Musée de la Bataille du 6 août Woerth (Foto: SR/Lisa Huth)

Löwen geführt von Eseln

Das Musée de la Bataille du 6 août in Woerth

Lisa Huth   06.07.2020 | 06:00 Uhr

Der deutsch-französische Krieg 1870/71 scheint für uns heute so weit weg wie der Mongolensturm oder der Säbelzahntiger. Aber es war der Grundstein für die fürchterliche Revanche, die die Franzosen herbeisehnten. Ohne diesen Krieg wären weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg denkbar gewesen. Im elsässischen Woerth, wo es am 6. August 1870 eine fürchterliche Schlacht gab, gibt es heute ein Museum, das an diesen unheilvollen Tag erinnert.

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Traktoren voller Heuballen brummen über Feldwirtschaftswege. Mohnblumen säumen den Weg. Auf frisch gemähten Wiesen stolzieren wieder angesiedelte Störche. Radfahrer in Tour-de-France-Kleidung fahren achtlos an dem monumentalen Löwen vorbei, der die Höhe weithin sichtbar überragt. Dieses Denkmal wurde von den Deutschen aufgestellt, nachdem sie den Krieg von 1870/71 gewonnen hatten. Überall auf den Hügeln und in den Wiesen rund um das elsässische Woerth finden sich kleinere Gedenksteine und größere Denkmäler, aber keines ist so martialisch wie dieses: Die Tatzen des Löwen ruhen unter anderem auf der französischen Fahne und auf einem Chassepot, dem damaligen neusten Schrei der Gewehrtechnik, der deutschen weit überlegen. Um diesen Löwen geht es nicht.

Das Musée de la Bataille du 6 août in Woerth (Foto: SR/Lisa Huth)
Denkmal, von den Deutschen nach dem Krieg 1870/71 aufgestellt

Kriege wurden zur damaligen Zeit so geführt, dass sich Armeen einander gegenüberstanden. Einfache Soldaten, Schlachtreihen, Kavallerie, mittendrin die Offiziere. So war es auch in Woerth am 6. August, in Frankreich Bataille de Reichshoffen genannt, weil vom dortigen Bahnhof das Telegramm der Kapitulation gesendet worden war.

Eine App erzählt von der blutigen Schlacht

Nach der für die deutsche Seite siegreichen Schlacht von Weißenburg/Wissembourg zwei Tage zuvor, trafen hier die Armeen erneut aufeinander. Zum ersten Mal kämpften Sachsen, Bayern, Württemberger und Hessen Seite an Seite unter Führung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, Befehlshaber der deutschen 3. Armee. Wer über die heute friedlichen Hügel wandert, kann sich an den Schauplätzen die blutige Schlacht vergegenwärtigen. Über eine App gibt es Schilderungen auf Deutsch und Französisch.

Die preußische Armeeführung war der französischen überlegen: Während bei letzteren kein Vertrauen in untere Führungsebenen, in die Soldaten bestand, wurde bei den Preußen delegiert. Fielen Offiziere, konnten untere Ränge übernehmen, in der französischen Armee war das unmöglich. Dagegen hatten die Franzosen das Chassepot-Gewehr. Das verfügte über eine höhere Reichweite und besaß den militärisch unschätzbaren Vorteil, dass es nicht im Stehen geladen werden musste. Die Deutschen dagegen mussten zum Laden aufstehen und boten in diesen Momenten ein hervorragendes Ziel.

Am Ende starben in der Schlacht bei Woerth und Fröschweler-Elsasshausen 10.642 deutsche Soldaten und Offiziere. Auf französischer Seite werden 8.000 genannt. Dieses Muster sollte sich in den folgenden Schlachten von Saarbrücken, Spicheren, Straßburg, Toul, Mars-la-Tour, Gravelotte, Metz, Beaumont, Sedan und so weiter fortsetzen.

