Wie der Spießbraten nach Idar-Oberstein kam
Kappes, Klöße, Kokosmilch
Er gehört zu Idar-Oberstein, wie die Printen zu Aachen. Die Rede ist vom legendären Spießbraten. Seit über 150 Jahren wird er rund um Idar-Oberstein auf offenem Feuer zubereitet. Oftmals in extra gebauten Spießbratenhäuschen. SR 3-Küchenchefin Barbara Grech über die kuriose Geschichte dahinter.
Sendung: Samstag 05.08.2023 11.00 Uhr
Der Spießbraten hat in Idar-Oberstein eine lange und ganz besondere Tradition. Überall wird er dort zubereitet - und zwar über offenem Feuer. Im Restaurant Kirschweiler Brücke bei Idar-Oberstein macht man das in der Gaststube in einem Kaminofen.
Der Inhaber des Gasthauses im Edelstein-Schleifer-Ort Kirschweiler, Hans-Werner Veek, ist ein Spezialist in Sachen Spießbraten und kann die unglaubliche Geschichte dieser Köstlichkeit erzählen.
Vom Edelstein zum Spießbraten
"Wir grillen nicht - wir braten", steht auf einem Schild vor dem Gasthaus. Denn schließlich bereite man den Spießbraten traditionell über offener Flamme zu und das habe nun mal etwas mit braten zu tun, sagt Spießbraten-Spezialist Veek.
Dass das mal klargestellt ist. Als der Spießbraten nach Idar-Oberstein kam, hat wohl auch noch kein Mensch von "grillen" geredet. Das war Mitte des 19. Jahrhunderts und das wiederum hat etwas mit einer anderen Spezialität zu tun, für die Idar-Oberstein weltberühmt ist: Edelsteine.
Denn die Edelsteinsuchenden, die nach Südamerika reisten, hätte die Ur-Version des Spießbratens genau dort wiederentdeckt, erzählt Veek. Anfang des 18. Jahrhunderts wanderten viele Edelstein-Schleifer nach Brasilien aus. Die pure wirtschaftliche Not zwang sie dazu. Die Achatvorkommen im Nahetal gingen zu Ende, es gab nichts mehr zu verdienen. Durch Zufall entdeckten die Auswanderer, dass es in Brasilien massig Achat gab und dazu noch andere Edelsteine, diese schickten sie in die Heimat zur Weiterverarbeitung.
Von Brasilien nach Idar-Oberstein
Und während dieser Edelstein-Suche kamen die Auswanderer mit dem Spießbraten in Berührung. Im Zusammenleben mit den Gauchos habe man sich die Zubereitungsweise über dem offenen Feuer abgeschaut, erzählt Veek.
Auf gut Deutsch: Der Spießbraten aus Idar-Oberstein stammt eigentlich aus Brasilien. Dort wird das Ganze "Churrasco" genannt.
Die Idar-Obersteiner Variante
Im Laufe der Jahre allerdings entwickelten die Idar-Obersteiner aber ihr eigenes Rezept für die Grillmarinade: Salz, Pfeffer, Unmengen von Zwiebeln - fertig.
Die Gauchos hingegen würzten ihr Fleisch lediglich mit Salz, so erzählt es Hans-Werner Veek. Wenn südamerikanische Edelsteinhändler zu ihm zum Essen kommen, sind sie immer wieder überrascht, wie anders ihr eigener Spießbraten hier schmeckt.
Ein brasilianisches Lebensgefühl
Ob Südamerikaner, Auswanderer oder Idar-Obersteiner - der Spießbraten gehört zum Lebensgefühl und den Festen dazu.
Auch das sei ein Import aus Brasilien, weiß Veek zu berichten. Denn zu feiern und dabei Unmengen an Fleisch zu servieren, ja das Zubereiten von Fleisch selbst zu einer Feier zu machen, hätte der Überlieferung nach auch bei den sogenannten Schleifer-Picknicken Einzug in Idar-Oberstein erhalten.
Was ist ein Spießbraten?
Soweit zur Historie - doch was ist eigentlich ein Spießbraten? Hans-Werner Veek hat hier eine einfache Definition: Es handele sich um ein Stück Fleisch oder Rind, das man mit Salz, Pfeffer und Zwiebeln mariniere, das auf einen Spieß gesteckt über dem offenen Buchenfeuer gegart werde.
Das klingt erstmal gar nicht so kompliziert und die Zutatenliste ist überschaubar: reichlich Fleisch, Salz, Pfeffer, Zwiebeln - fertig. Ganz wichtig, so der Gastronom, sei aber das Buchenholz zum Befeuern des Kamins: Zwar eignen sich auch andere Hart-Hölzer, wie Obstgehölze oder Eiche, doch von der Flamme und dem Geschmack her liefere die Buche das beste Ergebnis, rät der Experte.
Das richtige Fleisch
Nun zum Fleisch. Rein theoretisch kann man so ziemlich alles auf dem Spieß braten oder auf dem Rost, so wie in Veeks Restaurant. Aber natürlich gibt es traditionelle Fleisch-Sorten - hauptsächlich Rind aus Südamerika.
Doch im Nahetal hat sich auch die Variante mit Schweinefleisch durchgesetzt. Ob Rind ob Schwein? Das ist ein kleiner Glaubenskrieg: "Der Idarer war schon immer etwas wohlhabender als der Obersteiner", erzählt Veek. Und so sei es gekommen, dass in Idar mehr Rind und in Oberstein mehr Schwein verzehrt worden sei.
Hans-Werner Veek jedenfalls hat eine ganze Palette von Spießbraten-Gerichten auf der Karte: Schwein, Rind, Lamm, Entenbrust oder portugiesische Freilandhühner. Alles von bester Qualität. Es müsse aber nicht immer das edelste Fleisch sein, sagt der Gastronom. Gut geeignet sei zum Beispiel Fleisch aus der Keule.
Die richtige Zubereitung
Für die Zubereitung benötigt man allerdings Fingerspitzengefühl und Erfahrung, damit das gute Fleisch nicht in der Flamme verbrennt. Für die Menschen rund um Idar-Oberstein ist das kein Problem.
Das Können wird von Generation zu Generation weitergegeben und das bis heute, weiß Veek zu erzählen: Von den Feuerstellen in den Gärten bis hin zu den eigenen Spießbratenhäusern, die Idar-Obersteiner seien nun mal echte Experten, "vor denen man nur den Hut ziehen kann."
Weitere Rezeptideen
Die Kochsendung "Kappes, Klöße, Kokosmilch" - immer samstags in der Sendung "Bunte Funkminuten" auf SR 3 Saarlandwelle.