Katzenhäuser platzen aus allen Nähten

Viele Katzen im Saarland abgegeben oder ausgesetzt

Überfüllte Tierheime und Katzenhäuser im Saarland

Reporterin: Kerstin Gallmeyer/ Onlinefassung: Rebecca Lambert   09.08.2023 | 10:20 Uhr

Die Sommerferien haben begonnen. Was für viele Menschen Entspannung bedeutet, bereitet den Tierheimen im Saarland Stress. Das bedeutet vor allem Überfüllung und Aufnahmestopps. Aber was macht das eigentlich mit den Tieren?

Das Tierheim Saarbrücken und das Katzenhaus Oberwürzbach haben beide einen Aufnahmestopp verhängt. Da ist einfach kein Platz mehr für Katzen. Besonders das Katzenhaus in Oberwürzbach platzt aus allen Nähten. 77 Katzen leben aktuell in Oberwürzbach. 27 Jungtiere und 50 erwachsene Katzen werden dort versorgt.

Sehr viele Katzen werden ausgesetzt

Es sei "extrem schlimm", wie viele Katzen 2023 ausgesetzt wurden, sagt die Vorsitzende des Vereins der Katzenfreunde e.V., Beatrice Speicher-Spengler. Zwar habe man aufgrund der gestiegenen Preise für Nahrungsmittel und medizinische Versorgung der Tiere damit gerechnet, dass mehr Tiere abgegeben würden, doch die Menge habe sie kalt erwischt.

Gestiegene Tierarztkosten als Grund?

Die Tierarztkosten sind rasant gestiegen. Früher habe man so um die 130 Euro bezahlt, um seine Katze kastrieren zu lassen, sagt Speicher-Spengler. Heute seien es so zwischen 200 und 300 Euro. Es sei verständlich, dass das nicht jeder stemmen könnte. Deshalb sei es wichtig, frühzeitig eine Versicherung für die Tiere abzuschließen.

Späte Würfe

Auch der Katzennachwuchs sorgt für Platzmangel in den Heimen. Denn viele Katzen hätten ihre Kitten dieses Jahr relativ spät zur Welt gebracht haben, sagt Speicher-Spengler. So stammten einige der Katzen aus den zweiten Würfen des Jahres.

Katzenbabys eim Tierheim (Foto: picture alliance/dpa/Tierheim Berlin)

Auch viele Hunde werden abgegeben

Aber nicht nur die Katzenhäuser sind überfüllt. Auch die anderen Tierheime im Saarland haben kaum freie Plätze mehr. Und das betrifft vor allem Hunde. Oft seien sich Hundebesitzer nicht bewusst, welche Ansprüche so ein Tier stellt, sagt Speicher-Spengler. Dazu kämen Hunde - vor allem Welpen -, die aus osteuropäischen Ländern über die Grenze gebracht würden. Die seien oft krank. Auch sie landen im Tierheim.

Aufnahmestopp

Für das Katzenhaus Oberwürzbach bedeutet die aktuelle Überfüllung: Aufnahmestopp. Verletzte Katzen, Fundkatzen und extreme Notfälle könnte man noch aufnehmen, sagt Speicher-Spengler.

Katzenpsychologin zur Tierheimhaltung

Aber was macht das eigentlich mit den Katzen, wenn sie im vollen Tierheim sitzen? Katzenpsychologin Katja Henopp hat sich damit auseinandergesetzt, wie es den Tieren in den überfüllten Heimen geht.

Audio

Was machen Tierheime mit Katzen?
Audio [SR 3, Christian Job, 09.08.2023, Länge: 05:16 Min.]
Was machen Tierheime mit Katzen?

Wie genau es einer Katze dort ergehe, unterscheide sich generell von Katze zu Katze, sagt sie. Trotzdem sei es eine Katastrophe, viele Katzen auf engstem Raum zusammen zu halten.

Wenig Platz, viel Stress

Das sei nämlich nicht artgerecht. Das bedeute für jede Katze totalen Stress, sagt Henopp. Auch weil jede Katze ihre eigene Hintergrundgeschichte habe. Der Stress hänge vom Alter und den Erfahrungen ab. Grundsätzlich müsse man sich jedoch vorstellen, dass da eine Katze ankomme, für die alles neu und fremd sei: die Menschen, die Artgenossen, die Geräusche und Gerüche. Das verunsichere die Katze.

