Arbeitskammer unzufrieden mit Arbeitszeiterfassung im Saarland

Arbeitskammer unzufrieden mit Arbeitszeiterfassung im Saarland

Kai Forst   02.06.2025 | 08:00 Uhr

Vor knapp drei Jahren fällte das Bundesarbeitsgericht ein Grundsatzurteil zur Arbeitszeiterfassung. Unternehmen müssen seitdem die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten penibel dokumentieren. Laut Arbeitskammer wird die Arbeitszeit aber nur bei drei Vierteln der Beschäftigten im Saarland erfasst.

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – sie gilt in Deutschland spätestens seit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im September 2022. Damals fällte das BAG ein Grundsatzurteil und bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019. Schon damals hatte dieser im sogenannten Stechuhr-Urteil die Mitgliedsstaaten in die Pflicht genommen, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen.

Doch wird diese Pflicht eigentlich auch umgesetzt? Aus Sicht der Arbeitskammer wird die Arbeitszeiterfassung im Saarland derzeit nicht zufriedenstellend durchgeführt.

Arbeitszeit wird bei 20 Prozent der Beschäftigten nicht erfasst

„Die tägliche Arbeitszeit wird nur bei drei Vierteln der saarländischen Beschäftigten erfasst“, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas Otto dem SR. Heißt auch: Bei vielen Betrieben wird die Arbeitszeit nicht erfasst - laut Arbeitskammer bei knapp 20 Prozent. Die Arbeitskammer beruft sich dabei auf eine Beschäftigtenbefragung aus dem vergangenen Jahr. Einige Betriebe machten keine Angaben.

Bei Frauen sei der Anteil sogar noch etwas niedriger ausgeprägt. „Grund hierfür ist, dass sie häufiger in Teilzeit mit weniger als 20 Wochenstunden arbeiten, und in dieser Gruppe die Arbeitszeit nur bei weniger als zwei Dritteln der Beschäftigten erfasst wird“, so Otto.

Arbeitskammer unzufrieden mit Arbeitszeiterfassung im Saarland
Audio [SR.de, (c) SR, 02.06.2025, Länge: 01:14 Min.]
Arbeitskammer unzufrieden mit Arbeitszeiterfassung im Saarland

Fehlendes Gesetz, fehlende Kontrollen

Der Grund für das Zögern liegt aus Sicht der Arbeitskammer zum einen in dem noch fehlenden Gesetz. Der frühere Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zwar einen Gesetzentwurf ausarbeiten lassen. Doch zur Verabschiedung des Gesetzes kam es nie.

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist die „Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten“ vermerkt. Für kleine und mittlere Unternehmen solle eine entsprechende Übergangsregel gelten. Wann genau das Gesetz allerdings kommt, ist noch unklar.

Ein weiter Grund, warum die verpflichtende Arbeitszeiterfassung im Saarland derzeit nur zögerlich angegangen wird, sind laut Arbeitskammer fehlende Kontrollen. „Aufgrund nicht hinreichender Personalausstattung werden vom Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz nicht ausreichend Kontrollen zu Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz durchgeführt“, so Arbeitskammergeschäftsführer Otto. „Der Druck auf die Betriebe, Arbeitszeiterfassungssysteme für die Beschäftigten einzuführen, ist also praktisch nicht gegeben.“

Dazu komme, dass von Arbeitgeberverbänden die Arbeitszeiterfassung oftmals als bürokratischer Aufwand kritisiert werde, „statt sie als sinnvolle Maßnahme und Voraussetzung zur Arbeitszeitgestaltung zu verstehen.“

IHK befürchtet mehr Bürokratie

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) im Saarland betonte auf SR-Anfrage, dass man es zwar begrüße, dass die neue Bundesregierung das alte Arbeitszeitgesetz mit Blick auf die Regelung der Höchstarbeitszeiten wieder aufgreifen wolle. „Gleichzeitig plädieren wir dafür, den Unternehmen nicht weitere Verpflichtungen aufzuerlegen, die neben mehr Bürokratie in den Betrieben auch zu finanziellen Mehrbelastungen führen“. Die IHK bezieht sich damit auf die Einführung elektronischer Zeiterfassungssysteme, die dann verpflichtend sein werden.

Damit sich die Betriebe darauf vorbereiten können, soll es nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Übergangsfrist von einem Jahr geben. In dieser Übergangsfrist soll noch eine Zeiterfassung „in Papierform“ ausreichen. Je nach Größe des Betriebes sollen auch längere Übergangsfristen vorgesehen werden: bei weniger als 250 Mitarbeitenden soll eine Übergangsfrist von zwei Jahren, bei weniger als 50 Mitarbeitenden von fünf Jahren eingeräumt werden.

Die Handwerkskammer des Saarlandes erklärte auf Anfrage, dass der aktuelle Gesetzentwurf eine gänzliche Ausnahmeregelung für Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten vorsehe. „Da ein Großteil unserer Mitgliedsbetriebe in diese Kategorie fällt, sind viele von ihnen nicht unmittelbar betroffen. Zudem können über Tarifverträge zusätzliche Ausnahmen geregelt werden“.

Über dieses Thema hat auch die SR info-Rundschau am 02.06.2025 berichtet

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02.06.2025, 14:45 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Beitrages hieß es, dass die Arbeitszeit bei 25 Prozent der Beschäftigten nicht erfasst wird. Tatsächlich sind es eher knapp 20 Prozent. Einige Betriebe haben bei der Arbeitskammerbefragung keine Angaben gemacht.

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