Schüler mit und ohne Rollstuhl in der Förderschule. (Foto: picture alliance / dpa | Fredrik von Erichsen)

Eltern kämpfen für Nachmittagsbetreuung an Förderschulen

Christine Alt, Onlinefassung: Tabea Prünte   31.05.2024 | 20:53 Uhr

Vollzeit arbeiten gehen und das Kind auch nachmittags gut betreut wissen - für viele Eltern von Kindern an Förderschulen ist das so derzeit kaum möglich. Sie fordern deshalb ein ausgeweitetes Betreuungsangebot. Die CDU schlägt dafür eine Gesetzesänderung vor, die SPD will auf ein anderes Modell setzen.

Wer Kinder hat und berufstätig ist, kennt den täglichen Spagat zwischen Job und Familie. Ganztagsschulen und damit das Angebot der Nachmittagsbetreuung sollten dafür sorgen, dass für Eltern beides besser miteinander vereinbar ist. Bald gilt sogar der Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung für alle Grundschulkinder im Saarland.

Video [aktueller bericht, 31.05.2024, Länge: 4:57 Min.]
Streit um Nachmittagsbetreuung an Förderschulen im Saarland

Eine Gruppe bleibt dabei aber außen vor: Schülerinnen und Schüler an Förderschulen. Das betrifft immerhin 1400 Kinder an landesweit 15 Förderschulen.

Direkte Auswirkungen für Eltern

Konkret heißt das zum Beispiel für die Homburger Förderschule am Webersberg: An zwei Tagen die Woche ist schon mittags um 12.45 Uhr Schulschluss, an den anderen Tagen um 14.45 Uhr. Zu den üblichen Zeiten, also auch nachmittags, arbeiten zu gehen, ist für viele Eltern - vor allem für Alleinerziehende - kaum möglich. Denn eine Nachmittagsbetreuung gibt es nicht, auch keine Ferienbetreuung.

Für Britta Janßen, die als selbstständige Gutachterin arbeitet, hat das als Mutter eines neunjährigen Sohnes ganz direkte Auswirkungen: „Das hat den Nachteil, dass ich in den Ferien nicht arbeiten gehen kann, das heißt in 14 Wochen des Jahres verdiene ich kein Geld – das ist fast ein Vierteljahr. Hinzu kommen noch die anderen Tage, an denen geschlossen ist, die Feiertage", sagt sie. "Finanziell sind das erhebliche Einschränkungen, die damit einhergehen."

CDU fordert Gesetzesänderung

Einige Eltern kämpfen daher seit zwei Jahren an der Homburger Förderschule für ein Betreuungsangebot, das an Regelschulen schon lange Standard ist. Dass es an Förderschulen noch anders aussieht, liegt daran, dass ihnen im Saarland laut Schulordnungsgesetz eine Sonderstellung zugeschrieben wird – sie sind dadurch keine Ganztagsschulen wie alle anderen.

Die CDU-Landtagsfraktion hat den Frust der Eltern kürzlich aufgenommen und einen Entwurf zur Änderung dieses Gesetzes eingebracht. Sie schlägt darin das an Regelschulen verbreitete Modell der Freiwilligen Ganztagsschule vor.

Für den CDU-Abgeordneten Frank Wagner sei die Betreuungsfrage ein „emotionales und wichtiges Thema“. Er forderte daher die Landesregierung im Landtag auf, dem Ganzen eine Chance zu geben und im Ausschuss über das Gesetz zu beraten.

Auch Kritik am Modell der Freiwilligen Ganztagsschule

Diese arbeite jedoch bereits an einer anderen Lösung, sagte Sascha Haas (SPD) im Landtag. Das Problem sei nicht so einfach zu lösen, wie von der CDU dargestellt, so Haas. Im Landtag wurde der Gesetzentwurf somit mit SPD-Mehrheit abgelehnt.

Für die CDU ist das Thema damit aber noch nicht vom Tisch: „Natürlich braucht man dort besonderes Personal, das ist uns bewusst“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der CDU, Jutta Schmitt-Lang. „Hier geht es erstmal darum, überhaupt die Möglichkeit zu schaffen und es so zu erleichtern, diese Dinge auf den Weg zu bringen.“

An dem von der CDU favorisierten Modell der Freiwilligen Ganztagsschule gibt es aber auch Kritik: Dann würde die Qualität der Betreuung leiden. Auf SR-Anfrage teilt das Bildungsministerium schriftlich mit: Eine Gesetzesänderung sei nicht nötig. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gelte auch so für alle.

SPD will Hortmodell erproben

Demnach strebe das Land ein flächendeckendes Nachmittagsangebot für alle an, die Bedarf haben. „Schülerinnen und Schüler an Förderschulen und ihre Erziehungsberechtigten haben den gleichen Anspruch auf eine ihren Bedürfnissen angepasste Betreuung wie Schülerinnen und Schüler an den Regelschulen“, heißt es dazu aus dem Ministerium.

"Wir sind im Moment schon dabei in einem Hortmodell zu erproben, wie solche Nachmittagsbetreuungen möglich sind“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Martina Holzner. Dafür sei keine Gesetzesänderung notwendig, sondern ein Modell, das gut funktioniert und mit allen Kostenträgern gut abgesprochen sei. „Ich hoffe, dass wir zum übernächsten Schuljahr dann auch eine Lösung für alle Schulen haben."

Eltern fordern Verlässlichkeit

Doch bislang hat das Land solche Hortbetreuungen erst an zwei Förderschulen aufgebaut. Britta Janßen, die als Elternteil von einem Schüler der Förderschule davon profitieren würde, ist daher skeptisch: „Wir brauchen Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit. Es ist schön, dass die SPD bekundet, dass sie daran arbeitet. Aber es geht einfach viel zu langsam und wir haben davon noch nicht profitieren können.“

Immerhin hat die Schulleitung an der Förderschule in Homburg inzwischen einen Hortträger gefunden und es gibt Hoffnung, dass die Nachmittags- und Ferienbetreuung hier jetzt aufgebaut wird. Ob das aber auch bald an den anderen 14 Förderschulen passiert, daran haben die Eltern ihre Zweifel.

Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht im SR Fernsehen am 31.05.2024 berichtet.


Mehr zum Thema Förderschulen im Saarland:

Nachfrage steigt trotz Inklusionsgesetz
Saar-Förderschulen trotz Inklusionsgesetz gefragter als zuvor
Seit zehn Jahren haben Eltern die Wahl, ob sie ihr Kind auf eine Regel- oder eine Förderschule schicken. Seither ist die Nachfrage nach einem Förderschulplatz aber nicht etwa gesunken, sondern sogar gestiegen. Das liegt auch daran, dass Inklusion an den Schulen im Saarland bislang nur wenig umgesetzt wird, kritisiert der Verein Miteinander Leben Lernen.

Podiumsdiskussion mit Bildungsministerin Streichert-Clivot
Grund- und Förderschulen: Saar-Schulleitungen am Limit
Schulleiterinnen und Schulleiter von Grund- und Förderschulen im Saarland klagen über eine immer höhere Arbeitsbelastung. Sie fühlen sich vom Ministerium im Stich gelassen und wendeten sich bei einer Diskussionsveranstaltung in Saarbrücken direkt an Ministerin Streichert-Clivot. Sie zeigte Verständnis, verwies aber auf die sehr begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Landes.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja