Joachim Gellweiler ist Fährmann aus Leidenschaft (Foto: Gabor Filipp)

Eine der letzten ihrer Art in Deutschland

Die Gierfähre von Bad Münster am Stein

 

Er sei ein glücklicher Mensch, sagt Hans-Joachim Gellweiler. Ein Grund dafür ist, dass der gelernte Schreiner seinen Arbeitsplatz in einer der schönsten Gegenden Deutschlands hat.

Joachim Gellweiler ist Fährmann aus Leidenschaft (Foto: Gabor Filipp)
Joachim Gellweiler ist Fährmann aus Leidenschaft

Aber noch mehr macht den 56-jährigen Naturliebhaber der Nebenjob glücklich, den er vor drei Jahren bekam: Gellweiler ist Fährmann in Bad Münster am Stein-Ebernburg, bewegt dabei ein ganz besonderes Wasserfahrzeug über den Fluss. Eine Attraktion für die Einheimischen und Touristen in der Kurstadt.

Die haben es nicht weit bis zur Anlegestelle, von wo aus ein Stahlseil zum gegenüberliegenden Ufer gespannt ist. Der Kurpark mit dem Jugendstil-Kurmittelhaus in Fachwerk ist gleich nebenan. Eigentlich ist das ganze 4.000 Seelen Kurstädtchen in unmittelbarer Nachbarschaft. An dem Seil hangelt sich Gellweiler, langsam und ruhig zum anderen Ufer hinüber, steht dabei auf dem Bug der voll beladen zwei Tonnen wiegenden offenen Fähre. Seine mit Lederhandschuhen geschützten Hände greifen immer wieder nach einer eisernen Laufrolle. Der Fährmann schiebt die Rolle jeweils ein Stück weiter am Seil, wo sie arretiert Halt und Widerstand für die Muskelkraft der Arme bietet. Nur davon angetrieben gleitet die Fähre über die Wasserfläche und durch die Strömung. Damit das Boot im Falle des Falles nicht abtreibt, sind Rumpf und Gleitrolle über eine Kette miteinander verbunden. Nur an einem Punkt mit dem Seil in Verbindung treibt beziehungsweise giert das Boot in etwas schrägem Winkel voran.

Gellweiler scheint es zu genießen, als sei es das erste Mal, lässt sich nicht anmerken, wenn es wegen Gewicht und Strömung etwas anstrengend wird.

Burgruine Rheingrafenstein (Foto: Gabor Filipp)
Burgruine Rheingrafenstein

Eine sogenannte Gierfähre betreibt er an der Kurpromenade vor der Kulisse des mächtigen hohen Felsens namens Rheingrafenstein. Dass oben auf diesem Felsen in rund 140 Meter Höhe auch die Ruine der gleichnamigen Burg thront, das belebt das Fährgeschäft zusätzlich. Es kommen immer wieder Wanderer und Ausflügler, die rüber zum anderen Ufer wollen, um den steilen Weg durch den Wald hinauf zur Ruine zu nehmen. Zu Beginn des Anstiegs ist ein rauschender Bach der Begleiter. Auf der anderen Seite des schmalen Wasserlaufs ist der Märchenhain mit Themenhäuschen und Figuren aus der Welt von Schneewittchen und Co.

Viele nutzen die handbetriebenen Fähre über die Nahe, weil drüben auch längere Wanderwege anschließen, durch das Huttental und nach Bad Kreuznach. Über die Nahe-Brücken gäbe es diesen direkten Einstieg in die Natur nicht, wären deutliche Umwege in Kauf zu nehmen.

Doch noch mehr zählt offensichtlich für die Passagiere, dass sie nirgendwo sonst so entspannt und ruhig über das Wasser befördert werden. Nur das moderate metallene Geräusch der Rolle ist zu hören, untermalt vom Klirren der Sicherungskette. Manche an Bord erzählen, bisher nur mit motorisierten Fähren unterwegs gewesen zu sein – etwa am Rhein. Aber so eine Gierfähre hätten sie noch nie zuvor gesehen, geschweige denn genutzt. Nicht weiter verwunderlich, denn Gellweilers Fähre dürfte in dieser Art inzwischen einzigartig sein – in ganz Deutschland.

