Erst Hausarzt, dann Facharzt? Was Saar-Hausärzte von den Plänen der Bundesregierung halten
Bei Beschwerden aller Art erstmal ins Wartezimmer beim Hausarzt – der behandelt dann weiter oder überweist zum Facharzt. So sieht es das von der Bundesregierung geplante Primärarztsystem vor. Das Prinzip "Arzt für alle Fälle" soll unter anderem die Terminlage bei Fachärzten entschärfen. Wie das bei den Hausärzten im Saarland ankommt.
Es ist eines der viel diskutierten Vorhaben der neuen Bundesregierung: das sogenannte Primärarztsystem. Dabei sollen Patientinnen und Patienten nicht mehr eigenständig Fachärzte aufsuchen, sondern grundsätzlich zunächst ihre Haus- oder Kinderärzte. Diese sollen dann gegebenenfalls einen Bedarf für einen Facharzttermin feststellen und Überweisungen ausstellen. Ausgenommen sein sollen Gynäkologen, Augen- und Zahnärzte.
Die Idee dahinter: Der Hausarzt soll als Lotse fungieren, unnötige Facharztbesuche könnten so vermieden werden. Dabei klagen die Hausärzte schon jetzt über eine angespannte Lage; viele Ärzte fühlen sich überlastet. Und diese Belastung könnte noch schlimmer werden, wenn das Primärarztsystem kommt. Denn dann müssten deutlich mehr Patienten als bisher zum Hausarzt, auch wenn sie eigentlich zum Facharzt wollen.
Weitgehend Zustimmung bei Hausärzten im Saarland
Wie kommen diese Pläne bei den Hausärztinnen und -ärzten im Saarland an? Katrin Bernhardt, Inhaberin einer Hausarztpraxis in Theley, rechnet dadurch mit bis zu fünf Patienten mehr am Tag. Das sei machbar, sagt sie. Bernhardt sieht aber einen anderen Knackpunkt. Sie glaubt, der Patient könne sich durch diese Vorgabe bevormundet fühlen.
Ihr Kollege Ulli Schweig, Allgemeinmediziner mit eigener Praxis in Saarbrücken, begrüßt das Primärarztsystem dagegen ausdrücklich. Es schone Ressourcen; durch gezieltes Filtern könne die Terminlage bei den Fachärzten entschärft werden. Und auch er glaubt, dass die Mehrbelastung durch noch mehr Patienten bei den Hausärzten durchaus zu stemmen sei.
"Wir müssen sicherlich einen Teil unserer Sprechstunden umstrukturieren", sagt Schweig. Es gehe darum, zu unterscheiden zwischen Patienten, die zu einem Facharzt überwiesen werden sollen und Patienten, deren Beschwerden keinen Facharztbesuch nötig machten.
Weiterhin freie Arztwahl möglich
Auch Michael Kulas, Vorsitzender des Hausärzteverbands im Saarland, hält das Primärarztsystem für sinnvoll. Dadurch könne sichergestellt werden, dass Patienten die Behandlung bekommen, die sie auch wirklich brauchen. Zudem glaubt Kulas daran, dass sich durch das neue Modell die Wartezeiten für Facharzttermine tatsächlich verkürzen können.
Im Gespräch mit dem SR betonte er, dass die freie Arztwahl nicht gefährdet werde. Patienten können weiterhin selbst entscheiden, welchen Hausarzt bzw. welchen Facharzt sie bei Bedarf aufsuchen.
Saar-Gesundheitsminister für neues Modell
Auch der saarländische Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD) unterstützt die Pläne aus Berlin. Er sieht auch keine Probleme durch Engpässe bei den Hausärzten, trotz drohender Unterversorgung in Wadern, Lebach, St. Ingbert und Neunkirchen.
In diesen Regionen liege der Versorgungsgrad zwar knapp unter 80 Prozent, so Jung. Trotzdem bekämen die Bürgerinnen und Bürger "dort aber immer noch einen Termin beim Hausarzt".
Bis das Lotsenmodell an den Start geht, gibt es allerdings noch jede Menge Diskussionsbedarf. Mindestens solange müssen sich Patienten wohl weiterhin mit langen Wartezeiten auf Facharzttermine abfinden.
Mehr zum Primärarztsystem:
Über dieses Thema hat auch der "aktuelle bericht" im SR Fernsehen am 25.06.2025 berichtet.