Eine kleine Katze wird in der Stadt an der Leine ausgeführt. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Eddie Moore)

Mit der Katze "Gassi" gehen – ist das sinnvoll oder Quälerei?

Martina Kind   30.07.2023 | 13:00 Uhr

Katzen an der Leine oder in Rucksäcken sieht man immer öfter, auch im Saarland. Dahinter steht meist der Wunsch der Besitzer, ihre Tiere an der frischen Luft auszuführen, gerade wenn sie sonst in Wohnungen leben. Was macht das mit den Tieren?

Katzenliebhaberinnen und -liebhaber spült der Algorithmus in den sozialen Medien allerlei "Feel-Good"-Inhalte zu ihren Lieblingstieren in den Feed – da sind zum Beispiel Katzen, die sich bei beruflichen Videokonferenzen in den Vordergrund drängen, Katzen, die allen möglichen Unfug anstellen und sich nicht um die Konsequenzen scheren oder solche, die einfach nur süß aussehen.

Dann sieht man aber auch zunehmend Katzen, die sich in einem Rucksack verstaut mit ihrer Halterin oder ihrem Halter auf eine Wanderung begeben oder einen Ausflug an der Leine in unbekannte Gefilde unternehmen.

Video [aktueller bericht, 07.08.2023, Länge: 3:36 Min.]
Mit der Katze "Gassi" gehen – ist das sinnvoll oder Quälerei?

"Der Leinengang mit der Katze ist definitiv ein riesiger Trend, der auch im Saarland angekommen ist", sagt die Tiertherapeutin Katja Henopp aus Wallerfangen, die sich auf Katzen spezialisiert hat. Und hie und da sehe man tatsächlich auch auf saarländischen Gehwegen Katzen aus Rucksäcken hervorlugen.

"Gassi" gehen mit der Katze – wie sinnvoll ist das?

Über die artgerechte Haltung von Katzen wird viel gestritten. Während die einen Kritik an reiner Wohnungshaltung üben, weil sie den Bedürfnissen einer Katze nicht gerecht werde, fordern andere sie sogar ein – in der baden-württembergischen Stadt Walldorf haben Katzen zum Schutz der Haubenlerche, einer vom Aussterben bedrohten Vogelart, aktuell beispielsweise Hausarrest. Kann kontrollierter Freigang mit Geschirr und Leine also die Lösung sein?

Beatrice Speicher-Spengler vom Landesverband des Deutschen Tierschutzbundes hat dazu eine klare Meinung: "Ich halte das für wenig sinnvoll, wenn nicht gar gefährlich. Eine Katze ist kein Hund." Gefahr birgt laut Speicher-Spengler zum einen das Geschirr – ist es zu eng, drückt oder schneidet es in die Haut ein, ist es zu locker, kann sich die Katze problemlos losreißen und weglaufen oder auf einen Baum klettern.

"Eine Katze ist kein Hund"

Katzen hätten zudem ein ganz anderes Bewegungsmuster als Hunde, sie seien sogenannte Hürdenläufer. Das heißt, sie laufen am liebsten von Versteck zu Versteck und beobachten in aller Ruhe ihre Umgebung. Wenn sie dann etwas erspähen, das ihr Interesse weckt, könnten sie von jetzt auf gleich plötzlich losrennen. "Nicht Sie führen also das Tier, sondern das Tier führt Sie", sagt Speicher-Spengler.

Katzenhalterinnen und -halter müssten außerdem bedenken, dass Katzen Fluchttiere seien. Erschrecken sie sich, laufen sie davon. Und an Orten, an denen viel Trubel herrscht, könne sich eine Katze sehr leicht erschrecken. "Gerät eine Katze in Panik, wollen Sie sie nicht an der Leine haben. Es besteht das Risiko, dass sich die Katze verletzt, im schlimmsten Fall gar stranguliert."

Wolle man seiner Katze wirklich einen Gefallen tun, sagt Speicher-Spengler, dann sichere man seinen Garten oder Balkon ausreichend ab und lasse sie in einem geschützten Raum an der frischen Luft schnuppern. "So kann die Katze auch jederzeit selbst entscheiden, ob und wann sie raus will."

Wann der Leinengang doch möglich ist

Katzenpsychologin Katja Henopp sieht es dagegen differenzierter. "Für Katzen, die eine eintönige Wohnungshaltung gewöhnt sind, kann der Leinengang sogar eine echte Bereicherung sein." Henopp spricht bewusst von "Leinengang": "Gassi gehen impliziert für mich, die Katze an die Leine zu nehmen und wie mit einem Hund durch die Straßen zu spazieren. Das macht man mit einer Katze eigentlich nicht." Für sie gehe es darum, der Katze an einem ruhigen Ort die Möglichkeit neuer Sinneseindrücke zu gewähren.

