Adipositas und was man dagegen tun kann
Anlässlich des Welt-Adipositas-Tages am Montag warnt die Weltgesundheitsorganisation vor immer höheren Zahlen. Auch im Saarland ist nahezu jeder Fünfte adipös, also fettleibig. Der Kampf gegen die Pfunde ist nicht leicht und fordert ein Programm aus Bewegung, besserer Ernährung, und psychologischer Arbeit.
Wer selbst einmal ein paar Pfunde zu viel auf der Waage gesehen hat, weiß, dass es nicht immer leicht ist diese wieder loszuwerden. Sind es direkt mehrere dutzend Kilogramm zu viel, wird das Abnehmen zu einem wahren Kampf.
Der 35-jährige Mathias kämpft schon seit der Pubertät mit dem Gewicht. Immer größer wurde die Zahl auf der Waage, bis vor drei Jahren 206 Kilogramm auf der Waage standen. Bei einer Körpergröße von etwa 1,75 Meter zog er die Reißleine.
Mit Schlauchmagen-Operation zum halben Gewicht
Er hat das Adipositas-Zentrum in der Klinik auf dem Winterberg kontaktiert. Nachdem dort erkannt wurde, dass der 35-Jährige wirklich abnehmen und dafür sein Leben komplett ändern will, bekam er nach einigen Monaten eine Schlauchmagen-OP. Seitdem hat er sein Körpergewicht halbiert. Dazu führte auch das regelmäßige Training mit dem Indoor-Fahrrad.
Von Couch-Potato zum aktiven Menschen
Er selbst sagt, sein Kopf komme noch nicht so ganz hinterher, dass er wieder ein anderes Körpergefühl hat. Mit seinem jetzigen Gewicht könne er leben, sagt er. Dieses Gerede vom Idealgewicht finde er aber albern, ihm gehe es jetzt gut.
Schließlich habe er sich von einer Couch-Potato zu einem aktiven Menschen verwandelt, das hätten auch Freunde bemerkt. Wenn Mathias an sein "altes" Leben zurückdenkt, dann tut er das eher ungern.
Es war eine im wahrsten Sinne schwere Zeit, sagt Mathias. Er habe es einfach nicht geschafft sich richtig um sich zu kümmern. Umso glücklicher ist er jetzt, und er freut sich schon riesig auf das nächste aktive Erlebnis: eine Radtour mit einem Freund.
Sport für schwer übergewichtige Menschen
Michael Müller ist Diplomsportlehrer und leitet in Saarbrücken ein Sportstudio, das sich auf das Training adipöser Menschen spezialisiert hat. Er betont, dass vor allem der Spaß an der Bewegung im Mittelpunkt stehen sollte.
Dabei sollte man verschiedene Sportarten ausprobieren und sich fragen, ob man es auch regelmäßig machen möchte. Wer durch Sport Gewicht verlieren möchte, sollte eine Sportart oder Bewegungsart finden, die einen selbst motiviert.
"Finde einen Lebensstil, bei dem du nachher nur noch die Hälfte wiegst", so der Sportlehrer. Dabei sollte dieser Lebensstil aber eben auch Spaß machen.
Gelenke und Herz schonen
Wer adipös ist und mit Sport und regelmäßiger Bewegung anfängt, soll aber auf Gelenke und Herz achten. Dazu könne man auch bestehende Sportarten leicht verändern. Beim Volleyball könne man zum Beispiel das Springen unterlassen oder gezielte kurze Pausen beim Fußballspielen einbauen.
Ursache von Adipositas
Die Ursachen der Erkrankung sind vielfältig: So spielen Genetik und Stoffwechsel eine wichtige Rolle. Ebenso Sport und Bewegung. Entscheidend sind aber auch die Ernährung und das seelische Wohlbefinden. Welche Rolle die Psyche bei der Erkrankung spielt, weiß die Vorsitzende des Adipositas-Netzwerkes im Saarland, Angelika Thönnes. Sie ist Ärztin, Ernährungsmedizinerin und Psychotherapeutin.
Die Psyche spiele auch bei vielen chronischen Erkrankungen eine Rolle. Sie beeinflusse auch unseren Lebensstil, wie wir uns bewegen und ernähren wollen. Neben unserem Ess- und Bewegungsverhalten beeinflusse Adipositas selbst auch unser seelisches Befinden. Die Stigmatisierung, aber auch der gesellschaftliche Druck normalgewichtig, bestenfalls schlank zu sein, bringe Stress und Trauer in das Leben der Betroffenen.
Essen gegen den Stress
Dieser Stress könne wiederum unser Essverhalten stören. Bei Adipositas-Erkrankten ein Teufelskreis. Essen sei sehr komplex und unterliege eben nicht nur den Hunger- oder Sättigungssignalen.
Essen sei auch ein soziales und psychologisches Phänomen. Erlernte Muster kämen dabei zum Vorschein. Zum Beispiel, wenn das Kind Essen als Trost oder zur Beruhigung bekommen hat, dann wird es in stressbelasteten Situationen eher zum Essen oder zu einer Süßigkeit greifen.
Adipositas kann man nicht heilen
Ärztin Barbara Jacobi kennt die Krankheit ebenfalls gut. Sie ist die Leiterin des Saarbrücker Adipositaszentrums auf dem Winterberg. Adipositas sei eine chronische Erkrankung, die man nur therapieren, aber nicht heilen könne.
Für die Diagnose sei ein Maß besonders wichtig: der sogenannte Body Mass Index, kurz BMI. Er beschreibt das Verhältnis von Körpergröße zu Körpergewicht. Ab einem BMI von 25 spricht die WHO von Übergewicht, ab 30 von Adipositas, also krankhaftem Übergewicht. Und da könnten dann auch andere Erkrankungen dazu kommen, so Jacobi – wie Diabetes, Bluthochdruck oder die sogenannte Schlafapnoe, bei der man Atemaussetzer in der Nacht habe.
Der Wille ist oftmals da
Die Ursachen einer Adipositas-Erkrankung seien vielfältig und daher gebe es auch bei der Therapie verschiedene Ansätze. Eine Magenverkleinerung sollte aber immer der letzte Schritt sein. Zuvor würde auch nach anderen Ursachen geforscht, wie einer Schilddrüsenunterfunktion oder einer Fehlfunktion der Nebenniere.
Zudem sei ein Faktor besonders wichtig: der Wille zur Veränderung. Dabei sei der bei fettleibigen Menschen oft sehr groß: Sie kenne keine Patientengruppe, die so viel selbst an ihrer Erkrankung versucht zu verändern, so Jacobi. Daran läge es leider nicht. Vielmehr sei Adipositas eine komplexe Erkrankung, die auf ganz verschiedenen Ebenen stattfinde.
Wichtig für Erkrankte sei daher auch der Austausch mit anderen Betroffenen. Im Saarbrücker Adipositaszentrum gibt es deshalb eine Selbsthilfegruppe. Diese trifft sich einmal im Monat, Mittwochabend um 18 Uhr im Casino auf dem Winterberg.
Adipositas-Schulung für Kinder
Auch im Christlichen Jugenddorf in Homburg befasst man sich bereits seit längerem mit dem Thema Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Dazu werden Schulungen und Trainings für die Betroffenen angeboten.
Ein Thema am 04.03.2024 auf SR 3 Saarlandwelle in den Sendungen "Guten Morgen", "Bunte Funkminuten" und "Region am Nachmittag".