Die deutsche Kriegsführung verheizte ihre Soldaten, so dass irgendwann Theodor Fontane notiert: „Welche Siege, welche Verluste … Noch zwei solcher Siege und – wir sind ruiniert.“ Theodor Fontane sollte, ebenfalls in der Großregion, in Domrémy, festgenommen werden, wo er eigentlich nur Jeanne d’Arcs Zuhause besuchen wollte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Topologie entschied den Schauplatz

Warum aber wurde gerade die Region zwischen Elsass, Metz und Völklingen zum Aufmarschgebiet dieses Krieges? Das lag an der Topologie. Rechts der Hunsrück und die Eifel, links die Vogesen, davor der Rhein, dessen Brücken leicht zu zerstören waren. Die Truppen mussten von deutscher Seite aus über die Pfalz ins Elsass gelangen. Und von französischer Seite zwischen Ardennen und Vogesen heran geführt werden. Außer in Völklingen, das vom Hunerscharberg aus beschossen wurde, gab es nur eine einzige Schlacht auf deutschem Boden, das war in Saarbrücken. Alt-Saarbrücken war eingenommen, Kaiser Napoléon der III. soll mit seinem Sohn Napoléon Eugène Louis Jean Joseph Bonaparte, genannt Loulou, oben auf der Bellevue gestanden haben. Der Lulu-Stein erinnert heute noch daran. Auch diese Schlacht ging schlussendlich für die Franzosen verloren, genau wie die von Spicheren.

Audio

Tour de Kultur 2020: Das Musée de la Bataille du 6 août in Woerth
Audio [SR 3, Lisa Huth, 16.07.2020, Länge: 03:15 Min.]
Tour de Kultur 2020: Das Musée de la Bataille du 6 août in Woerth

Was in Woerth in Erinnerung geblieben ist, ist der unermüdliche Ansturm der französischen Soldaten und Offiziere, ein Mythos in Frankreich, letztendlich hatten sie aber keine Chance gegen die deutschen Truppen.

In Erinnerung geblieben sind auch die Chroniken von Fröschweiler des Pfarrers Karl Klein. Dieser beschreibt weniger Schlacht und Taktik, sondern das Ergebnis, unter anderem die abertausend toten Kavallerie- und Zugpferde. Die Schlacht fand an einem einzigen Tag statt, dem 6. August. Die Zeit der Hundstage. Die Pferde lagen zu Tausenden, bei glühender Hitze, in den verwüsteten Gärten, Getreidefeldern, Hopfenpflanzungen, Kartoffeläckern und Obstgärten der Dorfbewohner. Ihre Leiber dunsteten auf, dazwischen zahllose Soldaten, die noch nicht beerdigt waren.

Diese Bilder des realen Krieges brennen sich ebenso ins Gedächtnis ein. Unter anderem auch wegen der Schilderungen des Kriegsreporters der Times, William Howard Russel: „Vergangene Nacht war schrecklich. Die Verwundeten im Erdgeschoss starben, kaum dass man sie hereingebracht hatte. Sobald man ihre Leichen aus dem blutgetränkten Stroh entfernt hatte, folgten schon die nächsten Verwundeten, die kaum noch lebten. … Die Franzosen … stöhnten, mit so furchtbar verzerrten Gesichtern, dass man sie mit Tüchern abdecken musste, auf denen sich Fliegenschwärme niedergelassen hatten. Beine und Arme waren von Granaten abgerissen oder mit der Chirurgensäge abgetrennt.“

Ist das zu viel für zarte Gemüter? Das ist Krieg.