Die "Fliegende Brücke" über die Nahe (Foto: Gabor Filipp)
Die "Fliegende Brücke" über die Nahe

Früher waren Gierfähren gängige Verkehrsmittel zur Überquerung von Flüssen. Erfinder der einfachen Technik war im 17. Jahrhundert ein Niederländer. In verschiedenen Varianten – mit zwei Seilen oder einem Seil, unterschiedlich geführt und verankert – gab es die Gierfähre, die auch „Fliegende Brücke“ hieß, allenthalben, so etwa an Elbe, Rhein, Donau, Mosel und auch an der Saar. Das Modell von Bad Münster existiert sonst wo offensichtlich nicht mehr. Zumindest geht Fährmann Gellweiler nach einigen Recherchen davon aus.

In Münster am Stein gibt es den am Seil geführten Kahn, mit dem früher auch Material transportiert wurde, schon seit rund 300 Jahren. Die Gierfähre hat also an diesem Ort schon eine lange Tradition. Die wollte Gellweiler nach eigenen Angaben fortführen, als vor drei Jahren die Stelle des Fährmanns ausgeschrieben wurde, weil der bisherige Pächter aufhörte. Der Schreiner bekam trotz eines harten Konkurrenten den Zuschlag.

Wenn er jetzt auf dem Kahn stehend durch die Strömung giert, sieht das aus, als sei es immer schon so gewesen. Erst recht trifft das zu, wenn der Fährmann seine historische Tracht angelegt hat. Dann bietet er dem Betrachter ein Motiv wie von Spitzweg gemalt.

Für Pinsel und Farbe geeignet wäre auch das Panorama vom Rheingrafenstein aus. Von der Burg sind nur noch einzelne Gemäuer übrig, weil im Pfälzischen Erbfolgekrieg die Truppen eines französischen Generals im Namen Ludwigs XIV. ganze Zerstörungsarbeit geleistet haben. Aber von der Ruine aus geht der Blick weit hinaus über die Mittelgebirgslandschaft mit ihren Wäldern und Weinbergen.

Und der Blick hinab in die Tiefe erfasst die teilweise vom Felsen verdeckte Anlegestelle der Gierfähre. Da sind auch winzig klein die vertäuten Ruder- und Tretboote zu erkennen. Sie liegen da auf dem glatten Wasser des natürlichen Flusslaufs, als wären sie so für eine Ansichtskarte drapiert. Mit etwas Glück schiebt sich auch die Fähre ins Blickfeld und dann stimmt schier alles an dem Bild.

„Den Menschen an die Natur und die Natur zum Menschen bringen“ – das bezeichnet der Fährmann als sein Motto. Er ist unter anderem auch engagierter Naturschützer und Landschaftsführer, er zeichnet mit Buntstiften Schmetterlinge und andere Naturmotive. Und er schippert eben getreu seines Mottos Menschen über die Nahe, sorgt damit für eine selten gewordene Symbiose und Harmonie.

Der Fährmann, sein Boot und die Naturkulisse – einfach Romantizismus pur und das im 21. Jahrhundert.

Gabor Filipp


Kontakt


Hans-Joachim Gellweiler
Tel: (06708) 66 92 36
Mobil: (0160) 35 72 212

E-Mail: hajogellweiler@googlemail.com


Öffnungszeiten


30. März bis 1. November:
Mittwoch – Samstag sowie an Sonn- und Feiertagen: 14.00 – 18.00 Uhr.

Während der Sommerferien: täglich 14.00 – 18.00 Uhr.


Beförderungspreise


pro Überfahrt:

Erwachsene: 1,- €
Kinder: 0,50 €
Fahrrad: 1,- €
Hund: 0,50 €


Anfahrt


Ab Saarbrücken Autobahn A 6 in Richtung Mannheim. Am Autobahndreieck Kaisers­lautern auf die A 63 Richtung Frankfurt und Mainz wechseln. Die A 63 an der Anschlussstelle 13 (Winnweiler) verlassen und weiter auf der Bundesstraße B 48 fahren. Ausgeschildert sind Winnweiler, Rockenhausen und Kaiserlautern. Nach circa 30 weiteren Kilometern der B 48 in Richtung Altenbamberg, Hochstätten, Bad Münster a. St.-Ebernburg folgen, später ist auch Bad Kreuzbach ausgeschildert. In Bad Münster auf der Berliner Straße weiterfahren, schon Parkplatz suchen oder aber links auf die Nahestraße abbiegen, von dort weiter am Kurhaus vorbei zum Kapitän-Lorenz-Ufer. Dort ist die Anlege­stelle der Fähre. (Entfernung: circa 120 Kilometer; Fahrzeit: circa 1,5 Stunden)

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