Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)

Waffen, in Buntsandstein geschliffen

Das Archäologische Museum der Nordvogesen in Niederbronn

Lisa Huth   08.06.2019 | 10:38 Uhr

Ein riesiger Trumm nimmt die Raummitte in der Steinzeit ein. Also, in dem Raum, in dem die Steinzeit des Museums lebendig wird. Solche Brocken finden sich überall in den Nordvogesen. Spaziergänger können sie auf ihren Wanderungen entdecken: Tiefe Kerben durchziehen den Fels. Hier haben Menschen vor Hunderttausenden von Jahren gestanden und ihre Waffen und Werkzeuge scharf gemacht.



Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)
Steinkeil ist nicht Steinkeil. Auch sie wurden weiter entwickelt.

Die Wände werden in diesem Museum genutzt, um Geschichte lebendig werden zu lassen: Ganz oben ist eine Schicht Asphalt zu sehen. Da donnern heutzutage die Autos drüber. Schicht um Schicht wird hier erklärt. In Schaukästen, in der Wand eingelassen, sind kleine Figuren zu sehen, Archäologen, die die Schichten Stück um Stück frei legen.

Irgendwann einmal wird auch der Asphalt eine tiefer gelegte Schicht sein und von Archäologinnen und Archäologen der Zukunft frei gepinselt werden. Was dann zu finden sein wird? Natürlich Smartphones, Kaffee-To-Go-Becher oder Cola-Dosen. Diese ragen aus der Wand heraus. Wie ein Symbol, dass auch unsere Kultur vergänglich ist.

Auch mal Geschichte: Kaffee-To-Go-Becher

Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)
Das Archäologische Museum in Niederbronn in den Nordvogesen.

Genauso wie die der Ritter. 1.000 Teile, sagt Museumsleiter Jean-Claude Gérold, der ein ausgezeichnetes Deutsch spricht, 1.000 Teile finden sie in der Erde, und Archäologen wissen dann: Das war mal eine Rüstung. Solche Rüstungen sind in den Nordvogesen nicht so gut erhalten, denn im Sandsteingebiet ist die Erde säuerlich, das greift das Eisen an. In Lehm hätte die Rüstung möglicherweise noch als Ganzes da gelegen und auch noch geglänzt.

Woher weiß man aber, was zu welcher Zeit gehört? Es sei an den Schichten zu erkennen, meint Gérold, und an den Funden: Hufeisen etwa kannten die Römer noch nicht. Auf die Idee, Pferde zu beschlagen, kamen erst die Menschen des Mittelalters. In der Renaissance dann wurden Scheren erfunden.

Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)
Jean-Claude Gerold: Einer, der nicht nur spannend, sondern auch auf Deutsch erzählen kann.

Die Römer brachten die Fußbodenheizung

Holzfässer zimmerten aber schon die Kelten, die hier siedelten. Zwar brachten die Römer Amphoren aus Italien mit, um Flüssigkeiten wie Wein oder auch anderes zu lagern. Das konnte sich aber nicht durchsetzen. Die Amphoren gingen mit den Römern unter. Bis heute gibt es jedoch die Holzfässer.

Natürlich finden sich noch viele Götterstatuen und Reliefs der Römer in der Gegend wie etwa Merkur, der Gott der Reisenden, der Geschäftsleute und der Diebe. Nicht selten, meint Gérold, konnte das alles in einer Person vorkommen. Ein ganz besonderer Gott aber war kein römischer: Vosegus oder Vosogus. Gérold blickt auffordernd. Erkennen Sie das Wort? Vogesen!

Audio

Tour de Kultur 2019: Das Archäologische Museum der Nordvogesen in Niederbronn
Audio [SR 3, Lisa Huth, 25.07.2019, Länge: 03:07 Min.]
Tour de Kultur 2019: Das Archäologische Museum der Nordvogesen in Niederbronn

Vosegus, der keltische Berggott

Die Vogesen hatten einen eigenen Lokalgott. Um korrekt zu sein: die Vogesen beziehungsweise der Wasgau. Und dieser Gott, der nur auf einer Handvoll von Statuen erhalten geblieben ist, ist im Niederbronner Museum zu finden.

