Tour de Kultur 2023: Ein unscheinbarer Gewölbekeller

Ein unscheinbarer Gewölbekeller

In Zweibrücken steht die eigentliche Wiege der Demokratie in Deutschland

Lisa Huth   24.07.2023 | 06:00 Uhr

Werner Euskirchen ist ein Tausendsassa. Wenn er nicht gerade eine paneuropäische Friedensfahrt über die Grenze nach Frankreich organisiert, folgt er etwa Polenkönig Stanislaus‘ Route quer durch Europa, oder er kümmert sich mit Leidenschaft um seine Heimatstadt Zweibrücken.

Eines spielt fast immer eine Rolle dabei: seine Kutsche, gezogen von Ernst von Edeka, ein braves Pferd, das auch im Zweibrücker Stadtteil Bubenhausen gekonnte Kurven fährt. An der Ecke der Friedrich-Ebert-Straße/Wattweiler Straße blicken Ernst und Werner Euskirchen dann durch ein niedrig gelegtes Fenster in eine ehemalige Schankwirtschaft.

Lange vor der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche im Jahre 1848, die heute als erste demokratische Vereinigung der deutschen Lande gilt, fand in eben jener Schankwirtschaft, einem Gewölbekeller hinter unscheinbarer Fassade, Denkwürdiges statt. Werner Euskirchen steigt in seinem Kutschermantel von der Kutsche herab, lüftet seinen Zylinder und lädt ein zu einer kleinen Zeitreise in das Jahr 1832:

Ab ins Jahr 1832

Werner Euskirchen im historischen Kostüm als Kutscher (Foto: SR/Lisa Huth)
Werner Euskirchen im historischen Kostüm als Kutscher

Zweibrücken gehörte damals zum Königreich Bayern. Wie alle Länder links des Rheins stand es zuvor unter französischer Herrschaft. 1832 galt dort immer noch der Code Napoléon. Der hatte den Bürgern der 150 ehemaligen französischen, linksrheinischen Gebiete zum ersten Mal Rechtssicherheit gegenüber der Obrigkeit gebracht. Sie wussten also noch, dass es möglich war, der Willkür von Königen und Fürsten etwas entgegen zu setzen. Die Französische Revolution hatte nämlich viele Freiheiten gebracht, darunter auch die Versammlungsfreiheit. Die war im Königreich Bayern nun wieder verboten: Mehr als 20 Leute durften sich nicht treffen.

Nicht verboten war es, Feste zu feiern. Und um diese Idee eines richtig großen Festes ging es bei den Versamml… öh, Feiern der Männer im Gewölbekeller zu Bubenhausen.

Wo die Pressefreiheit ihren Anfang nahm

Und noch eine weitere Idee nahm dort Gestalt an: die der Pressefreiheit. Die gab es damals nämlich auch noch nicht. Niemand durfte Dinge schreiben, die dem König missfielen. Verboten war es etwa, über soziale Missstände zu schreiben, über Vergehen der Obrigkeit oder über die Misere der Menschen, die nicht zu den oberen Zehntausend gehörten.

Für den ehemaligen Richter Werner Euskirchen ist es faszinierend, was die früheren Juristen alles auf die Beine gestellt hatten: So gründete der Jurist und Schriftsteller Johan Georg August Wirth bereits 1831 die Deutsche Tribüne, in der er schrieb: „Die freie Presse ist die Schutzwehr der Völker gegen die Tyrannei der Machthaber.“ Deshalb war es auch kein Zufall, dass er sich den Freiheitsdenkern im Gewölbekeller hinzugesellte.

Schülerfest und Vereinsgründung

Im Gewölbekeller in Zweibrücken (Foto: SR/Lisa Huth)
Im Gewölbekeller in Zweibrücken

Ein weiterer war Friedrich Schüler aus Bergzabern an der südlichen Weinstraße. Der war ebenfalls Jurist und außerdem Abgeordneter im bayerischen Parlament. Im Dezember 1831, nach der ersten Sitzungsperiode in München, kehrte Friedrich Schüler in seinen Wahlkreis zurück. Das nahmen er und seine Freunde zum Anlass zu einer Versamml… öh, einem Fest: dem Ersten Schülerfest am 29. Januar 1832, in genau jenem Gewölbekeller in Zweibrücken-Bubenhausen.

350 Menschen trafen sich in diesem wirklich kleinen Kellerraum zu einem Festbankett. Was sie einte, war die Überzeugung, dass die Zersplitterung der deutschen Länder ein Ende haben musste. Sie wollten ein einziges Vaterland, das vom Volke aus regiert werden sollte. Ohne absolutistisch regierende Könige und Fürsten. Und darum gründeten sie an diesem 29. Januar 1832 einen Verein: den Deutschen Preß- und Vaterlandsverein. Die Presse wurde eingebunden, weil es ihrer Ansicht nach ohne eine freie Presse kein freies und einiges Deutschland geben konnte.

Europäische Zusammenarbeit: Das Hambacher Fest

Werner Euskirchen verweist darauf, dass auch viele Osteuropäer, vor allem Polen, an dem Festbankett teilnahmen: Für ihn war die Bewegung bereits damals eine europäische. Und sie alle legten am 29. Januar 1832 den Grundstein für eine weitere, noch viel größere Versamml… öh, für ein Fest im 80 Kilometer entfernten Neustadt an der Weinstraße.

Werner Euskirchen im historischen Kostüm als Kutscher (Foto: SR/Lisa Huth)
Werner Euskirchen im historischen Kostüm als Kutscher

Stellen Sie sich eine Ebene vor. Kleine Dörfer. Weinanbau. Keine Hotels, keine Restaurants, nichts. In dieser Ebene erhebt sich ein kleiner Berg. Darauf stand das Hambacher Schloss. Damals schon eine Ruine. Am 27. Mai 1932 zogen nun 30.000 Männer, Frauen, Kinder dort hoch, wo es keine Toiletten, kein Catering und auch keine Übernachtungsmöglichkeiten gab. Drei Tage lang wurden hier Reden für die demokratischen Freiheiten geschwungen und es wurde viel gefeiert. Auch hier, so Werner Euskirchen, ging es europäisch zu, viele Polen und andere Osteuropäer waren angereist.

Offiziell steht seitdem hier die Wiege der deutschen Demokratie. Sie aber wissen jetzt, dass das Holz, aus dem diese Wiege geschnitzt wurde, drei Monate zuvor in Zweibrücken-Bubenhausen zusammengeleimt wurde. Die ehemalige Schankwirtschaft erinnert mit ihren Säulen und romanischem Gewölbe an die Seitenkapelle einer romanischen Kirche. Sie ist ein bedeutender Ort für die deutsche Geschichte. Aber vielleicht ändert sich das ja bald durch die unermüdliche Erinnerungsarbeit von Werner Euskirchen.


Auf einen Blick


Kontakt
Werner Euskirchen
Tel.: 0172 13 00 347
E-Mail: eusfam.zw@t-online.de

Der Gewölbekeller befindet sich
Friedrich-Ebert-Straße 63 Ecke
Wattweiler Straße
66482 Zweibrücken, Ernstweiler/Bubenhausen

Öffnungszeiten
Öffnungszeiten gibt es nicht. Zweibrücken pflegt sein Erbe nicht. Um hineinzukommen, bitte mit Werner Euskirchen Kontakt aufnehmen.

Eintritt
Es wird kein Eintritt verlangt.


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Ein Thema in der "Region am Mittag" am 14.08.2023 auf SR 3 Saarlandwelle

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