Zu all diesen neuen Eindrücken komme, dass die Katze keine Bezugsperson mehr habe, sagt Henopp. Außerdem komme es leichter zu Hierarchiebildung, wenn die Tierheime und Katzenhäuser so überfüllt seien. Das wirke sich dann auf das Verhalten der Katzen aus. So komme es dazu, dass sich einige Katzen versteckten. Andere würden hingegen aggressiver.

Hauptsache gut durchkommen

Insgesamt seien aber alle Katzen daran interessiert, durch ohne Kämpfe diese stressige Zeit zu kommen, sagt die Katzenpsychologin. Schließlich wollten Katzen gern ihr Revier und ihre Ruhe. Deshalb verschlimmere ein überfülltes Tierheim beziehungsweise Katzenhaus die Situation für die Tiere.

An diesem Punkt setzt dann die Raumgestaltung im Tierheim an. Und "groß und offen" scheint da nicht immer besser zu sein. Ein großer Raum mit vielen Tieren, sagt Hennop, sei viel stressiger für die Katzen, als kleine, gut strukturierte Räume. Man müsse darauf achten, dass die Tierheime ausreichend Versteckmöglichkeiten bieten.

Eine Katze im Körbchen  (Foto: SR)

Auch wenn es vielleicht zuerst nicht so klingt: Versteckmöglichkeiten "fördern die Kontaktaufnahme", sagt Katja Henopp. Außerdem würden sie dafür sorgen, dass der Stresspegel sinke. In Tierheimen, in denen Katzen weder in der Höhe noch in Höhlen Versteckmöglichkeiten hätten, sei der Stresspegel enorm.

Richtige Mitbewohner finden

Ein Problem bei der Zimmerverteilung in Tierheimen ist auch, dass man die Katzen den richtigen Räumen zuordnen muss. Das sei nicht immer so einfach, weil man dafür die Persönlichkeit der Katze erfassen müsse und die sich in Heimen oft - um einfach schneller durchzukommen - anpasse, sagt Henopp. Da könne es auch mal zu einem Fehlgriff kommen. Das heißt, dass Katzen, die gar nicht zusammenpassen, zusammen leben müssen.

Katzen adoptieren: Das ist wichtig

Was muss man jetzt beachten, wenn man eine solche Tierheimkatze bei sich aufnehmen möchte? Man will dem Tier ja eine optimale Lebensgrundlage bieten. Die Vorgeschichte und vor allem die Zeit im Tierheim müssen ja auch verarbeitet werden. Und Henopp hat da gute Nachrichten: Grundsätzlich sei diese Tierheimzeit therapierbar, sagt sie.

Sie selbst habe viele Katzen aus dem Tierschutz beziehungsweise aus dem Tierheim. Mit Zeit und Arbeit würden sich generell viele Probleme beheben lassen, sagt Henopp. Dazu brauche es noch etwas Wissen über Katzen und Geduld.

Die richtigen Fragen

Außerdem gelte es, darauf zu achten, wie gut sich eine Katze in die eigene Familie eingliedern lässt, sagt Henopp. Das bedeutet, man solle nicht nach dem Aussehen eine Katze aussuchen, sondern nach Alter, Geschlecht und Persönlichkeit. Und mit schon vorhandenen Haustieren sollte sie sich natürlich verstehen. Am besten sei es natürlich, eine Liste zu haben, was man von der Katze möchte: Soll es ein Stubentiger oder ein Freigänger sein? Sollen die Katzen mit in Urlaub kommen? Und mit wem muss sich die Katze verstehen?

Der wichtigste Punkt sei , eine Verbindung zum Tier zu haben, sagt Henopp. Doch die zeigt sich nicht immer auf Anhieb. Manchmal sind die Tiere so gestresst, dass sie nichts tun, außer da liegen. Sie zeigen ihr Potenzial vielleicht erst im neuen Zuhause.


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Ein Thema aus der Sendung "Bunte Funkminuten" am 09.08.2023 auf SR 3 Saarlandwelle.

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