Tour de Kultur 2023: Eckstein-Wanderung auf der Bergehalde Reden

Eckstein-Wanderung

Von Bildstock auf die Bergehalde Reden

Sebastian Dingler   24.07.2023 | 06:00 Uhr

Das Saarland und der Bergbau – das ist eine Geschichte mit vielen Facetten. Bei der Eckstein-Wanderung, die die Stiftung Rechtsschutzsaal in regelmäßigen Abständen anbietet, kann man in diese Geschichte eintauchen. Samstagmorgens geht es vom Rechtsschutzsaal in Bildstock auf die Bergehalde Reden und zurück. Historiker Dr. Frank Hirsch nimmt sich etwa zwei Stunden Zeit für einen Ausflug in die Ära des Kohleabbaus.

Der Rechtsschutzsaal, dieses Backsteingebäude, das mitten in einem Wohngebiet steht, ist auf eine Gesetzeslücke im damaligen Preußen zurückzuführen. Die strengen Vorschriften verboten nämlich den Arbeitern, sich unter freiem Himmel zu versammeln. Seltsamerweise waren aber Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen gestattet. „In kleinen Kneipen hat man sich getroffen, aber da gingen nicht viele Leute rein“, erzählt Frank Hirsch, während sich die Teilnehmer der Wanderung vor dem Rechtsschutzsaal versammeln.

Übersichtskarte der Eckstein-Wanderung (Foto: SR/Sebastian Dingler)
Übersichtskarte der Eckstein-Wanderung

„Da kam man auf die Idee, sich ein eigenes Versammlungsgebäude zu bauen, wo der Staat den Arbeitern nichts anhaben kann.“ Treibende Kraft war damals Nikolaus Warken, dessen Spitzname Eckstein der Wanderung den Namen gibt. Der Arbeiterführer war der Vorsitzende des Rechtsschutzvereins, der sich für die Rechte der Arbeiter stark machte – also eine frühe Form einer Gewerkschaft.

Der Rechtsschutzsaal – ein Gemeinschaftsprojekt

Der Rechtsschutzsaal (Foto: SR/Sebastian Dingler)
Der Rechtsschutzsaal

Der Rechtsschutzsaal, der von den Mitgliedern erbaut wurde, indem jeder einen Backstein und eine Reichsmark beisteuerte, hält somit einen besonderen Rekord. „Der Rechtsschutzsaal ist das älteste Gewerkschaftsgebäude in Deutschland, also ein Kulturdenkmal von überregionaler Bedeutung“, erklärt Frank Hirsch. Nach langen Jahren, in denen es anderweitig genutzt wurde, kümmert sich die 1990 gegründete Stiftung Rechtsschutzsaal um das Gebäude. Heute finden hier Vorträge und Kulturveranstaltungen statt. Zur Wanderung gehört auch eine Besichtigung des Innenraums.

Ab zur Grube!

Eckstein-Wanderung (Foto: SR/Sebastian Dingler)
Der Absinkweiher der Grube Reden

Viele der Arbeiter, die sich damals im Rechtsschutzsaal formierten, schufteten in der nahe gelegenen Grube Reden. Dorthin führt der Weg der Wanderung. Es geht durch ein Bildstocker Wohngebiet, dann durch ein Waldstück, bis als erstes Zeichen des Bergbaus der Absinkweiher in Sicht kommt.

Dort fragt der Historiker: „Absinkweiher, was soll das denn eigentlich, haben Sie eine Idee?“ „Grubenentwässerung“, antwortet einer der Teilnehmer. „Das geht in die richtige Richtung“, meint der Historiker und erklärt anschließend den längeren Prozess der Kohlegewinnung. Dazu war schließlich auch eine Menge Wasser nötig, das am Ende des Prozesses in Form von Schlamm nicht mehr in einen Fluss eingeleitet werden konnte. Heute ist aus dem Absinkweiher der Grube Reden ein Feuchtbiotop geworden, das vielen Tieren einen Lebensraum bietet. „Je nach Jahreszeit ist das hier traumhaft“, sagt Frank Hirsch. „Wenn die Natur hier sprießt und erwacht, wenn die Frösche quaken und die Fischreiher hier rumlaufen. Da hat sich die Natur das Gebiet zurückgenommen.“

Heute führt ein Weg auf einem Damm mitten durch den ehemaligen Absinkweiher. Links davon ist eine Solaranlage installiert worden – Zeichen der Energiewende im Saarland. Dann geht es auf die Bergehalde. Der Weg hoch zur Halde ist den Besuchern der SR 3-SommerAlm wohlbekannt – allerdings kommt die Eckstein-Wanderung von der anderen Seite auf die Halde. Ein bisschen Kondition müssen die Teilnehmer schon mitbringen, schließlich gilt es, knapp 100 Höhenmeter zu überwinden.

