Auf den Spuren römischer Ingenieurskunst

Der fast zweitausend Jahre alte Raschpëtzer-Qanat in Walferdingen

 

(17.07.2013) Die alten Römer sind schon immer bekannt als wahre Baumeister: Sie erfanden Beton, Pflasterstraßen oder auch Brücken. Praktische Dinge, die wir bis heute nutzen und schätzen. Sogar das Prinzip der Fußbodenheizung geht auf sie zurück.

Immer wenn es um die Herausforderungen des täglichen Lebens ging, hatten die Römer kreative Lösungen parat. Und auch in unserer schönen Region haben sie ihre Spuren hinterlassen. Zehn Kilometer nördlich von Luxemburg Stadt, mitten im größten zusammenhängenden Waldgebiet des Großherzogtums, mussten sich die Römer etwas Besonderes einfallen lassen: Ihre Villen im Tal brauchten Wasser für den täglichen Bedarf. Doch die Quellen, die sich im Berg sammelten, flossen leider in die falsche Richtung ab. Um das Wasser umzuleiten, griffen die Römer auf eine Idee aus dem alten Persien zurück. Sie schufen ein unterirdisches Kanalsystem, mit dem sie Wasser gewinnen konnten. Um die Richtung zu ihren Häusern zu halten, gruben die Arbeiter vor fast 2.000 Jahren außerdem zahlreiche Schächte. Die funktionierten außerdem wie Brunnen, die das Wasser in den Kanal leiteten. Zudem stellten die Arbeiter so sicher, dass ihnen die Luft im metertiefen Boden beim Graben nicht ausging. Die Linienführung der Schächte gelang den Römern ganz ohne moderne Hilfsmittel. Eine erstaunliche Ingenieursleistung.

Noch erstaunlicher ist, dass die Anlage der so genannten Raschpëtzer bis heute wartungsfrei funktioniert. Der Begriff „Pëtz“ leitet sich unter anderem aus dem französischen Wort puits ab, was soviel wie „Brunnen“ bedeutet. Woher die Silbe „Rasch-“ kommt, ist bis heute ungeklärt. Sicher ist aber, dass aus den Schächten Tag für Tag fast 180 Kubikmeter Wasser heraus fließen. Die Menge also, die ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt in einem ganzen Jahr verbraucht.

Sichtbar wird diese Jahrtausende alte Ingenieurskunst durch die Arbeit eines engagierten Interessensvereins. Angefangen hatte alles vor gut einhundert Jahren mit fünf Vertiefungen, die auf dem Bergrücken zu sehen waren. Erste Grabungen, mit denen die Löcher untersucht werden sollten, wurden durch die beiden Weltkriege unterbrochen. Erst in den 1960er Jahren ging die Erforschung auf Initiative des neugierigen Verwaltungsbeamten Georges Faber weiter. Die rätselhaften Mulden mitten im Wald ließen ihm keine Ruhe, so dass er sie gemeinsam mit dem Höhlenforscherverein seiner Tochter weiter untersuchte. Schließlich wurde die Politik auf die Initiative aufmerksam. Der damalige luxemburgische Premier- und Kulturminister konnte als Geldgeber gewonnen werden. Mitte der 1980er Jahre entdeckten Archäologen, dass es sich bei den freigelegten Schächten nicht nur um einzelne Brunnen, sondern um eine einfache aber geniale konstruierte Wasserleitung handelte.

Stück für Stück konnten die Raschpëtzer mit ihrem Verlauf rekonstruiert werden. Wasser hatten sie immer gefördert – doch die Schächte, die den römischen Technikern helfen sollten, beim Graben die Richtung einzuhalten und die Anlage zu warten, waren größtenteils abgedeckt oder eingestürzt. Ein antikes Erbe, das nach und nach freigelegt wurde. Bauingenieur und Höhlenforscher Guy Waringo ist einer derjenigen, die das möglich machten. Besonders beeindruckend war es für ihn, wenn er mal wieder einen Schacht öffnete und den Stollen betrat, in den seit fast 2.000 Jahren niemand mehr einen Fuß gesetzt hatte. Diese Begeisterung für die Geschichte gibt Waringo heute an interessierte Besucher weiter, wenn er sie mit auf eine Führung nimmt. Durch die Schächte selbst läuft man dabei aber nicht – denn der eigentliche, unterirdische Wasserkanal ist eng und dunkel. Stattdessen läuft man entlang der Raschpëtzer an der Oberfläche durch den dichten Zauberwald. Guy Waringo begleitet dabei die Gruppen. Mit viel Fachwissen – aber auch Humor erklärt er die Geschichte der Anlage.

