Einmal Schmuggeln und zurück Wandern über die Grenze rein ins Saargebiet (Foto: Nadine Thielen)

Einmal Schmuggeln und zurück

Über die Grenze ins Saargebiet

Nadine Thielen   25.07.2022 | 06:00 Uhr

Eine Trillerpfeife sorgt für Stille mitten im Wald. Ein Mann ruft „Halt! Arrêtez!“ Hinter einem blau-weiß-roten Schlagbaum steht der Zöllner mit dunkelblauer Uniform und stoppt die Wanderer abrupt. Zugegeben, die Wanderer sind nicht überrascht – sie haben das nicht nur erwartet, sie sind genau wegen dieses Zöllners hier.

Die ganze Geschichte von vorn: Siebzehn Wanderer sind los gezogen, um mehr zu erfahren über das Leben in den 1950er Jahren an der saarländischen Grenze. Sie wandern von Gusenburg – einem 1.200 Einwohner-Ort bei Hermeskeil im rheinland-pfälzischen Hochwald bis nach Nonnweiler-Bierfeld ins Saarland. Genau dahin, wo noch vor gut 70 Jahren Grenzgänger jeden Tag beim Zoll ihre Taschen vorzeigen mussten und wo jeden Tag geschmuggelt wurde, was das Zeug hält, zumindest von einigen.

Luxusgüter aus dem Saarland

„So wie es heute viele in unserer Region nach Luxemburg zieht, so war es damals mit dem Saarland. Im angrenzenden Saargebiet konnte man viel mehr verdienen als im landwirtschaftlich geprägten Gusenburg“, erzählt Gästeführerin Iris Schleimer. Und auf dem Weg nach Hause packten dann eben einige ein bisschen mehr ein als erlaubt: Sie schmuggelten. „Im Saargebiet gab es damals viele Luxusgüter, die es hier nicht gab. Es gab dort Nylonstrümpfe, parfümierte Seife, hier gab es nur Kernseife. Der Kaffee war viel besser.“

Einmal Schmuggeln und zurück Wandern über die Grenze rein ins Saargebiet (Foto: Nadine Thielen)

Und genau auf diesen Spuren wandert Iris Schleimer mit den 17 Wanderern, die sich für zur Schmugglertour angemeldet haben. Sie ist es auch, die nach den ersten Metern der Wanderung Rucksäcke verteilt. Ganz genau fünf dunkle Rucksäcke. Fünf Wanderer schnallen sie auf den Rücken, ohne zu wissen, was drin ist. Und schon geht es los. Die Wanderung selbst ist vier Kilometer lang. Immer wieder gibt es Stopps – denn es gibt viel zu erzählen, über die Schmuggler vom Hochwald. So wie die Geschichte der geschmuggelten Schweine.

Die geschmuggelten Schweine

„Wenn, wie man so sagt, ,Schweine-Wetter‘ war, haben die Schmuggler ein Schwein genommen, haben es aufs Motorrad gesetzt, eine Motorradjacke und einen Hut aufgezogen. Und dann sind sie mit dem angebundenen Schwein als Beifahrer über den Zoll gefahren“, erzählt Iris Schleimer. „Bei dem schlechten Wetter sind die Zöllner dann nicht immer rausgekommen, haben gesehen, da sind zwei Leute auf dem Motorrad und dann war es gut.“

Einmal Schmuggeln und zurück Wandern über die Grenze rein ins Saargebiet (Foto: Nadine Thielen)

Es sind diese Geschichten, die sich die Gusenburger noch Jahre später beim Bierchen in der örtlichen Kneipe erzählt haben. Es heißt, der Tisch mit den Schmuggler-Geschichten sei immer der gewesen, an dem am meisten gelacht wurde. Und so kam die Idee zu den Schmugglerwanderungen. In den Anfängen vor knapp 25 Jahren war Oswald Schömer als Zeitzeuge noch mit dabei und erzählte die Geschichten von damals selbst.