Namensgeber der Grube: Friedrich Wilhelm von Reden

Auf dem Gipfel genießt die Gruppe den fantastischen Ausblick. Jemand fragt, wieso die Grube ausgerechnet Reden und nicht anders heißt. Das kann Frank Hirsch erklären. Die Preußen haben die saarländischen Gruben wie Heinitz, Maybach oder Itzenplitz nach ihren Ministern und Bergbaubeamten benannt. Und da gab es auch den preußischen Minister Friedrich Wilhelm von Reden.

Einer der Teilnehmer kann da nicht mehr länger an sich halten und zieht seinen Personalausweis hervor: Helmbrecht Reden steht in dem Dokument. Er weiß allerdings nichts von einer Verwandtschaft mit dem schon 1815 gestorbenen Preußen. Das Hallo unter den Teilnehmern ist allerdings groß. Es stellt sich auch noch heraus, dass sogar jemand namens Eckstein an der Wanderung teilnimmt.

Blick auf den Madenfelderhof

Eckstein-Wanderung (Foto: SR/Sebastian Dingler)
Der Blick von der Bergehalde Reden

Frank Hirsch erklärt, was es alles zu sehen gibt vom Gipfel aus: zum einen natürlich das, was von der Grube Reden heute noch übrig ist wie der Förderturm, zum anderen die anderen Gruben, die nicht weit entfernt lagen. Außerdem fällt der Blick auf eine kleine Siedlung mit 40 Häusern. „Das ist der Madenfelderhof, eine alte Bergbausiedlung, der wurde in den 1920er-Jahren von den Franzosen angelegt.“

Hirsch hält einen kurzen Exkurs über den Ersten Weltkrieg, den Versailler Vertrag und die Abtrennung des Saargebiets vom Deutschen Reich. Auch über den fatalen Wunsch der Bevölkerung, bei der Saarabstimmung 1935 zu Hitler-Deutschland gehören zu wollen. „Das Saarland hat stark zur Etablierung von Hitlers Macht beigetragen“, sagt Frank Hirsch. Heute sieht der Madenfelderhof recht idyllisch aus, früher muss es jedoch die Hölle gewesen sein. In der Nähe befand sich nämlich das Kokereigelände, das eine Menge Dreck, Lärm und Staub mit sich brachte.

Nach der Wanderung: Stärkung mit Bergmannsfrühstück

Eckstein-Wanderung (Foto: SR/Sebastian Dingler)
Gruppe bei der Eckstein-Wanderung

Nach der Rückkehr zum Rechtsschutzsaal werden die Teilnehmer noch mit einem Highlight versorgt: Dort gibt es nämlich für jeden ein echtes Bergmannsfrühstück mit Bier, Lyoner und Weck. Und das, obwohl die Wanderung kostenlos angeboten wird. Die Teilnehmer sind am Ende begeistert. Einer von ihnen wohnt erst seit einem Jahr im Saarland und hätte nicht gedacht, dass es hier so eine Dichte an Bergwerken gab. Andere wiederum hatten persönlich noch mit dem Bergbau zu tun und schwelgen in alten Erinnerungen. Kurzum – die Eckstein-Wanderung ist für alle ein rundum gelungenes Erlebnis. 


Auf einen Blick


Kontakt
Rechtsschutzsaal Bildstock
Hofstraße 49
66299 Bildstock
Tel.: (06897) 94 139-0
E-Mail: info@rechtsschutzsaal.de
www.rechtsschutzsaal.de

Öffnungszeiten
Die nächsten Wanderung findet am 30. September statt.

Eintritt
Der Eintritt ist frei. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Eine schriftliche Anmeldung ist deshalb zwingend erforderlich.

Treffpunkt
um 9.45 Uhr; Beginn der Wanderung um 10.00 Uhr.


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Ein Thema in der "Region am Mittag" am 28.07.2023 auf SR 3 Saarlandwelle.

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