Überreaktion oder überfordert? – Die Absage der Cancice Breitz-Ausstellung im Saarland

Überreaktion oder überfordert?

Michael Thieser   02.12.2023 | 12:20 Uhr

Die Absage einer Ausstellung der jüdischen Künstlerin Candice Breitz in der modernen Galerie am Saarbrücker Saar-Ufer ist ein Beispiel für die noch immer fehlende Souveränität im Umgang mit der Solidarität mit Israels, meint SR-Landespolitik-Chef Michael Thieser. Ein Kommentar.

Selten waren die Fronten so verhärtet. Der Konflikt im Nahen Osten droht ohnehin vorhandene gesellschaftliche Gräben noch weiter aufzureißen. Während in Großbritannien, in den USA und vielen anderen Ländern hunderttausende auf die Straße gehen, um für ein ungeteiltes Mitgefühl und eine ungeteilte Menschlichkeit zu demonstrieren, tun sich viele in Deutschland schwer, neben dem Leid der Israelis auch dasjenige der Palästinenser deutlich beim Namen zu nennen.

Beispiel fehlender Souveränität

Angesichts des Holocaust und der eigenen historischen Vergangenheit hat die Solidarität mit Israel den Status einer Staatsräson. Die aktuelle Debatte zeigt allerdings, dass die Einschätzungen darüber, was genau damit gemeint ist, durchaus auseinander gehen können.

Die Absage einer Ausstellung der jüdischen Künstlerin Candice Breitz in der modernen Galerie am Saarbrücker Saar-Ufer ist ein Beispiel für die noch immer fehlende Souveränität im Umgang mit diesem Thema.

Staatsräson keine Staatsdoktrin

Das fürchterliche Massaker der Hamas in Israel, über 1.000 tote Zivilisten, über 200 verschleppte Geiseln und die Brutalität der Terroristen haben die große Mehrheit aller Deutschen zutiefst schockiert.

Trotzdem sollte oder kann in einer Demokratie eine Staatsräson keine Staatsdoktrin sein.

Terror mehrfach verurteilt

Dies gilt auch im Fall der international renommierte Künstlerin Candice Breitz: Grundsätzlich lässt sie keinen Zweifel daran aufkommen, wo sie steht. Nämlich auf der Seite Israels, inklusive dem Recht des Landes auf Selbstverteidigung. Candice Breitz hat den Terror der Hamas in den letzten Wochen mehrfach explizit verurteilt, aber sich ebenso das Recht herausgenommen, die israelische Regierung für ihr Vorgehen im Gazastreifen zu kritisieren, so wie zigtausend andere Juden und israelische Staatsbürgerinnen und Bürger auch.

Ihr deshalb – als Jüdin – Antisemitismus vorzuwerfen, ist kurios und letztendlich absurd! Worum es Candice Breitz geht, ist Empathie zu äußern auch für die unschuldigen palästinensischen Opfer.

Überreaktion der Verantwortlichen

Die Absage ihrer Ausstellung im Saarland-Museum gleicht deshalb, mit etwas Abstand, einer Überreaktion der Verantwortlichen, die nur Verlierer zurücklässt: Candice Breitz selbst, die von Rufmord spricht, aber auch die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz und die Museumschefin, Andrea Jahn, tragen einen Imageschaden davon.

In der Kulturszene in- und außerhalb des Saarlandes überwiegt jedenfalls das Unverständnis.  

Museum verschließt sich einer Debatte

Statt sich für eine umfassende gesellschaftliche Debatte zu öffnen, schließt das Museum im übertragenen Sinne seine Pforten. Und das in Zeiten, in denen die Besucherzahlen ohnehin dramatisch zurückgehen.

Oder um ein weiteres Beispiel zu nennen: die laufende Ausstellung zur Unterdrückung der Frauen im Iran ist zwar gut gemeint, aber außerhalb der Öffnungszeiten herrscht Stille. Es gibt kein Rahmenprogramm, dass zum Beispiel den im Saarland lebenden Exil-Iranerinnen ein Forum geben würde und ihnen Gehör zu verschaffen würde.

Bewusst Streiträume öffnen

Kurzum: Statt den Meinungskorridor zu verengen, sollten auch staatliche Kultureinrichtungen bewusst Streiträume öffnen, in denen kontrovers diskutiert werden kann. Dies gilt erst recht für so zentrale Themen wie den Nah-Ost-Konflikt und die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel.

Nur so lässt sich - mit Blick auf kommende Generationen - die rote Linie gegen Antisemitismus und Judenhass auf Dauer verteidigen!


Mehr Informationen zur Absage der Cancice Breitz-Ausstellung


Wegen israelkritischer Haltung
Wirbel um abgesagte Ausstellung der jüdischen Künstlerin Candice Breitz
Die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz hat die Candice-Breitz-Ausstellung im Saarlandmuseum abgesagt. Begründung: Die Künstlerin distanziere sich nicht klar vom Hamas-Terror. Breitz bestreitet das und verweist auf ihre Social-Media-Aktivitäten.

Ein Thema in der Sendung "Region am Mittag" am 02.12.2023 auf SR 3 Saarlandwelle

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