Tour de Kultur 2023: Die älteste Glasscheibe der Welt

Die älteste Glasscheibe der Welt

Besuch in der Abteikirche St. Peter und Paul in Wissembourg

Anke Schaefer   24.07.2023 | 06:00 Uhr

Sie ist Mittelpunkt und Ausganspunkt der Stadt Wissembourg: Die Abteikirche St. Peter und Paul. Im 7. Jahrhundert wurde hier ein Benediktinerkloster gegründet, das bald zu den reichsten im Heiligen Römischen Reich gehörte. Das Kloster sorgte dafür, dass die umliegende Stadt entstand und wuchs. Die heutige Kirche stammt aus dem 13. Jahrhundert, sie ist die zweitgrößte gotische Kirche im Elsass, größer ist nur das Straßburger Münster. Aus regionalem Sandstein erbaut, ist sie der Blickfang in der 8.000-Einwohner-Stadt Wissembourg.

André Reinwalt steht im Inneren, unter der Orgel. Er blickt in das lange, hohe Kirchenschiff in Richtung Chor. Er war als Bauingenieur bei der Stadt angestellt, jetzt ist er in Rente und Stadtführer.

Über André Reinwalt thront an einer Säule eine Statue des Merowinger-Königs Dagobert. „Lange sagte man hier in Wissembourg, der Gründer des Klosters wäre der König Dagobert“, erklärt Reinwalt. Er schüttelt den Kopf. Das sei eine Legende, meint er, die der Abt Edelin erfunden habe. Zu dessen Lebzeiten wurde im 13. Jahrhundert die gotische Kirche erbaut. Seit Historiker der Universität Straßburg sich die alten Gründungsdokumente in den 1930er Jahren genauer angesehen haben, weiß man: Der Gründer des Benediktiner-Klosters war kein König, sondern Dragobodo, ein Bischof aus Speyer.

Die Lüge verschaffte dem Mönch Edelin und seiner Abtei im 13. Jahrhundert wohl finanzielle Vorteile. Hatte man einen König als Gründer, war das etwas wert. Wir begegnen Edelin, im Querschiff hoch oben, in der Fenster-Rosette, die nach Süden ausgerichtet ist. Da ist der findige Mönch abgebildet: Eine kleine kniende, betende Figur, ganz unten in der Rosette. Neben ihm: Engel. „Das Bild vom Mönch Edelin ist noch ein sehr altes, es soll aus dem 13. Jahrhundert sein“, sagt André Reinwalt.

Größtes Wandgmälde in Frankreich

Abteikirche St. Peter und Paul in Wissembourg (Foto: SR/Anke Schäfer)
Der Altar in der Abteikirche St. Peter und Paul in Wissembourg

Die Abteikirche St. Peter und Paul ist für ihre alten Fenster bekannt, wir werden da gleich noch einen Schatz heben … Erst aber drehen wir uns hier im Querschiff einmal um und blicken an einem riesigen Wandgemälde hoch: Der Heilige Christophorus. Gemalt im 14. Jahrhundert. Das größte Wandgemälde in ganz Frankreich, sagt André Reinwalt stolz. Ich staune. Über elf Meter ist es hoch. 1862 hat man es entdeckt, über 100 Jahre später, 1967, restauriert. Dieser Heilige Christophorus trägt ein langes entzückend-hellrot kariertes Gewand, das Christuskind auf seinem Arm ist sichtlich guter Dinge.

Es gibt weitere sehenswerte Wand-Gemälde in dieser alten Kirche, aber wir machen jetzt einen Abstecher in die Sakristei. Früher war das der Kapitelsaal, in dem sich die Mönche versammelten um zu beten, auch um zu diskutieren. André Reinwalt deutet nach oben. Da ist über unseren Köpfen ein Schlussstein im Gewölbe, auf dem drei Hasen zu sehen sind. Die Besonderheit: Jeder Hase hat nur ein Ohr. Ergibt zusammen: Drei Ohren. Ein Sinnbild, so erklärt Reinwalt, für die Dreifaltigkeit.

Mit der Reformation kam der Stillstand

Er schließt die Sakristei-Tür. Wir gehen wieder durch die Kirche und stehen wenig später im Kreuzgang. Der stammt aus dem 14. Jahrhundert. In dieser Zeit hatten die Mönche nicht mehr so viel Geld, das Kloster verlor an Bedeutung, während die Stadt Wissembourg wichtiger wurde. In der Zeit des Wohlstands lebten bis zu 200 Mönche hier, kurz vor der Reformation waren es nur noch sechs.

Und als die Reformation über das Land zog, Mitte des 16. Jahrhunderts, verließen sie alle das Kloster. Wissembourg wurde protestantisch. Martin Bucer aus Séléstat, der Reformator Straßburgs, predigte hier. Die katholische Kirche St. Peter und Paul wurde nicht mehr genutzt. Die Menschen gingen zum Gottesdienst in die nahegelegene Stadtkirche St. Jean. Erst viel später kamen die Katholischen wieder nach Wissembourg zurück.

Replik der ältesten Glasscheibe der Welt

Abteikirche St. Peter und Paul in Wissembourg (Foto: SR/Anke Schäfer)

Wir durchqueren den Kreuzgang und stehen plötzlich in einer schlichten, kleinen romanischen Kapelle. Von der Stirnseite leuchtet uns eine ganze besondere Fensterscheibe entgegen: der Schatz. Eine Replik der ältesten Glasscheibe der Welt, so sagt André Reinwalt. 11. Jahrhundert. Das Original findet sich in Straßburg, im Musée de l’Oeuvre Notre-Dame. Ein helles Christusgesicht blickt uns entgegen: Bekannt als „Christus von Weißenburg“. Große Augen, langer Bart. Umrahmt wird das Antlitz von einem blauen Schein. Es befindet sich im Kreuzungspunkt eines rot-gelb leuchtenden Kreuzes.

André Reinwalt verabschiedet sich. Ich stehe noch lange in dieser alten Kapelle: Allein schon für den Blick auf dieses Glasfenster, lohnt sich die Reise in die Abteikirche St. Peter und Paul in Wissembourg.


Auf einen Blick


Kontakt
Office de Tourisme intercommunautaire de l’Alsace Verte
(Fremdenverkehrsamt Grünes Elsass)
6, place de l’Hôtel de Ville
F-67110 Niederbronn-les-Bains
Tel.: (00333) 88 80 89 70
E-Mail: commercialisation@alsace-verte.com
www.alsace-verte.com

St. Peter und Paul
Av. de la sous Préfecture
F-67160 Wissembourg

Öffnungszeiten
Täglich für Besucher geöffnet.

Eintritt
Der Eintritt ist frei, Spenden sind erwünscht.

Tipp
Die Sakristei ist zwar nicht immer offen, wohl aber der Kreuzgang und die romanische Kapelle mit der Replik der ältesten Glasscheibe der Welt!


Zurück zur Übersicht

Ein Thema in der "Region am Mittag" am 27.07.2023 auf SR 3 Saarlandwelle

Artikel mit anderen teilen

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja