Hasskriminalität gegenüber queeren Menschen – ein Problem im Saarland?

Hasskriminalität gegenüber queeren Menschen – ein Problem im Saarland?

Denise Friemann   28.08.2023 | 10:46 Uhr

Verbale oder körperliche Angriffe gehören immer noch zum Alltag lesbischer, schwuler, bisexueller und transgeschlechtlicher Menschen. In Deutschland wurden vergangenes Jahr mindestens 1400 queere Menschen angegriffen. Wie sieht es im Saarland aus? Und was wird gegen queerfeindliche Gewalt getan?

Das Foto auf Joshua Kuhns Instagram-Profil zeigt sein Auge – blau und grün unterlaufen in Großaufnahme. Es sind die Rückstände vom Christopher Street Day, kurz CSD. Ein Tag, an dem Menschen für die Rechte von Schwulen, Lesben, Transsexuellen und Transgendern, Inter- und Bisexuellen, kurz LGBTQ, auf die Straße gehen und ihre "Queerness" feiern. Queer ist ein Sammelbegriff für sämtliche sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten.

Kuhn betreibt den „einraum 2.0“, eine queere Bar in Saarbrücken. Am CSD-Samstag im Juni dieses Jahres wollte er aus seinem Lokal noch etwas für den Stand auf dem Umzug holen: „Ich stand mit dem Rücken zur Straße und wollte die Tür aufschließen. Dann wurde ich mit dem Kopf gegen die Tür von meinem Lokal geknallt“, erzählt er im SR-Interview. Ein paar Tage später bringt er den Vorfall zur Anzeige, bisher ohne Erfolg.

Dunkelziffer der Angriffe wahrscheinlich sehr hoch

So wie ihm geht es vielen Menschen aus der LGBTQ-Community im Saarland, auch wenn die offiziellen Zahlen etwas anderes sagen. Sieben Angriffe gegenüber queeren Personen gab es laut saarländischem Innenministerium in 2022, im Jahr davor waren es acht.

Vergleichsweise wenig zu den 1400 Angriffen, die das Bundesinnenministerium als deutschlandweite Zahl meldet. Aber das sind nur die Vorfälle, die tatsächlich zur Anzeige gebracht werden. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sehr viel höher – Kuhn schätzt sie auf mehr als doppelt so hoch: „Letztes Wochenende waren es zwei Übergriffe. Am CSD war es mindestens ein körperlicher Angriff und dann noch acht, neun, zehn, elf weitere Angriffe. Das sind ja im Zeitraum von Juni bis jetzt schon mehr als die, die in der Statistik auftauchen.“

Die Menschen, die in seine Bar kommen, würden ihm davon erzählen, es gehöre zu ihrem Alltag dazu. „Vielleicht nicht unbedingt körperliche Angriffe, aber Beleidigungen. Es wurde mit Tomaten geworfen und geschubst. Es sind also ganz viele verschiedene Arten der Hasskriminalität.“

Laut Innenministerium kein Kriminalschwerpunkt

Wegen der geringen offiziellen Fallzahlen im Saarland sieht das Innenministerium queerfeindliche Übergriffe nicht als Kriminalschwerpunkt. Dass die Fallzahlen so gering sind, liegt laut Kuhn aber auch daran, dass sich viele queere Menschen nicht zur Polizei trauen.

„Man weiß ja auch nicht, wer einem da im Zweifelsfall gegenüber sitzt und ob der oder diejenige sich mit dem Thema auskennt. Und natürlich ist da auch immer ein gewisses Schamgefühl dabei. Gerade Transgender-Personen müssen sich oft erklären.“

Anlaufstelle für queere Menschen bei Polizei geplant

Genau da will das saarländische Innenministerium gemeinsam mit der Polizei jetzt gegensteuern. Im Rahmen der Potenzialanalyse der Polizei werde gerade geprüft, ob eine Stelle für eine Ansprechperson, die sich speziell um queere Menschen kümmert, geschaffen werden kann, heißt es auf SR-Anfrage.

Außerdem sollen die Einsatzkräfte geschult und für diesen Bereich sensibilisiert werden. Solche Ansprechpersonen gibt es in anderen Bundesländern bereits.

Kuhn hält auch die Möglichkeit der Online-Anzeige für eine Alternative: „Dort kannst du online ein Formular ausfüllen und den Vorfall schildern. Und dann meldet sich danach jemand von der Polizei bei dir.“ Die Möglichkeit, online Anzeige zu erstatten, gibt es bei der saarländischen Polizei bereits.

Allerdings wissen laut Kuhn nur wenige davon: „Ich habe selbst erst durch meinen Vorfall davon erfahren und in meiner Community kannte das auch keiner.“ Wenn mehr Werbung für solche Möglichkeiten gemacht würde, so Kuhn, dann würde sich seine Community auch sicherer fühlen.

Denn „Hasskriminalität gehört für uns leider immer noch zum Alltag dazu, ist in den letzten Jahren sogar noch mehr geworden. Da muss sich etwas verändern.“


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