Viele der alten Maschinen laufen noch (Foto: Julia Lehmann)

Eiserne Zeugen der Vergangenheit

Ein Neunkircher Feinwerkmechaniker zeigt alte Maschinen aus der ganzen Welt

 

Ein gewöhnliches, weiß gestrichenes Haus mit Spitzdach in einem Neunkircher Hinterhof – von außen wirkt Wolfram Herzogs zweigeschossige Werkhalle recht unspektakulär. Ein Schritt aber durch das schmucklose, hölzerne Tor genügt – und schon glaubt man, sich in einer längst vergangenen Zeit zu befinden.

Über 30 Maschinen und Werkzeuge stehen unter Denkmalschutz (Foto: Julia Lehmann)
Über 30 Maschinen und Werkzeuge stehen unter Denkmalschutz

In der 25 Meter langen Halle stehen wuchtige Maschinen; eiserne Apparate mit kleinen und großen Motoren, Handrädern, ledernen Flachriemen, Walzen und Bohrern. In einem Regal an der Wand lagern Kisten mit Schrauben und Werkzeug. Passend zur mystischen Atmosphäre hängen ein paar Spinnweben in den Ecken, hier und da tanzt feiner Staub im Sonnenlicht, das durch die großen Fenster in den Raum fällt.

Wolfram Herzog geht fast andächtig durch die Halle – für ihn sind die Maschinen nicht nur historische Zeugnisse und anschauliche Technikgeschichte, sondern auch Erinnerungen an seinen geschätzten Großvater. Der war ein wahres Multitalent! Unter anderem arbeitete Philipp Herzog als Bergmann, Taxichauffeur und Hufschmied, bevor er sich 1929 nach einer Lehre im Eisenwerk auf dem Gipfel der Wirtschaftskrise selbständig machte. Seitdem war Philipp Herzog Maschinenbauer mit Leib und Seele. 1940 errichtete er die Halle, in der noch heute Enkel Wolfram arbeitet. „Hier hat mein Großvater nach eigenen Entwürfen Maschinen für die Holzbearbeitung hergestellt – hauptsächlich Kreissägen, Drechselbänke oder Hobelmaschinen“, erklärt Wolfram Herzog. Aus finanziellen Gründen hat der Großvater viele Maschinenteile gebraucht gekauft, um sie in der Werkstatt zusammen zu schrauben – oder er sammelte kaputte Geräte auf Schrottplätzen und brachte sie dann selbst wieder zum Laufen.

Viele der alten Maschinen laufen noch (Foto: Julia Lehmann)
Viele der alten Maschinen laufen noch

Schon als Kind war Wolfram Herzog fasziniert, wenn der Großvater mit den kreischenden Maschinen arbeitete und die glühenden Eisenspäne durch die Luft flogen: „Mir kam das hier immer vor wie ein eigenes Universum“, erinnert sich der hochgewachsene, blonde 38-Jährige im grauen Arbeiteranzug. Besonders gern saß er als kleiner Junge neben dem Großvater im Firmenwagen, wenn er seine Produktionen an Kunden auslieferte – einem VW-Pritschenwagen, Baujahr 1959. Den lässt Wolfram Herzog gerade aufwendig restaurieren: Immerhin ist es das einzige Fahrzeug im Saarland, das unter Denkmalschutz steht. 1981 starb Philipp Herzog. Dass der Enkel das Andenken seines Großvaters in Ehren halten wollte, das war ihm schon früh klar: Selbst hat er eine Lehre zum Dreher und Fräser gemacht; Aufträge bearbeitet er heute noch wie sein Großvater in der Werkhalle, teilweise auch an den ganz alten Maschinen. Und er erklärt Interessierten gerne, wie sie funktionieren und woher sie kommen – genau das bei jeder Einzelnen heraus zu finden, war echte Detektivarbeit.

Da gibt es zum Beispiel die Langhobelmaschine: Mit der konnte Philipp Herzog bis zu zwei Meter lange und breite Teile abhobeln, die vor allem für Bergbaugruben als Kohlenrutschen gebraucht wurden. Das Besondere ist die gotische Form der Maschine: Durchbrüche im Gehäuse erinnern an ein Kirchenfenster. „Die Maschine sollte stabil sein und gleichzeitig wenig Material vergeuden“, erklärt Wolfram Herzog: „Damals hatte man außerdem noch den Anspruch, Maschinen möglichst schön zu gestalten – denn immerhin waren die damals noch etwas ganz Neues!“ Auch der Maschinenhersteller ist bekannt: Auf einem eisernen Schild liest man Thomas Shanks and Company. „In den 1920er Jahren hat diese Firma Konkurs angemeldet“, sagt Wolfram Herzog und deutet auf die eingeprägten Buchstaben. „Die Langhobelmaschine stammt wahrscheinlich aus dem späten 18. Jahrhundert.“

Wolfram Herzog würde gerne ein echtes Museum aus der Werkhalle machen (Foto: Julia Lehmann)
Wolfram Herzog würde gerne ein echtes Museum aus der Werkhalle machen

Bei diesen Recherchen hat Wolfram Herzog Unterstützung vom Landesdenkmalamt bekommen. Nachdem er sich dort gemeldet hatte, kamen Mitarbeiter vorbei, um unzählige Fotos zu machen und die Maschinen zu dokumentieren. 2010 stand dann das Urteil fest: Über 30 Maschinen und Werkzeuge werden unter Denkmalschutz gestellt. Die Geräte kommen unter anderem aus England, Frankreich und Amerika; die älteste Maschine stammt aus dem Jahr 1870. Dieser internationale Maschinenpark ist ein echtes Unikat im Saarland – dessen ist sich Wolfram Herzog bewusst. Viel Zeit und Geld hat er darauf verwendet, die Halle aufzuräumen und Maschinen zu restaurieren. „Am liebsten möchte ich alle wieder voll funktionsfähig machen“, beschreibt der 38-Jährige sein Ziel. Schließlich möchte er interessierten Besuchern keine toten Objekte zeigen, sondern brummende und quietschende Arbeitsgeräte. „Früher haben die Leute meinen Großvater manchmal ausgelacht, weil er mit diesen alten Maschinen gearbeitet hat“, erinnert sich Wolfram Herzog und lächelt: „Als Kind habe ich dann immer gesagt: Später machen wir mal ein Museum draus! Und wer weiß – vielleicht klappt das ja wirklich früher oder später …“

Julia Lehmann


Kontakt


Wolfram Herzog
Tel: (06821) 82 24

Werkhalle

Zweibrücker Straße 64
66538 Neunkirchen


Öffnungszeiten


Nach Vereinbarung. Wolfram Herzog führt gerne kleine Besuchergruppen nach Voranmeldung durch seine Werkhalle. Das Betreten der Werkhalle erfolgt auf eigene Gefahr. Sanitäre Anlagen sind nicht vorhanden.


Eintritt


Der Eintritt ist frei.


Anfahrt


Von Saarbrücken kommend auf die A 623 fahren. Am Autobahndreieck Friedrichsthal rechts halten und den Schildern A 8 in Richtung Karlsruhe/Mannheim/ Neunkirchen folgen. Bei der Ausfahrt 23-Neunkirchen/Spiesen auf die B 41 in Richtung Idar-Oberstein/St. Wendel/ Ottweiler/Neunkirchen-City/Spiesen fahren. An der Gabelung rechts halten, Beschilderung in Richtung Spiesen folgen. An der Gabelung links halten, Beschilde­rung in Richtung Neunkirchen/St. Ingbert folgen. Links abbiegen auf die Neunkircher Straße/L 285. Rechts abbiegen auf die Zweibrücker Straße.

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