Entlang der Anlage verlaufen gut ausgeschilderte Wanderwege durch die „Kleine Schweiz Luxemburgs“. Wer dem Blick des Römers folgt, der kann jederzeit bei den Schächten vorbeischlendern. Viele ausführliche Hinweisschilder erklären die faszinierende Technik der Raschpëtzer. Zwei der Schächte wurden sogar mit kleinen Fenstern ausgestattet, so dass man buchstäblich einen Einblick bekommt – harte Arbeit, die römische Handwerker hier geleistet haben. Grundsätzlich sind solche Förderanlagen in Europa nicht selten, erklärt Guy Waringo. Doch die Walferdinger Anlage ist eine der tiefsten, die nördlich der Alpen bekannt ist. Bis zu 36 Meter in die Erde wurden die Schächte ausgehoben. Ein in dieser Art einzigartiges, technisches Bodendenkmal.

Herzstück der Anlage ist heute außerdem ein unterirdischer Besucherstollen, der von der Gemeinde in den Berg geschlagen wurde. Laut plätschernd rauscht hier das abgeleitete Wasser durch den Kanal. Mit einer Konstruktion aus Kieseln und Quadersteinen schufen die Römer ein Bett für die Quelle. Als Besucher steht man hier im Berg ganz nah dran und kann aus nächster Nähe die faszinierende Konstruktion bestaunen.

Gut zwei Stunden dauert der geführte Rundgang entlang der Raschpëtzer. Proviant und gute Schuhe sollte man einpacken, denn es geht im Hang teilweise ganz schön steil hinauf und hinab. Die Kondition wird aber mit einem großartigen Ausblick ins Tal der Alzette belohnt. Und bei schönem Wetter kann man sogar bis in die Ardennen blicken. Das Vogelzwitschern und die frische Waldluft tun das Ihre für einen ebenso spannenden, wie erholsamen Ausflug. Ein kleiner künstlicher Weiher lädt noch einmal zur Rast ein, bevor es zurück zum Parkplatz geht. Wer dann noch nicht genug von römischer Geschichte hat, dem bleibt immer noch ein Besuch der römischen Villa in Walferdingen oder ein Spaziergang durch das duftende, hohe Gras am Alzette-Hang.

Magnus Neuschwander


Kontakt


Gemeindeverwaltung Walferdingen
Place de la Mairie, B.P. 1
L-7201 Walferdingen

Tel: (00352) 33 01 44 – 1
Fax: (00352) 33 30 60

E-Mail: secretariat@walfer.lu

www.sitwalfer.lu/Raschpetzer.html


Öffnungszeiten


Die Anlage befindet sich im Wald und ist ganzjährig geöffnet. Die Besuchergalerie ist zwischen dem 1. April und dem 31. Oktober jeden Sonntag von 14.30 – 17.30 Uhr geöffnet.


Eintritt


Der Eintritt für Anlage und Besuchergalerie ist frei. Führungen kosten pauschal 25,- €, Gruppenführungen ab 10 Teilnehmern nach Vereinbarung mit der Gemeindeverwaltung.


Anfahrt


Von Saarbrücken aus auf die A 8 Richtung Luxemburg, dort die A 13 bis zum Croix de Bettembourg. Richtung Luxemburg/ Brüssel auf die A 3 bis zum Croix de Gasperich. Dort auf die A 1 Richtung Trier/ Ettelbruck/Echternach wechseln. Von der A 1 aus nach rechts halten und auf die A 7 Richtung Ettelbruck/Echternach abbiegen. Die Ausfahrt Echternach/Junglinster nehmen, danach rechts auf die Route d’Echternach abbiegen und von der Schnellstraße die Ausfahrt CR 126 Richtung Walferdange/Senningerberg/ Stafelter nehmen. Dann nach rechts auf die CR 126 abbiegen, dem Straßenverlauf folgen und nachdem die CR 119 überquert wurde halblinks auf die Rue Prince Henri/CR 125 fahren. Der Parkplatz liegt direkt am Waldrand nach circa 1,5 Kilometern auf der rechten Seite.

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