Ein vor der Haustür liegendes Paket einer Onlinebestellung wird hochgehoben. (Foto: picture alliance / Monkey Business 2/Shotshop | Monkey Business 2)

Social-Media-Hype: Wie gesund sind Fertiggerichte aus dem Internet?

Martina Kind   24.09.2023 | 18:02 Uhr

Nahrung aus der Trinkflasche oder aus der kälteisolierten Box per Mausklick direkt nach Hause liefern lassen – auf den sozialen Netzwerken werden Fertiggerichte in flüssiger oder fester Form gerade als gesunde Mahlzeit für Gestresste angepriesen. Doch wie gesund können Trinkmahlzeiten oder Fertiggerichte überhaupt sein?

Keine Lust oder Zeit zum Kochen? Kein Problem, meinen Hersteller von Trinkmahlzeiten, die beispielsweise "YFood" oder "Huel" heißen und denen vor allem gemein ist, dass sie durch geschicktes Marketing in den sozialen Medien dieser Tage sehr präsent sind. Denn ihr Versprechen passt gut in eine Welt, in der Selbstoptimierung gebetsmühlenartig zum höchsten aller Ziele erklärt wird.

Da heißt es dann zum Beispiel: "Keine Kompromisse mehr in Punkto (sic!) Ernährung – auch wenn's mal schnell gehen muss: Unsere Trinkmahlzeiten schmecken super, sind im Nullkommanichts genießbar und enthalten alle wichtigen Nährstoffe, die dein Körper braucht." Nahrung also nur noch nebenbei in flüssiger Form aufnehmen – bloß keine Zeit durchs Kauen verlieren –, davon aber so satt werden wie von einer ganz normalen Mahlzeit und das Ganze soll dann auch noch gesund sein?

Trinkmahlzeiten laut Expertin "wenig innovativ"

Was der Hersteller selbst als "Smart Food" bezeichnet, nennt die Ernährungswissenschaftlerin Christina Sauer von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) in Saarbrücken "wenig innovativ". "Trinknahrung ist eigentlich ein alter Hut, in der Regel wird sie aber eher im medizinischen Bereich eingesetzt."

Doch auch beim Blick auf die Inhaltsstoffe, fällt Sauers Urteil ernüchternd aus: "Man könnte auch einen handelsüblichen Quark-Drink nehmen, ein wenig Proteinpulver sowie Haferflocken beimischen und Vitamine und Mineralstoffe supplementieren – es käme wohl aufs selbe raus."

Tatsächlich bestehen viele der Produkte größtenteils aus fettarmer Milch und Milcheiweiß. Hinzu kommen dann unter anderem Hafer- und Maisfasern, Reispulver, Sonnenblumen- und Rapsöl, Vitamine, Mineralstoffe und Süßungsmittel. Damit sei "alles drin: Vitamine, Mineralstoffe, Proteine, Ballaststoffe" für eine ausgewogene Mahlzeit – und das in 500 Millilitern und 500 Kilokalorien pro Flasche.

Süßungsmittel nicht besser als Haushaltszucker

Die Verbraucherzentrale des Saarlandes zeigt sich davon wenig beeindruckt: "Die Komplexität natürlicher Lebensmittel lässt sich nicht nachbasteln. Die Trinkmahlzeiten sind hochverarbeitete Lebensmittel, denen die Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe meistens nur künstlich zugesetzt wurden", sagt Theresia Weimar-Ehl, Leiterin des Bereichs Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale.

Auch Süßungsmittel seien keine gesündere Alternative zum klassischen Haushaltszucker. Das sieht auch Sauer so. "Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor künstlichen Süßstoffen wie Saccharin, Sucralose oder Aspartam. Denn sie können auf Dauer zu Veränderungen des Mikrobioms im Darm führen."

Bei den Trinkmahlzeiten auf Milchbasis komme dann noch der in der Milch von Natur aus enthaltene Zucker dazu. So sind allein in einer Flasche von YFood 22,5 Gramm Zucker enthalten – die WHO empfiehlt, höchstens 25 Gramm pro Tag zu sich zu nehmen. "Zum Abnehmen eignen sich solche Trinkmahlzeiten also erst recht nicht, im Gegenteil."

