Rüstungsindustrie als Chance für saarländische Autozulieferbetriebe?
Einige saarländische Autozulieferer hoffen, zukünftig Geschäfte mit der Rüstungsindustrie machen zu können. Die Autoindustrie steckt in der Krise, das spürt die von Zulieferbetrieben geprägte saarländische Automotive-Branche besonders. Allerdings sind die Hürden für Rüstungsprodukte hoch.
„Ohne die Aufträge aus der Wehrtechnik würden wir jetzt nicht hier stehen“, sagt Thomas Fuchs, Geschäftsführer von FWM Fuchs Werkzeug- und Maschinenbau aus Lebach. Seine Firma produziert schon seit über einem Jahrzehnt für Rüstungsunternehmen wie KNDS, Rheinmetall und Diehl.
Der Schwerpunkt lag jedoch immer auf der Autoindustrie. Wegen der Krise der deutschen Autobauer brechen vielen Zulieferern sukzessive Aufträge weg. „Die Umsätze, was Wehrtechnik angeht, haben sich die letzten Jahre mehrfach verdoppelt“, sagt Fuchs.
Ursprünglich habe der Wehrtechnik-Umsatz lediglich zwei, drei Prozent ausgemacht. Dieses Jahr rechnet Fuchs mit einem Umsatzanteil von 70 bis 80 Prozent.
Hohe Anforderungen an Wehrtechnik
Der schnelle Euro ist in der Rüstungsbranche nicht zu verdienen – im Gegenteil. Denn jedes einzelne Teil und der gesamte Produktionsprozess müssen zertifiziert werden, bevor die Teile im Panzer, Kampfjet oder Hubschrauber verbaut werden dürfen.
Prototypenteile werden teilweise mehrmals wochenlang getestet. Insgesamt ein teils jahrelanger Prozess, bis mit den Produkten wirklich Geld verdient werden kann. Fuchs stellt ganz kleine Teile, filigrane Metallelemente und große Panzerseitenwände her – also eine große Bandbreite. „Es gibt im Prinzip kein Rüstungsfahrzeug, indem keine Bauteile von uns drin sind“, erläutert Fuchs.
IHK sieht großes Potenzial im Saarland
Auch die Industrie und Handelskammer des Saarlandes moniert hohe bürokratische Hürden, komplexe Genehmigungsverfahren und ein spezielles Vergabewesen bei der Bundeswehr. Aus Sicherheitsgründen sei die Rüstungsindustrie sehr stark reguliert. „Die Politik ist jetzt hier aber gefordert, zu vereinfachen und zu beschleunigen“, betont Frank Thomé, der Hauptgeschäftsführer der IHK des Saarlandes.
Vom Sondervermögen sei noch kein Euro hier gelandet, erläutert Unternehmer Fuchs. „Die aktuell laufenden Aufträge stammen überwiegend aus Dänemark, Ungarn und den baltischen Staaten.“
Nichtsdestotrotz sieht die IHK mit Blick auf das Sondervermögen und das Lockern der Schuldenbremse für Militärausgaben enormes Potenzial für weite Teile der Saarwirtschaft. Nicht nur Industrie, sondern auch „Konstruktionsbüros, Maschinen- und Anlagenbauer, aber auch Komponentenhersteller und Industriedienstleister könnten profitieren“, betont Thomé.
Viele Wehrtechnik-Zulieferer eher verschwiegen
Noch produzieren nicht viele saarländische Zulieferer für die Wehrindustrie. Im Zuge unserer Recherche haben wir mit knapp zehn Betrieben gesprochen. Äußern wollten sich die meisten öffentlich nicht – teilweise aufgrund vertraglicher Verschwiegenheitserklärungen, teilweise aus Sorge vor negativen Auswirkungen. Seit Russlands Angriffskrieg in der Ukraine hat sich die gesellschaftliche Stimmung in Bezug auf Rüstungsproduktion zwar verändert. Trotzdem polarisiert das Thema weiterhin.
Zeitenwende besonders bei politischer Wahrnehmung
Statt öffentlicher Randerscheinung plötzlich im Rampenlicht: Der Blick auf die Rüstungsindustrie hat sich in Rekordzeit gewandelt – besonders politisch. So bezeichnete die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) Ende Oktober 2024 KNDS Maintenance aus Freisen explizit als Hoffnungsträger.
„Es gibt zurzeit kaum einen Bereich, der in ähnlicher Weise Arbeitsplätze aufbaut wie die Rüstungsindustrie“, sagte Rehlinger im Rahmen einer Pressekonferenz, auf der sie offiziell verkündete, dass ein großer Hoffnungsträger, der US-Chiphersteller Wolfspeed, auf unbestimmte Zeit nicht wie geplant eine Chipfabrik in Ensdorf bauen wird.
Auch andere Landtagsparteien, unter anderem die CDU, setzen Hoffnungen in die Rüstungsindustrie und fordern von der Landesregierung mehr Anstrengungen beim Werben um die Unternehmen dieser Sparte.
KNDS in Freisen auf Wachstumskurs
Wenig überraschend profitieren Rüstungsunternehmen von der steigenden Zahl kriegerischer Konflikte. Das spürt auch KNDS Maintenance in Freisen. Vor zehn Jahren arbeiteten dort rund 180 Menschen. Heute sind es bei Deutschlands größtem zivilen Instandsetzer 660. Der Gewinn stieg in dem Zeitraum von gerade einmal 60.000 Euro auf bis zu neun Millionen Euro.
Vom Fachkräftemangel ist hier aktuell nichts zu spüren. „Weil die Automotivbranche im Saarland gerade eine Durststrecke durchlebt, können wir uns vor Initiativbewerbungen gerade gar nicht retten“, erläutert Christoph Cords, der Sprecher der Geschäftsführung von KNDS Maintenance. Der Personalbedarf könnte in den kommenden Jahren noch steigen.
Stellt KNDS bald Transportpanzer her?
Bisher repariert, wartet und verbessert KNDS insgesamt 110 Militärfahrzeuge – überwiegend von der Bundeswehr, aber auch von NATO-Verbündeten. Zukünftig könnte KNDS in Freisen erstmals auch selbst ein Fahrzeug herstellen: den Patria 6x6. Der Transport-Radpanzer vom finnischen Rüstungskonzern Patria soll bei der Bundeswehr den Fuchs ablösen und in Kooperation mit KNDS gebaut werden.
„Es wäre ein Meilenstein, denn das hieße, wir wären nicht nur Dienstleister, sondern auch echter Hersteller“, sagt KNDS-Produktionsleiter Volker Paulus. Der Sprecher der Geschäftsführung, Cords, rechnet noch in diesem Jahr mit dem offiziellen Go der Bundesregierung. „Das würde den Standort bis 2035-2040 sichern.“ Damit wäre die Zeitenwende dann endgültig bei KNDS in Freisen angekommen.
Ein Thema in der Sendung "Guten Morgen" auf SR 3 Saarlandwelle am 02.06.2025.