Passfoto ersatzweise malen

Inzwischen erzählen sie andere für ihn weiter, wie Gästeführerin Schleimer. Aber erstmal gibt sie jetzt den Wanderern einen Auftrag: sich eine Art Ausweis zu besorgen, eine damals übliche Grenzgänger-Karte. „Hat jeder ein Passfoto dabei?“, fragt Iris Schleimer. „Die anderen dürfen das Bild dann ersatzweise malen.“

Butter-Schmuggel übers Sanella-Pädchen

Gut, vielleicht ist die Tour an dieser Stelle nicht ganz authentisch. Aber das stört die Wandergruppe kein bisschen. Erst wird fleißig gekritzelt und dann geht’s weiter. Vorbei am Sanella-Pädchen, wo viele offenbar damals Butter schmuggelten und durch die Dorhölle, einem Stück im Wald, wo der Dorhöllemann spukt, wie die Gusenburger ihn nennen. Die Bierfelder aus Nonnweiler kennen den auch, aber dort heißt er Glitzermännchen. Und dann reißt die Wanderer eine Trillerpfeife aus den Gedanken.

„Halt! Arrêtez!“

„Halt! Arrêtez!“ Da also ist er – unser frankophiler Zöllner am blau-weiß-rotem Schlagbaum: „Bonjour, guten Morgen! Sie wollen ins schöne Frankreich?“ Vereinzelte „Oui“ sind aus der Gruppe zu hören. „Sie sind herzlich willkommen, aber wir kontrollieren erst den Passeport.“ Alle zeigen nacheinander ihre Grenzgänger-Karte vor. Offenbar drückt Wolfgang Kaup in seiner Rolle als Zöllner einige Augen zu, was er bei den Passfoto-Kunstwerken auch muss. Alle dürfen durch. Zumindest vorerst – denn jetzt kommen die fünf Rucksäcke vom Anfang ins Spiel.

Kontrolle der fünf Rucksäcke

„Was ist in Ihrem Rucksack?“, fragt der Zöllner und packt eine Schnapsflasche aus. „Medizin“, versucht es die Wanderin. Das muss sie dem Zöllner beweisen. Vorsorglich hat jede Wanderin und jeder Wanderer ein Schnapsgläschen um den Hals bekommen. Der Zöllner füllt die Gläser der Wanderer mit dem, was in den Flaschen drin ist.

Einmal Schmuggeln und zurück Wandern über die Grenze rein ins Saargebiet (Foto: Nadine Thielen)

Laut den Etiketten auf besagten Flaschen müsste es sich um Essig, Franzbranntwein oder auch Geschirrspülmittel handeln, aber daran glaubt hier keiner. Außerdem findet der Zöllner Seife und Tabak. Und dann ist da noch dieser Wanderer mit einem Rucksack, der vom Inhalt selbst überrascht wird. Dass er die letzten Kilometer einen Spitzen-BH in seinem Rucksack hatte, nein, damit hatte er nicht gerechnet.

Viele neue Erfahrungen

Trotz einiger Schmuggelwaren – darunter auch Wurst, Käse und Brot – entscheidet sich der Zöllner, einfach alles an Ort und Stelle gemeinsam zu vernichten und ist gnädig mit den Schmugglern. Und die? Sind begeistert, so wie Silvia Esser, die die Tour gebucht hatte, um ihren Geburtstag nachzufeiern: „Ich fand‘s ganz toll. Dass man auch so vieles raus kramen kann, was man früher erzählt hat, das finde ich toll. Wir sind von Serrig hergekommen und sind ja doch noch ein bisschen weiter weg von der Grenze. Für mich war da ganz viel neu.“

Ein Traktor mit Planwagen fährt vor. Die letzten Kilometer auf dem Wagen haben sich die Wanderer jetzt verdient. Erst dann kehren sie wieder von ihrer Zeitreise zurück – ganz ohne Zollkontrollen an der Grenze ins Saarland. Denn auch wenn die Grenzkontrollen für viele spannende Erzählungen gesorgt haben, ist es doch gut, dass sie mittlerweile Geschichte sind.


Audio

Tour de Kultur: Einmal Schmuggeln und zurück
Audio [SR 3, Nadine Thielen, 27.07.2022, Länge: 03:07 Min.]
Tour de Kultur: Einmal Schmuggeln und zurück


Auf einen Blick


Kontakt
Tourist-Information Hermeskeil
Langer Markt 30
54411 Hermeskeil
Tel.: (06503) 80 95 00
E-Mail: info@hermeskeil.de
www.hermeskeil.de

Öffnungszeiten
Der Wanderweg ist ganzjährig begehbar

Preise (Stand: 29.07.2022)

  • Erwachsene bis 20 Teilnehmer: 370 Euro, jede weitere Person 18,50 Euro
  • Jugendliche bis 20 Teilnehmer: 320 Euro, jede weitere Person 16 Euro


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Ein Thema in der "Region am Mittag" am 27.07.2022 auf SR 3 Saarlandwelle

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