Ob sich die Katze den Leinengang gefallen lasse, komme auf folgende Dinge an: den Charakter der Katze, ihre Sozialisation und das richtige Training. Auch die Rasse dürfte eine Rolle spielen. Schwieriger sei es bei Katzen, die aus dem Tierschutz kommen und traumatische Erfahrungen gemacht haben, bei Katzen, die eher ängstlich sind bzw. sich schnell erschrecken oder solchen, die sich gerne zurückziehen und ihre Ruhe wollen. "Doch auch das ist mit sehr viel Training nicht unmöglich."

Gute Chancen habe man bei Katzen, die gut sozialisiert, stressresistent, selbstbewusst, neugierig und auf ihren Menschen bezogen sind. Dabei sei es aber wichtig, dass die Katze in kleinen Schritten an das Geschirr und die Leine gewöhnt werde. "Ihr das Geschirr einfach überzustreifen und sie aus der Wohnung zu zerren, wird nicht funktionieren", sagt Henopp.

Ans Geschirr langsam gewöhnen

Stattdessen müsse viel mit positiver Verstärkung gearbeitet werden. "Der erste Schritt wäre, die Katze erst einmal am Geschirr schnuppern zu lassen, daraufhin gibt es eine Belohnung." Im zweiten Schritt könne man versuchen, das Geschirr auf den Rücken der Katze zu legen, lasse diese sich das gefallen, bekomme sie wieder eine Leckerli. Und so gehe es Schritt für Schritt weiter. "Alles immer im individuellen Tempo der Katze, bis sie das Geschirr akzeptiert."

Bevor es dann in die Freiheit geht, sollten Halterinnen und Halter die Katze erst in ihrer Wohnung an der Leine führen, damit sie ein Gefühl dafür bekommt, dass es eine Begrenzung gibt und sie sich an der Leine nicht wie gewohnt bewegen kann. Ist das schließlich auch erledigt, kann der erste Ausflug in die Freiheit gewagt werden.

Henopp rät dazu, sich dafür eine wirklich ruhige Gegend auszusuchen, insbesondere Begegnungen mit Hunden sollten in jedem Fall vermieden werden. Ein Spaziergang im Innenhof könnte etwa ein guter Anfang sein, später könnte man es dann auf einer abgelegenen Wiese oder einem Feld probieren.

Nicht an der Leine aus der Tür

Zudem gibt Henopp den Tipp, nicht schon mit der Katze an der Leine aus der Tür herauszugehen. "Wenn ihr der Leinengang gefällt, dann wird sie die Tür immer damit verbinden, was unangenehme Folgen in Form von ständigem Kratzen oder Maunzen an der Tür für Sie haben kann." Sie empfiehlt, die Katze stattdessen zunächst in eine Transportbox oder einen Transportrucksack zu setzen und erst am Ziel angekommen wieder heraus- und an die Leine zu nehmen.

Ob die Katze den Ausflug ins Freie genießt, wird sie ihren Halter bzw. ihre Halterin anhand ihrer Körpersprache wissen lassen. Anzeichen dafür, dass das Gegenteil der Fall ist, sind nach Angaben von Henopp geweitete Pupillen in Kombination mit Anspannung bis hin zur Erstarrung ("Freeze"). "Dann ist klar, was zu tun ist: Ab nach Hause."

Katzen in Rucksäcken = keine gute Idee

Bei Katzen in Rucksäcken sind sich Speicher-Spengler und Henopp allerdings weitgehend einig: Sie sollten in erster Linie als Transportmittel dienen, etwa für den Weg zum Tierarzt. Sie darin mit auf stundenlange Wanderungen zu nehmen, wie beispielsweise in den sozialen Netzwerken oft zu sehen ist, empfindet Speicher-Spengler gar als Tierquälerei.

"Die Katze bekommt mitunter nicht ausreichend Luft, es ist warm im Rucksack, was vor allem im Sommer gefährlich sein kann, und die Katze ist massiv eingeschränkt in ihrer Bewegungs- und Willensfreiheit." Auch dabei könne es also schnell zu Verletzungen kommen, wenn die Katze keine Lust mehr auf den Ausflug hat und sich wehrt oder in Panik gerät.

Eine Frau trägt ihre Katze im Rucksack mit sich. (Foto: IMAGO / Pixsell /Milan Sabic)
Eine Frau trägt ihre Katze im Rucksack mit sich.

Dass es sich Katzen gerne in Kartons und Kisten gemütlich machen, bedeute nicht automatisch, dass sie sich auch in einem engen Rucksack wohlfühle, im Gegenteil. "Wir haben jeden Monat mindestens eine Suchmeldung, weil eine Katze mal wieder aus einer nicht ordnungsgemäß gesicherten Transportbox entwischt und verschwunden ist", sagt Speicher-Spengler. Sie hofft, dass sich dieser Trend nicht noch weiter ausbreitet.


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