Esra Limbacher und Nadine Schön vor dem Bundesparlament (Montage) (Foto: SR)

Wie viele Privilegien für Politiker sind angemessen?

Nelly Thelen   21.02.2022 | 06:30 Uhr

Steuerfreie Aufwandspauschale, Aufwandsentschädigung, Fahrdienst in Berlin: Das und mehr steht allen Bundestagsabgeordneten zu, also auch den beiden saarländischen Nadine Schön (CDU) und Esra Limbacher (SPD). Gleichzeitig tragen sie als Volksvertreterin und -vertreter viel Verantwortung. „Politik für eine Million“ schaut genauer hin.

Es ist Sonntagmorgen, 6.30 Uhr: Esra Limbacher (SPD) steht kurz vor seiner Abfahrt nach Berlin. Er nimmt den einzigen durchgängigen ICE dorthin.

Eigentlich immer, als klimapolitisches Statement, sagt er, aber es sei für ihn aus Homburg auch bequemer als mit dem Flugzeug. Das macht das klimapolitische Statement wohl einfach.

Wie jeder Bundestagsabgeordnete muss Limbacher seine Zugfahrten nicht wirklich planen, er muss keinen Fahrschein kaufen, kann ein- und aussteigen, wann er will. Denn das Abgeordnetenleben bringt auch eine Freifahrkarte der Bahn mit sich.

In Berlin kann Esra Limbacher den Fahrdienst des Bundestages nutzen. Privilegien, die Bundestagsabgeordnete eben haben.

„Also für mich ist ganz wichtig, dass man von Anfang an weiß, dass das nicht selbstverständlich ist und dass alles nur auf Zeit ist und dass man diese Privilegien nicht aus Spaß bekommt, zum Privatvergnügen, sondern um verantwortlich das Mandat auszuüben“, sagt Limbacher und schiebt hinterher: „Genau dafür ist es gedacht und genau dafür will ich es verwenden.“

Eigentlich doch selbstverständlich - oder ist es das für manche nicht? 

Was Abgeordneten zusteht

Jede und jeder Bundestagsabgeordnete erhält eine Amtsausstattung mit Sach- und Geldleistungen, also für Büros im Wahlkreis etwa. Dazu gehört monatlich eine Aufwandspauschale von fast 4600 Euro, die ist steuerfrei.

Und Abgeordnete bekommen eine Aufwandsentschädigung, auch Diät genannt, also quasi das Grundeinkommen der Abgeordneten. Sie liegt im Moment bei etwas über 10.000 Euro im Monat.

Außerdem gibts jährlich 12.000 Euro für Bürobedarf wie Laptops, Mobiltelefone, Briefpapier und so weiter. Dieses Geld wird aber nicht in bar ausgezahlt. Jedem Abgeordneten steht Geld für Mitarbeiter zu. Die Abrechnung läuft über die Bundestagsverwaltung. Dienstreisen, also auch Inlandsflüge, zahlt der Bundestag. 

„Zu Vereinen bringt man was mit“

Nadine Schön (CDU) erhält als stellvertretende Fraktionsvorsitzende außerdem noch eine Funktionszulage der Fraktion. Wie hoch sie in ihrem Fall monatlich ist? Auf eine schriftliche Anfrage dazu hat weder sie noch ihre Fraktion geantwortet.

Aber aus der Bekanntmachung der geprüften Rechnungen der Fraktionen im Deutschen Bundestag für das Jahr 2020 geht hervor, dass die CDU/CSU-Fraktion insgesamt zwei Millionen Euro an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen gezahlt hat.

Nadine Schön zählt auf, was sie von dem ihr zur Verfügung stehenden Geld zahlt: Die Miete der Wohnung in Berlin, das Parkticket am Flughafen, die Miete für ihre Wahlkreisbüros im ganzen Saarland. Außerdem bringt sie etwas mit, wenn sie zu Vereinen geht.

Die Fragen danach scheinen der 38-Jährigen unangenehm. Es hört sich sehr nach Rechtfertigung an, was sie sagt. Aber warum? Immerhin trägt sie auch viel Verantwortung als Volksvertreterin, wie viele Privilegien sind da angemessen?

Sie selbst findet: „Die Diäten sind hoch. Wenn man sie allerdings auf die Stunden runter rechnet - das sagen mir viele, die eine gute Position im Unternehmen haben - würden sie das nicht machen, weil sie sehen, dass der Zeitaufwand sehr hoch ist, dass die Wochenenden voll sind, dass diese permanente Öffentlichkeit eben auch eine gewisse Belastung ist.“

Aber es sei nicht zu bestreiten, dass das eine sehr gute Aufwandsentschädigung sei und Bundestagsabgeordnete sehr, sehr gut verdienten. Nebentätigkeiten sind erlaubt, sie müssen der Bundestagspräsidentin angezeigt werden. Außerdem müssen auch die Einkünfte daraus angezeigt werden, wenn sie mehr als 1000 Euro im Monat oder, falls dies nicht der Fall ist, mehr als 3000 Euro im Jahr betragen.

Statussymbole vs. Work-Life-Balance

Nadine Schön sitzt in den Bürogebäuden, die zum Bundestag gehören, im fünften Stock mit direktem Blick auf die Spree. Ihr Büro hat einen Balkon und ist größer als das anderer Abgeordneter – weil sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist.

Der Bundestag, die Bundestagsfraktionen funktionieren noch nach den alten Statussymbolen. Wer lange dort ist, bekommt ein Sofa mit Lederüberzug statt aus Stoff, wer eine Funktion hat, mit Glück ein Büro mit Balkon oder eben nur mehr Quadratmetern.

Wie aufgehoben fühlt sich dort die Generation Z, der man zuschreibt, eine ausgewogene Work-Life-Balance zu bevorzugen? Die jedenfalls gebe es im Abgeordnetenleben nicht, sagt Nadine Schön. 


Die Serie

Die Serie "Politik für eine Million" ist eine Langzeitbeobachtung - wir begleiten die beiden saarländischen Bundestagsabgeordneten Nadine Schön (38 Jahre alt) und Esra Limbacher (32 Jahre alt) durch die neue Legislaturperiode.

In dieser Legislatur werden sie Gesetze mit verabschieden oder kritisieren. Parteivorsitzende werden gehen und kommen, Ministerinnen und Minister ernannt, die beiden Politiker werden einen neuen Kanzler mit wählen, durch Höhen und Tiefen ihrer Parteien gehen, Kompromisse werden geschlossen - als Abgeordnete werden sie Erwartungen erfüllen oder enttäuschen.

Dabei wird Nelly Thelen sie zwischendurch treffen und begleiten, in Berlin und im Saarland. Was können sie im Bundestag fürs Saarland erreichen, wo wirklich mit gestalten, was erleben sie und wie erleben sie die aktuellen Zeiten, die Politik. Schön und Limbacher machen Politik für eine Million - fürs kleine Saarland sind sie in Berlin. 

Die erste Folge:

Schön und Limbacher fürs Saarland in Berlin
Video [SR Fernsehen, (c) SR, 07.11.2021, Länge: 13:34 Min.]
Schön und Limbacher fürs Saarland in Berlin

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