Tour de Kultur 2023: Die Burg Vianden in Luxemburg

Einfach mal einen Zahn zulegen

Die Burg Vianden in Luxemburg

Karin Mayer   24.07.2023 | 06:00 Uhr

Was haben Queen Elisabeth, Gina Lollobrigida und Willi Brandt gemeinsam? Sie alle haben die Burg Vianden in Luxemburg besucht: Das kann man im oberen Stock des kleinen Palastes sehen. Und sie sind in guter Gesellschaft. Könige, Präsidenten, Filmstars, alle hat es auf den Berg und ins alte Gemäuer gezogen. Will sagen: ein Besuch lohnt sich. Allein schon der Ausblick von der Höhe ins Tal des Flusses Our ist wunderschön.

Die Grafen von Vianden haben sich diesen Ort im 11. Jahrhundert als Wohnsitz ausgewählt. Feinde und Angreifer werden von weitem gesehen, und der Berg mit seinem steilen Anstieg ist nicht leicht einzunehmen. Das haben die Römer schon im vierten Jahrhundert genutzt und einen Turm und eine Wehrmauer auf den Berg gebaut. Im 11. Jahrhundert wurde mehr daraus. Die Grafen von Vianden errichteten ihr Schloss. Sie schützten es mit dicken Mauern und bauten eine mächtige Wehranlage. Über Jahrhunderte wurde gebaut, modernisiert und erweitert, bis Mitte des 17. Jahrhunderts ein kleiner und ein großer Palast mit spitzen Türmen und Wehrgängen auf dem Berg stand.

Kein Angriff auf die Burg Vianden

Die Burg Vianden in Luxemburg (Foto: Schloss Vianden)
Die Burg Vianden thront auf dem Berg

Für Besucher heißt das: Man kommt nicht umhin, bergauf zu gehen, durch das Burgtor über Kopfsteinpflaster bis zum Eingang. Im Hof treffen wir Jessica Ersfeld von den Schlossfreunden Vianden, die uns durch die Burg führen wird. Über eine Treppe erreichen wir den Waffensaal, wo Ritterrüstungen aufgebaut sind. Außer Lanzen und Schwertern wurden auch Katapulte genutzt, um Feinde abzuhalten. Geschossen wurde mit Steinkugeln, die jetzt im Waffensaal liegen.

Verteidigung war ein großes Thema im frühen Mittelalter, erklärt Jessica Ersfeld. Meterdicke Fundamente aus im Fischgrät-Muster verlegten Steinen kann man im Erdgeschoss sehen. Mauern, die nie angegriffen wurden, die aber doch mit der Zeit zerfielen. Doch davon später mehr: Im 11. bis zum 15. Jahrhundert lebten bis zu 100 Menschen auf der Burg. Und die haben ihre Wohnung hinter den dicken Mauern so praktisch wie möglich  gestaltet.

Kapelle auf zwei Etagen

Gottesdienste wurden beispielsweise im Haus gefeiert. In einer zweistöckigen Kapelle konnte das einfache Volk im Erdgeschoss teilnehmen. Den Priester und den Altarraum im oberen Stockwerk konnten nur die Burg­bewohner sehen, die im ersten Stock der Kapelle Platz fanden. Der Burgherr und seine Frau hatten es noch bequemer. Sie folgten dem Gottesdienst in einer beheizten Loge und konnten über den Gläubigen sitzen.

Die Wasserversorgung in der Burg war durch einen hauseigenen Brunnen gesichert. Über eine Holzkonstruktion wurde das Wasser zum Kochen nach oben gekurbelt. Getrunken wurde es nur selten, berichtet Jessica Ersfeld auf unserem Rundgang. Bier oder Wein waren beliebte Getränke. Die Fässer wurden im Burgkeller gelagert und konnten über eine Rutsche in den Keller gerollt werden.

"Einen Zahn zulegen" in des Burgküche

Die Burg Vianden in Luxemburg (Foto: Schloss Vianden)
Der Festsaal der Burg Vianden

Im 300 Quadratmeter großen Festsaal gab es viel Platz für lange Tische und große Feste. Heute ist der Saal leer. Das Mobiliar muss man sich vorstellen. Erhalten ist ein großer Kamin am Kopfende, mit dem bis heute geheizt werden könnte. Das Essen für die Festgäste kam über eine Durchreiche direkt aus der Küche. Dort wurde über dem offenen Feuer gekocht, und der Kesselhaken ist eines der wenigen Originale im Schloss Vianden. Gleich mehrere Töpfe konnten nebeneinander über dem Feuer brutzeln.

