100 Jahre Radio - Ringsendung vom 28. Oktober 1963

Feier mit viel technischem Aufwand

 

Eine Ringsendung – viele können mit dem Begriff heute nichts mehr anfangen. Es handelt sich um eine Sendung, bei der mehrere Radioprogramme aus verschiedenen Funkhäusern zur Live-Übertragung zusammengeschaltet sind.

Heute sind Ringsendungen dank digitaler Satellitenverbindung technisch kein großes Problem mehr. Vor 60 Jahren, am 28. Oktober 1963, war das anders: Einen Tag vor dem 40. Jahrestag der ersten Sendung des „Unterhaltungsrundfunks“ in Deutschland schalteten sich die damals zehn Landesrundfunkanstalten, der Deutschlandfunk und der Berliner Rias zu einer solchen Gemeinschaftsproduktion zusammen.

Technik schon lange bekannt

Das war damals eine technische Herausforderung, auch wenn das Prinzip der Ringsendung schon seit Jahrzehnten bekannt war. Die Nationalsozialisten hatten von 1940 bis 1943 am Heiligabend mit Weihnachtsringsendungen die „Verbindung von Front und Heimat“ propagiert.

Nach dem Krieg wurde diese Art der Sendung vereinzelt genutzt. So brachte etwa Radio Saarbrücken, der Vorläufer des Saarländischen Rundfunks, am 22. Juli 1948 in einer Ringsendung fortlaufend Reportagen von der Tour de France, die damals auch durchs Saarland fuhr.

Sendung mit vielen Rundfunkgrößen

Nun also der Vorabend zum 40-jährigen Jubiläums des Radios in Deutschland. Schon bei der Vorstellung wurde in den ersten Minuten präsentiert, was hier an technischer Leistung gelungen war. Alle angeschlossenen Funkhäuser meldeten sich kurz zu Wort.

Unter den Sprechern dieser besonderen Sendung waren eine ganze Reihe bekannter Rundfunkgrößen. Für den damaligen Sender Freies Berlin etwa sprach Hans-Werner Kock, Anfang der sechziger Jahre schon ein bekannter Radiosprecher. Später moderierte er fürs Fernsehen die Berliner Abendschau, darunter auch die legendäre Mauerfall-Ausgabe vom 10. November 1989.

Rudi Schmitthenner (Foto: SR)
Rudi Schmitthenner

Aus Bremen war der Gründer des Senders, Hans Günther Oesterreich, zugeschaltet. Saarbrücken war mit Rudi Schmitthenner vertreten, einem SR-Urgestein, das schon dabei war, als der Sender noch Radio Saarbrücken hieß und aus der Saarbrücker Wartburg sendete.

Für den Bayrischen Rundfunk sprach der spätere langjährige Nachrichtenchef Walther von La Roche. Geleitet wurde die Sendung von Gerhard Bogner, der beim Bayrischen Rundfunk 40 Jahre lang in leitenden Positionen gearbeitet hat. Präsentiert wurde die Sendung allerdings vom sogenannten „Sternpunkt“ im Haus des Rundfunks an der Berliner Masurenallee, dem ältesten deutschen Funkhaus. Heute residiert dort der Nachfolger des Sender Freies Berlin, der Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Idee kam bei Rückreise aus Amerika

Hans Bredow gilt als einer der Begründer des deutschen Rundfunks – und das auch wortwörtlich, denn er begründete nicht nur den Rundfunk, sondern prägte 1919 auch diesen Begriff. Der Hochfrequenztechniker war Vorsitzender des Verwaltungsrates der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Am Tag der Machtergreifung, dem 30. Januar 1933, reichte er seinen Rücktritt ein. Nach dem Krieg war er unter anderem Vorsitzender des Verwaltungsrates des Hessischen Rundfunks.

In einem Interview erinnerte sich Bredow später an den 29. Oktober 1923. Es sei für ihn der Abschluss langwieriger, schwieriger Vorbereitungen gewesen. „Für Deutschland begann an diesem Tage das Rundfunkzeitalter.“

Funkingenieur Hans Bredow (Foto: picture alliance/akg-images)
Funkingenieur Hans Bredow

Schon im Februar 1913 hatte er während eines Amerika-Aufenthaltes mit einer Hochfrequenzmaschine die drahtlose Sprachübertragung vorgeführt, „zwecks Propagierung der Einrichtung drahtloser Sprechverbindungen als Ergänzung für den Telefonverkehr über Drahtleitungen“. „An einen speziellen Rundfunk dachte man damals noch nicht“, so Bredow.