Es ist ein keltischer Berggott, er wird mit schwerem Mantel, Pfeil, Bogen und Schild dargestellt, begleitet von einem Hund. Es könnte also ein Jagdgott sein. Das Zentrum der Verehrung, so Gérold, lag um den Berg Donon herum. Auf dessen Gipfel stand ein Vosegustempel.

Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)
Nachhaltige Baumaterialien aus Ton.

Laut Wikipedia übernahmen die Römer, als sie Gallien besetzten, die Gottheit und gaben dem Verbreitungsgebiet die Namen vosegus mons, Bergdes Vosegus beziehungsweise vosegus silva, Wald des Vosegus. Aus diesen entstanden das französische Vosges und das mittelhochdeutsche Wasigen­(wald); aus Wasigen entwickelte sich später der Begriff Wasgau, wozu auch der Südteil des Pfälzer Waldes gehört.

Neue Götter auf die alten drauf gesetzt

Wer in den Nordvogesen Kirchen aufsucht, sollte sich die untere Partie des Mauerwerks besonders genau ansehen: Alte Gebäude wurden oft abgeschlagen und neue darauf gebaut, der untere Teil aber blieb stehen, und da sind sie plötzlich: die alten Götter, auf die das Haus des Neuen drauf gesetzt wurde.

Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)
Klug durchlüftete Fußbodenheizung bei den Römern.

Neben Merkur gibt es auch den Janus, das ist der Gott mit den zwei Gesichtern. Und der konnte an Quellen stehen oder über Türen angebracht werden: Flüsse haben nämlich einen Anfang und ein Ende und durch Türen kommt man irgendwoher und sie führen irgendwohin. Außerdem ist Janus der Gott des ersten Monats im Jahr, dem Januar. Klar: Das eine Jahr geht zu Ende, das andere fängt an. Ob Janus auch der Gott der Wurst war, ist nicht überliefert. Vielleicht war die Wurst damals ja auch noch nicht erfunden.

Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)
Ausgeklügelte Wasserleitungen bei den Römern.

Industriegeschichte: Gusseiserne Öfen

In Niederbronn-les-Bains gibt es aber nicht nur Funde aus längst vergangenen Zeiten, auch die stolze jüngere Geschichte des Elsass ist hier zu finden: etwa die Niederbronner Öfen, die in der Gießerei der De Dietrich-Werke hergestellt wurden. Eine ganze Serie ist im Museum zu sehen; eine Entwicklungsgeschichte des Wärmens in guten Stuben. De Dietrich ist vielen Saarländern ja noch aus der „Franzosenzeit“ bekannt.

Menschheitsgeschichte auf kleinem Raum. (Foto: Lisa Huth)
Kleine Entwicklungsgeschichte des Wärmens in guten Stuben.

Ein kleines Museum ist das von Niederbronn-les-Bains, aber es bietet einen großen Ritt durch die Menschheitsgeschichte, beziehungsweise den Teil der Menschheitsgeschichte, der sich unweit von uns abgespielt hat.


Auf einen Blick


Kontakt
Maison de l’archéologie des Vosges du Nord
44, avenue Foch
F-67110 Niederbronn-les-Bains
Tel.: (0033 3) 88 80 80 75
E-Mail: service.educatif@niederbronn-les-bains.fr
www.tourisme-alsace.com/de/269000035-Archaeologisches-Haus-der-Nordvogesen.html

Öffnungszeiten
1. März - 31. Okt.: jeden ersten So. im Monat,
1. Nov. - 28. Febr.: auf Anfrage für Gruppen geöffnet.

Eintritt
Erwachsene: 2,60 €,
Kinder: 0,85 €,
Rentner, SoldatInnen und Studierende: 1,80 €,
Gruppen Erwachsene: 1,80 € pro Person,
Gruppen Kinder: 0,85 € pro Person.

Anfahrt
Von Saarbrücken aus über Saargemünd, an Bitche vorbei, bei Philippsburg von der D 662 auf die D 1062 wechseln, Ankunft nach circa 8 Kilometern.

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