Ein Vater sitzt mit seinem Sohn im Arm im Garten (Foto: picture alliance / Westend61 | Vira Simon)

Was Eltern bei einer Trennung im Umgang mit Kindern beachten sollten

Martina Kind   27.08.2023 | 21:01 Uhr

Eine Trennung der Eltern belastet Kinder in der Regel stark. Oft leiden sie an Schuldgefühlen oder Loyalitätskonflikten, vor allem wenn sie in die Konflikte ihrer Eltern hineingezogen werden. Das gilt es in jedem Fall zu vermeiden. Wozu Expertinnen aus dem Saarland beim Umgang mit Trennungskindern außerdem raten.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes gab es im vergangenen Jahr 1905 Scheidungen im Saarland. Über die Hälfte der geschiedenen Ehepaare hatte dabei minderjährige Kinder, insgesamt 1624 waren 2022 von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Eine Trennung bzw. Scheidung ist für alle Beteiligten ein tiefer Einschnitt im Leben – und er kann lebenslange Folgen haben, vor allem für Kinder.

Eltern können in einer solchen Situation sehr vieles falsch machen, sagen die Sozialarbeiterin Theresia Wagner und Psychologin Carmela Walter. Sie beraten Erwachsene, Kinder und Jugendliche bei der Lebensberatung Merzig rund um das Thema Trennung und Scheidung.

Anderen Elternteil nicht vor Kind schlecht reden

Dazu zähle vor allem, die Kinder zu unbewussten Komplizen zu machen, um sie vom anderen Elternteil zu entfremden. "Das führt zu einem massiven Loyalitätskonflikt bei Kindern", sagt Walter. "Und was dabei auch nicht vergessen werden darf: Das Kind ist de facto ein Teil beider Elternteile. Wird eines davon ständig schlecht gemacht, wird das Kind indirekt dazu aufgefordert, auch einen Teil von sich selbst abzulehnen." Das könne großen Schaden verursachen.

Auch der Kontakt zu Familienmitgliedern väterlicher- oder mütterlicherseits dürfe aus Verletzung oder Unmut über den Ex-Partner bzw. die Ex-Partnerin nicht eingeschränkt werden – vor allem die Großeltern spielten für viele Kinder eine große Rolle.

Trennungskinder sollten sich außerdem nie für einen Elternteil entscheiden müssen – etwa bei der Frage, bei wem sie künftig leben wollen. "In der Regel haben Kinder ihre Mama und ihren Papa gleich lieb. Sie dann vor die Wahl zu stellen, ist emotional sehr belastend für sie", so Wagner.

Stattdessen sollten sich Eltern schon vor dem Gespräch mit ihren Kindern Gedanken darüber gemacht haben, wie es weitergehen soll und selbst eine Entscheidung im Wohle des Kindes getroffen haben. Idealerweise haben sie sich dabei professionell beraten lassen.

Stabilität in Eltern-Kind-Beziehung

Selbst wenn das Kind künftig den Großteil seiner Zeit bei einem Elternteil verbringt, sollte das andere Elternteil immer präsent sein dürfen. "Wir empfehlen beispielsweise, gemeinsam mit den Kindern einen Kalender zu gestalten, in den sie eintragen können, wann sie ihren Mama oder ihren Papa wiedersehen", erzählt Walter.

Das sorge für Stabilität in der Eltern-Kind-Beziehung. Nach den Treffen sollten sie dann zu Hause offen davon erzählen dürfen, was sie unternommen haben. Über das andere Elternteil sollten Kinder aber auch unabhängig davon immer ohne Einschränkungen sprechen dürfen, zum Beispiel wenn sie es vermissen und traurig darüber sind.

Generell sei eine offene Kommunikation in jeder Phase der Trennung wichtig. Kinder merkten, wenn ihnen eine heile Welt vorgegaukelt werde, so Walter. "Sie haben sehr feine Antennen", ergänzt Wagner. Die Aufrechterhaltung einer Fassade verunsichere sie eher, als dass sie helfe. Auch Schuldgefühle könnten auf diese Weise entstehen. "Das Kind fragt sich, woran es liegt, wenn die Eltern dann wieder hinter verschlossener Zimmertür streiten und bezieht das auf sich selbst."