Verpackungsmüll zu einem hohen Preis

Weimar-Ehl von der Verbraucherzentrale des Saarlandes bringt noch einen anderen Aspekt ins Spiel: "Auch im Sinne der Nachhaltigkeit schneiden die Produkte schlecht ab – hoher Energieaufwand für die Herstellung, Verpackungsmüll, Transport, Lagerung etc." Kostengünstig seien sie zudem auch nicht gerade; dass sie bei jungen Menschen überhaupt so gut ankommen, sei wohl allein dem cleveren Marketing der Hersteller geschuldet.

All das hat im Juni dieses Jahres schließlich dazu geführt, dass der Verein Foodwatch dem Trinkmahlzeitenhersteller YFood den Schmähpreis "Goldener Windbeutel" verliehen hat. Es sei gar "absurd, Yfood als vollwertiges Essen zu verkaufen", hieß es dabei in der für das Startup niederschmetternden Bewertung. Und das auch noch "überteuert für 3,99 Euro" pro Portion.

Das Geld sei besser investiert in einen Döner um die Ecke – wenn es tatsächlich mal schnell gehen muss, urteilt Weimar-Ehl. "Sicher auch keine Nahrung für jeden Tag, aber zumindest ist dort frisches Gemüse drauf." Das sei auch besser für den Kauapparat.

Und was ist mit Fertiggerichten aus dem Netz?

Denn wer sich überwiegend von Trinkmahlzeiten ernährt, könne diesem schaden, ergänzt Sauer. "Der Kauapparat muss regelmäßig benutzt werden, um gesund erhalten zu bleiben." Die bissfeste Alternative zu Trinkmahlzeiten aus dem Internet für Gestresste liegt also auf der Hand: Fertiggerichte aus dem Internet.

Anbieter wie "Prepmymeal" oder "Löwenanteil" liefern nach eigenen Angaben "gesunde" Fertiggerichte direkt an die Haustür, "mit ausgewählten, natürlichen Zutaten bester Qualität ohne Zusätze", und für Fitnessbegeisterte wichtig: "mit einem hohen Proteingehalt". Ist dagegen etwas einzuwenden?

Nicht zwingend, sagt Sauer. "Die Zutatenliste liest sich jedenfalls um einiges besser als die einer klassischen Tiefkühlpizza oder der Currywurst aus dem Supermarktkühlfach." Doch auch hier müssen sich die Anbieter die Frage gefallen lassen, wie nachhaltig ihre Produkte tatsächlich sind, wenn jedes einzelne Menü erst in einer kälteisolierten Box in einem Karton verpackt durch die halbe Republik gefahren werden muss, um konsumiert zu werden.

Qualität der Zutaten entscheidend

Ob sogenannte Convenience-Produkte, also Fertiggerichte, gesund oder ungesund sind, kann man nicht pauschal beantworten, ergänzt Weimar-Ehl. "Es kommt immer auf die Qualität der Zutaten an." Ihre Tipps, wie man sich auch mit Fertiggerichten einigermaßen vollwertig ernähren kann:

  • Gerichte mit viel Gemüse kaufen
  • Auf den Fettgehalt achten
  • Mit frischen Zutaten aufpeppen
  • Obst zum Nachtisch

Gleichwohl: Fertiggerichte sollten immer die Ausnahme bleiben. "Es gibt wirklich sinnvollere Alternativen", sagt Sauer. "Wenn man schon weiß, dass einem eine stressige Zeit bevorsteht, dann rate ich zum Meal Prepping, also zum Vorkochen." Dabei bereite man an einem freien Tag Mahlzeiten für den Rest der Woche vor, idealerweise Gerichte, die sich auch einfrieren lassen. "Diese Gerichte sind dann schnell zubereitet und können zum Beispiel durch frisches Gemüse als Rohkost ergänzt werden."

Das habe nur Vorteile – man wisse genau, was man zu sich nehme und schone dabei nicht nur den Geldbeutel, sondern idealerweise auch die Umwelt.


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