Auf der Rückreise – per Schiff – erhielt Bredow über Funk Grüße seiner in New York zurückgebliebenen Mitarbeiter, verbunden mit „gelungenen Musikdarbietungen“. „Bei dieser Gelegenheit kam mir eigentlich zum ersten Mal blitzartig die Idee von zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten der drahtlosen Telefonie außerhalb des Sprechverkehrs, an dessen Entwicklung damals gearbeitet wurde.“

Mikrofon-Vorverstärker oder Sender-Vorverstärker (Modulations-Verstärker) von Telefunken für den Sender II im Arbeitsraum der Funkstunde AG im Voxhaus Berlin 1924. (Foto: picture alliance/akg-images)
Mikrofon-Vorverstärker oder Sender-Vorverstärker (Modulations-Verstärker) von Telefunken für den Sender II im Arbeitsraum der Funkstunde AG im Voxhaus Berlin 1924.

So kam es schließlich zum Start des deutschen Rundfunks. Am 29. Oktober 1923 ertönte aus der Potsdamer Straße in Berlin die erste Ansage: „Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin im Voxhaus, auf Welle 400 Meter.“

Friedrich Georg Knöpfke, der Direktor der „Funkstunde Berlin“, fuhr fort: „Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig. Als erste Nummer bringen wir: Cellosolo mit Klavierbegleitung, Andantino von Kreisler, gespielt von Herrn Kapellmeister Otto Urak, am Flügel Herr Fritz Goldschmidt.“

350 Milliarden Mark Rundfunkgebühr

Erster offiziell eingetragener und damit zahlender deutscher Hörer war Wilhelm Kollhoff. Zuvor hatten einige wenige deutsche Radioenthusiasten mit Detektorapparaten – frühe Radios mit Kopfhörern, ohne Lautsprecher – schon die Möglichkeit gehabt, Sendungen aus Frankreich und England zu empfangen.

Insgesamt waren in Deutschland im Oktober 1923 genau 253 Personen angemeldet und hatten bei der Post für die sogenannte „Rundfunkempfänger-Lizenz“ bezahlt – aufgrund der grassierenden Inflation die unglaubliche Summe von rund 350 Milliarden Mark.

Anfangs viele Störungen

Doch den Rundfunk plagten zunächst Kinderkrankheiten. So störten zum Beispiel in Köln die Elektromotoren der Straßenbahn den Radioempfang. Der damalige Oberbürgermeister, Konrad Adenauer, soll als einer der ersten die Entstörung der Straßenbahn versprochen haben. Und in Stuttgart zögerte ein Geldgeber der zu gründenden Radiogesellschaft. Er befürchtete, die Menschen würden im Winter für den Radioempfang die Fenster offen lassen.

Auch die Ringsendung 1963 verlief nicht pannenfrei. Sieben der zwölf Sender meldeten zwischendurch Sendeausfälle. Und doch war die Sendung eine technische Meisterleistung. Gesendet wurde damals eine Live-Reportage aus der Lufthansa-Maschine 211, die gerade von Düsseldorf nach München flog – auch wenn das Interview mit dem Piloten kaum zu verstehen war.

„Heißer Draht“ im Äther

Auch die internationale Politik kam zur Sprache. ARD-Korrespondent Erwin Behrens meldete sich „aus einem winzigen Studio des Moskauer Haupttelegrafenamtes, zwei Minuten vom Kreml entfernt“ und sprach live in der Sendung mit seinem Kollegen Peter Pechel, der in Washington am Mikrofon saß. Sie unterhielten sich – wie sollte es anders sein – über das Wetter, aber auch über den Ankauf amerikanischen Weizens durch die Sowjetunion und das Ende der Kuba-Krise ein Jahr zuvor über den „heißen Draht“. Auch der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy war Thema der Unterhaltung zwischen Washington und Moskau. Er wurde keine vier Wochen nach dieser Sendung in Dallas, Texas ermordet.

Musiker in verschiedenen Landesrundfunkanstalten, die live zusammen spielen, eine Schaltung zu einer Relaisstation der Deutschen Welle nach Kigali im ostafrikanischen Ruanda, ein Gruß der ältesten Radiostation der Welt (KDKA Pittsburgh) – diese Ringsendung hatte es wahrlich in sich und verband – auch über Grenzen hinweg.


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