Wenn das Essen schneller fertig werden sollte, konnte man „einen Zahn zulegen“. Daher kommt das bekannte Sprichwort, berichtet Jessica Ersfeld, und in der Burgküche versteht man das sofort. Über eine Zahnleiste konnte die Einstellung des Kesselhakens verändert werden. Je tiefer der Topf, desto schneller war das Essen fertig. Und bei 100 Bewohnern in der Burg, hatte der Koch sicher alle Hände voll zu tun.

Wenn sich die Liebe in die Fenster einschreibt

Die Burg Vianden in Luxemburg (Foto: Schloss Vianden)
Die Fenster der Galerie

Der Palast verfügte auch über eine offene Galerie. Hier konnten die Menschen an die frische Luft gehen und waren doch unter einem Dach vor der Sonne geschützt. Im Mittelalter war gebräunte Haut nicht standesgemäß, erklärt Jessica Ersfeld vom Verein der Schlossfreunde.

Kleeblattförmige Fensteröffnungen machen aus der Galerie einen luftigen Ort mit einer romantischen Entstehungsgeschichte. Heinrich I. war mit einer Frau aus Konstantinopel verheiratet. Weil sie Heimweh hatte, soll er die Galerie mit orientalisch anmutenden Fenstern gebaut haben, damit sie sich an ihre Heimat erinnert fühlt. Und: Im Speicher über der Galerie wurde übrigens das Korn gelagert. Durch den Wind, der durch die offene Galerie zog, blieb das Getreide trocken und genießbar.

Mittelalterfest und andere Veranstaltungen

Die Burg Vianden in Luxemburg (Foto: Schloss Vianden)
Das Leben in den mittelalterlichen Quartieren

Bis ins 14. Jahrhundert lebten die Grafen von Vianden auf der Burg, dann zogen sie weiter und überließen die Burg ihren Vasallen. Ihre beste Zeit erlebte die Burg Vianden im 17. Jahrhundert, doch dann wurde sie verlassen und Anfang des 19. Jahrhunderts verkauft. Der Besitzer verkaufte das Mobiliar, Steine und das Dach und die Burg zerfiel. Für die Kinder in Vianden wurde die Ruine zum beliebten Abenteuerspielplatz, aber damit ist seit 1978 Schluss. Der Staat Luxemburg hat die Ruine gekauft und nach den Plänen und einem Kupferstich aus dem Jahr 1643 wieder aufgebaut.

Das hat sich für die Stadt Vianden gelohnt. Über 200.000 Besucher kommen jedes Jahr auf die Burg. Im Sommer veranstaltet der Trägerverein der Schlossfreunde von Vianden ein Mittelalterfest, und die Mitglieder eines Mittelalter-Vereins demonstrieren einmal im Monat während der Besuchszeiten, wie das Leben im Mittelalter war. In den oberen Stockwerken sind Wohnräume eingerichtet, die Möbel sind keine Originale, aber der damaligen Zeit nachempfunden.

Vom Graf zum König

Mehr über die Geschichte der Burg, das Leben und die Bauabschnitte erfährt man im Informationszentrum der Burg. Eineinhalb bis zwei Stunden sollte man sich Zeit nehmen für den Rundgang. In der Cafeteria kann man sich anschließend stärken, bevor man den Weg durchs Burgtor in Richtung Vianden und vieler Wanderwege verlässt.

Bleibt nur noch eins: Was ist denn eigentlich aus dem Grafen von Vianden geworden? Man könnte sagen, es geht ihm gut. Er hat es nicht schlecht getroffen. Er lebt in Den Haag und hat so viele Titel, dass der „Graf von Vianden“ nur noch ein Beiwerk ist. Es ist Willem-Alexander, König der Niederlande. Die Burg Vianden hat er natürlich auch schon besucht. Das kann man wiederum in der Promigalerie im oberen Stockwerk des kleinen Palasts sehen.


Auf einen Blick


Kontakt
Les Amis du Château de Vianden
asbl B.P.26
L-9401 Vianden
Tel.: (00352) 83 41 08-1
E-Mail: info@castle-vianden.lu
www.castle-vianden.lu/besucherzentrum/

Öffnungszeiten
Winter: 10.00 – 16.00 Uhr, Sommer: 10.00 – 18.00 Uhr

Eintritt
Erwachsene: 10,-€, Studierende (13 – 25 Jahre): 5,- €, Kinder (6 – 12 Jahre): 2,50 €.

Mittelalterfest 29. Juli – 6. Aug. 2023
Erwachsene: 11,- €, Studenten (13 – 25 Jahre) ab 18 mit Studentenausweis: 7,- €, Kinder (6 – 12 Jahre): 3,- €, Familienkarte (2 Erwachsene + 2 Kinder): 25,- €, Gruppenpreis (mind. 15 Pers.): 9,- €.

Führungen
in Deutsch, Französisch, Luxemburgisch, Englisch oder mit Audioguide.


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Ein Thema in der "Region am Mittag" am 29.08.2023 auf SR 3 Saarlandwelle

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