Kinder von Schuldgefühlen entlasten

Das können Marion Baltes, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, und Lejila Thull, Sozialarbeiterin, bestätigen. Sie arbeiten im Projekt "KiTS", ein sozialpädagogisches Gruppenangebot für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien in Saarbrücken. Das Projekt will Kindern dabei helfen, ihre Gefühle und Gedanken in Bezug auf die Trennung ihrer Eltern besser wahrzunehmen und auszudrücken.

Schuldgefühle und falsche Verantwortungsübernahme spielten dabei eine sehr große Rolle. Von diesen sollen die Kinder entlastet werden. "Klarheit über die Gründe der neuen Lebenssituation ist wichtig für sie. Sie müssen verstehen, dass sie keinerlei Schuld an der Trennung ihrer Eltern tragen", sagt Baltes. "Es ist besser, den Kindern zu sagen, dass sich Mama und Papa einfach nicht mehr so lieb haben, sich aber nichts daran geändert hat, wie lieb sie ihr gemeinsames Kind haben", ergänzt Wagner.

Sie kann sich noch gut an einen Fall aus den Beratungen erinnern, in dem ein fünfjähriges Kind erzählt habe, es sei wohl Schuld an der Trennung der Eltern – weil es einmal aus Versehen den Computer kaputt gemacht habe und den Vater auf diese Weise verärgert habe. So etwas dürfe nicht vorkommen.

Gruppenangebote hilfreich für Kinder

Walter und Wagner empfehlen Eltern außerdem, Trennungskindern die Möglichkeit zu geben, sich in einem sicheren Rahmen über ihre eigenen Gefühle austauschen zu können. Das könne eine vertraute Bezugsperson sein, noch besser seien aber Selbsthilfegruppen.

"Dort trifft das Kind auf Gleichgesinnte, mit denen es sich solidarisieren kann und besser verstanden fühlt. Dabei können sie sich dann auch mal selbst über die Situation auslassen und ihren Emotionen freien Lauf lassen."

Wechselmodell immer beliebter

Nach den Erfahrungen von Walter und Wagner haben die meisten Kinder die Trennung ihrer Eltern nach zwei bis drei Jahren überwunden und sich mit der neuen Situation abgefunden. Das liege auch daran, dass der gesellschaftliche Umgang mit Scheidungen heute ein anderer sei als zu früheren Zeiten.

"Scheidungen sind nicht mehr so schambelastet wie früher", so Walter. Inzwischen seien die getrennt lebenden Eltern oft auch selbst Trennungskinder und wollten negative Erfahrungen, die sie damals erlebt haben, bei ihren eigenen Kindern unbedingt vermeiden.

Und auch die Rolle von Müttern und Vätern habe sich geändert. So würden Wechselmodelle immer beliebter – dabei lebt das Kind im Wechsel bei einem der getrennten Elternteile, beispielsweise die eine Woche bei seinem Vater, die andere bei seiner Mutter. Es sei demnach längst nicht mehr die Regel, dass das Kind bei seiner Mutter aufwachse und hauptsächlich von ihr erzogen werde.

"Von Seiten der Väter erleben wir im Vergleich zu früher ein größeres Interesse an der Erziehung ihres Kindes und eine tiefe und enge Verbundenheit mit ihnen", erzählt Wagner. Und die gelte es auch im Falle einer Trennung unbedingt aufrechtzuerhalten.


Beratung für Eltern und Trennungskinder

Unter anderem die Lebensberatung Merzig bietet für Erwachsene, Kinder und Jugendliche kostenlose und vertrauliche Beratungen rund um das Thema Trennung und Scheidung an. Weitere Informationen gibt es hier. Zum Angebot der Lebensberatung Saarbrücken geht es hier.

Das sozialpädagogische Gruppenangebot für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien "KiTS" des Kinderschutzbundes Saarbrücken richtet sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 7 und 14 Jahren. In kleineren Gruppen können sie sich dort mit anderen Kindern über ihre Situation austauschen und lernen, mit ihr umzugehen.


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