Die Soldaten waren sich so ähnlich

Das Musée de la Bataille du 6 août in Woerth (Foto: SR/Lisa Huth)
Die "zivile" Ausrüstung der Soldaten

Ein drittes blieb in Erinnerung, zu sehen im Museum von Woerth: Die Soldaten waren sich so ähnlich. Auch ihre „zivile“ Ausrüstung, das Essbesteck. Kaffeemühlen, Rauchware, Blechdosen und Trinkgefäße. Auf Deutsch und Französisch beschrieben, können die Besucher daran teilhaben, wie die Kirche von Fröschweler völlig niederbrannte und später von den Deutschen „größer und schöner“, so das Versprechen des Kaisers, wieder aufgebaut wurde. Neben aufgefundenen Gerätschaften, Helmen, Waffen und zeitgenössischen Bildern sind dort auch Alltagsgegenstände zu sehen, die den Besuchern die damalige Zeit nahe bringen.

Der Grundstein für zwei Weltkriege

Heute scheint dieser Krieg, ist diese Schlacht vor 150 Jahren, so weit weg wie der Mongolensturm oder der Säbelzahntiger. Aber sie legten den Grundstein für die fürchterliche Revanche, die die Franzosen herbeisehnten. Ohne diesen deutsch-französischen Krieg wären weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg denkbar gewesen.

Der Befehlshaber der französischen Armee im Elsass, Marschall Mac-Ma­hon berichtete nach der verlorenen Schlacht nach Paris, seine Einheiten hätten alle ihre Zelte, Feldküchen, Verpflegung, Lebensmittel und Munition verloren. Zudem alle Pferde. Nachschub und Ersatz für die französischen Truppen, die von Anfang an genau das, mehr Zelte, Feldküchen, Verpflegung, Lebensmittel und Munition gefordert hatten? Fehlanzeige. Eine korrupte Kaste in Paris um Kaiserin Eugénie herum, hatte nur an die eigene Bereicherung gedacht und ließ die französischen Armeen größtenteils im Stich. Diese kämpften dennoch in der Schlacht bei Woerth und auch den folgenden wie die Löwen.

Der Schriftsteller Edmond de Goncourt schrieb: „Ich wünschte, dass die Regierungsmitglieder weder gehängt noch erschossen würden; ich würde nur verlangen, dass man sie dazu verurteilte, einmal in Eselskappe auf der ehemaligen Place de Grève von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang öffentlich Abbitte zu leisten.“

Die Eselskappe mussten damals in die Ecke gestellte Schüler zu ihrer Schande tragen, wenn sie sich besonders dämlich dran gestellt hatte. Vielleicht kommt daher der Spruch, den der frühere Präsident der Freunde des Museums von Woerth, Hubert Walther, zitiert: „Löwen, angeführt von Eseln.“

Zitate: Tobias Arand: „1870/71. Die Geschichte des Deutsch-Französischen Krieges erzählt in Einzelschicksalen“, Osburg Verlag, Hamburg 2018


Auf einen Blick


Das Musée de la Bataille du 6 août in Woerth (Foto: SR/Lisa Huth)

Musée de la Bataille du 6 août 1870
2, rue du moulin
F-67360 Wœrth
Tel.: (00333) 88 09 40 96
E-Mail: ville.woerth@wanadoo.fr
Internet: ville-woerth.eu/lemusee

Öffnungszeiten (Nicht-Corona-Zeiten)
1. April - 30. Sept: Mo., Mi., Do. und Fr. 14.00 - 17.00 Uhr, Sa. und So. 14.00 - 18.00 Uhr,
1. Okt - 31. März: Sa. und So. 14.00 - 17.00 Uhr,
ganzjährig für Gruppen nach Vereinbarung

Eintritt
Erwachsene: 5 €
Kinder und Kindergruppen bis 15 Jahre frei
Gruppen bis 25 Personen: 25 €
Schulklassen: 10 €

Anfahrt
Über die Autobahn: Vom Saarland aus über Saargemünd auf die A 4 Richtung Straßburg. Abfahrt 47, Brumath Nord, nehmen. Im Kreisel die Ausfahrt Haguenau nehmen. Vor Haguenau auf die D 1063 ab­biegen, um die Stadt zu umfahren. Von dort auf die D 27 Richtung Woerth abbiegen. Ankunft nach circa sechs Kilometern.

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