Smartphone, Handy, Sucht, Smartphonesucht (Foto: Imago/Future Image)

Wenn das Smartphone den Alltag bestimmt

Anne Schubert   09.02.2017 | 06:30 Uhr

Etwa ein bis drei Prozent der Smartphone-Nutzer in Deutschland zeigen eine suchtartige Nutzung. Das Gerät ist wie ein neuer Körperteil, von dem man sich nicht trennt. Doch auch für andere ist es kaum noch aus ihrem Alltag wegzudenken. Wann wird aus einer regelmäßigen Nutzung eine Sucht?

Chatten, E-Mails abrufen, Fotos machen, surfen oder ein Spiel spielen: Mit dem Smartphone ist so einiges möglich und es übernimmt immer mehr einen großen Anteil von alltäglichen Aufgaben. Dass das Smartphone immer dabei ist, ist für die Meisten ganz normal. Doch wann ist es das nicht mehr? So wie Glücksspielautomaten oder Alkohol, kann auch die Smartphone-Nutzung nach Meinungen von Experten manche Menschen abhängig machen. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene seien gefährdet.

Ab wann ist es zu viel?

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Christian Montag hat Daten erhoben, wie oft ein Nutzer am Tag sein Smartphone aktiviert.

Nach einer Studie von Christian Montag, Professor am Institut für Psychologie an der Universität Ulm, aktivierten Studienteilnehmer im Durchschnitt 80 Mal täglich ihr Smartphone. Tagsüber durchschnittlich alle zwölf Minuten. Doch ist man gleich abhängig, nur weil man häufig auf sein Smartphone schaut? "Nein", sagt Montag. "Die Stundenzahl an sich ist auch nicht das Entscheidende. Für eine suchtartige Nutzung muss ein Cluster mehrerer Symptome zusammenkommen, das über einen längeren Zeitraum zu beobachten ist." Dazu zähle unter anderem, dass sich der Nutzer ständig gedanklich mit dem Smartphone beschäftige oder Entzugserscheinungen bekomme, wenn das Gerät nicht zur Stelle ist.

Keine anerkannte Suchterkrankung

Auch wenn einzelne Nutzer ein suchtartiges Verhalten im Umgang mit ihrem Smartphone zeigen, so muss mit dem Begriff "Sucht" im Zusammenhang mit Smartphones vorsichtig umgegangen werden. In Deutschland ist die Smartphone-Abhängigkeit als Suchterkrankung nicht offiziell anerkannt. Wissenschaftlich korrekt ist die Bezeichnung "problematischer Medienkonsum".

"Man muss sauber unterscheiden zwischen intensiver, nicht vollständig kontrollierter Smartphone-Nutzung und behandlungsbedürftiger, suchtartiger Nutzung", betont Leonard Reinecke, Juniorprofessor für Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Es gebe viele Formen von intensiver Smartphone-Nutzung, die in der Öffentlichkeit als suchtartig beschrieben werde. De facto seien sie es unter einer wissenschaftlichen oder medizinischen Sicht aber nicht. Der Anteil der Nutzer, die eine suchtartige Smartphonenutzung zeigten, liege in Deutschland bei ein bis drei Prozent.

Politik und Gesellschaft sind gefordert

Um Smartphonesucht entgegenzuwirken, fordert Markus Appel, Professor für Medienpsychologie an der Universität Koblenz-Landau, die Politik auf, Konzepte zu entwickeln, wie die Vermittlung von Medienkompetenz sich im Unterricht umsetzen lässt. "Bisher hinken wir in pädagogischen Konzepten hinterher. Lehrer, Schüler und Eltern wissen nicht, welche Normen sie eventuell beachten müssen", sagt Appel. Deswegen seien wir auch als Gemeinschaft gefordert, gemeinsam Normen zur Smartphone-Nutzung zu entwickeln.

Zurück zur klassischen Armbanduhr

Um die den Smartphone-Konsum zu reduzieren, gibt es viele Möglichkeiten. Montag empfiehlt, Smartphones aus dem Schlafzimmer zu verbannen. "Oft wird das Smartphone als Wecker benutzt. So besteht die Gefahr, dass man sowohl am Abend als auch in der Früh an dem Gerät kleben bleibt", sagt der Professor. Zudem sollten im Alltag wieder klassische Armbanduhren getragen werden. Studien haben gezeigt, dass Menschen ohne Armbanduhr mehr Zeit am Smartphone verbringen.

Als weiteren Tipp nennt Montag, sich im Freundeskreis gegenseitig zu erziehen. So könnte man zum Beispiel die Regel aufstellen, wer bei einem Treffen das Handy rausnimmt, muss die nächste Runde bezahlen. Zudem sollten Eltern nicht zu früh ihren Kindern ein Smartphone geben, denn je früher die Kinder damit in Kontakt kämen, desto schlimmer könnten die Konsequenzen sein.

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