Wahrscheinlichkeit operiert werden müssen. Außerdem sind diese Notdienste oft mit anderen Geräten ausgestattet, mit denen Verletzungen besser untersucht werden können.

Dann ist es sinnvoll, den Krankenwagen zu rufen

Bei einer akuten Atemnot des Kindes rät Brixius immer dazu, direkt Notarzt und Krankenwagen zu rufen. „Auch den ersten epileptischen Anfall oder einen Fieberkrampf würde ich im Zweifel immer notärztlich abklären lassen“, erklärt Brixius. Hier könne es sich nämlich auch um eine Hirnhautentzündung handeln.

Dabei kommt es auch nicht auf das Alter des Kindes an. Bei Kindern, die oft wegen Fieber krampfen oder deren Epilepsie bekannt ist, wissen Eltern dagegen oft schon, wie sie reagieren müssen.

Haben Kinder zum Beispiel Tabletten oder etwas Giftiges verschluckt, bittet die KV Eltern, am besten zuerst die Vergiftungszentrale anzurufen. Im Saarland ist sie unter 06131 19 24 0 erreichbar.

Wann es reicht, zum Kinderarzt zu gehen

Die Kinder-Bereitschaftspraxen sind nicht als Ausweitung der normalen Kinder-Sprechstunden gedacht. Oft ist es gar nicht nötig, wegen Fieber, Atemwegsinfektionen oder ähnlichem direkt zum kinderärztlichen Bereitschaftsdienst zu fahren.

Wenn Kinder insgesamt recht fit wirken und auch schon älter sind, lässt sich selbst ein Fieber von über 40 Grad oft zu Hause stabilisieren, meint Brixius. Solange sich das Fieber mit fieberhemmenden Mitteln gut senken lässt, das Kind nicht apathisch wirkt, gut trinkt und die Eltern nachts nach dem Kind schauen, würde der Mediziner einen nächstmöglichen Besuch beim eigenen Kinderarzt empfehlen.

Letztendlich liegt die Entscheidung jedoch bei den Eltern. Brixius appelliert hier an die eigene Intuition: „Die Eltern kennen ihre Kinder am besten und wissen eigentlich, ob es ihnen wirklich ganz schlecht geht oder ob sie einfach krank sind.“ Oft ist der Gang zum eigenen Kinderarzt am nächsten Tag oder nach dem Wochenende auch für die Kinder besser. Dort fühlen sie sich wohler und kennen ihren Arzt. Auch andersherum kennt der Arzt Grunderkrankungen oder familiäre Veranlagungen und kann manches besser einschätzen.

Regierung und Kinderärzte arbeiten an Ratgeber

Die Landesregierung wird voraussichtlich noch in diesem Jahr zusammen mit den Kinder- und Jugendärzten im Saarland und dem Infektiologen Arne Simon vom Universitätsklinikum Homburg einen kostenlosen Ratgeber für Eltern herausgeben. Laut Benedikt Brixius sollen darin unter anderem Fragen wie „Wie senke ich Fieber und was mache ich bei einer Halsentzündung?“ beantwortet werden.

Brixius und die KV empfehlen außerdem die „FeverApp“, ein Projekt, das vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte mitentwickelt wurde. In der App gibt es für Eltern Tipps und Hinweise rund um das Thema „Fieber“. Einen Zugangscode bekommt man zum Beispiel über den eigenen Kinderarzt.


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