"Es ist zu viel passiert in diesen drei Jahren, um zu schweigen"

Umgang mit der Corona-Pandemie: Die Regierung wird vieles aufarbeiten müssen

Janek Böffel   06.09.2023 | 15:43 Uhr

Zwei Tage lang hat der Gesundheitsausschuss nun getagt. Expertinnen und Experten aus fast allen Gesellschaftsbereichen angehört, was in der Pandemie gut und was falsch gelaufen ist. Ein richtiger Schritt, aber nur ein erster, findet SR-Landespolitikreporter Janek Böffel in seinem Kommentar.

Lange musste das Land auf diese Aufarbeitung warten. Oder besser gesagt: diese erste Aufarbeitung. Im April war die allerletzte Einschränkung gefallen. Zeit genug also, das eigene Handeln, aber auch das vieler Anderer zu bewerten.

Doch lange herrschte Stille, nicht nur im Politischen. Es schien, als wäre dieses Thema Corona, das drei Jahre lang alles Leben im Griff hatte, dieses weltweite Jahrhundertereignis, mit dem Wegfall der letzten Maskenpflicht verschwunden.

Und ja, es schien auch so, als wäre wir alle müde von diesem Corona, das so sehr alles Handeln bestimmt hat. Wie eine ferne Erinnerung aus lange vergangenen Zeiten. Das Leben hatte uns wieder, also warum drüber reden, so schien es fast.

Die nächste Pandemie kommt gewiss

Doch es ist zu viel passiert in diesen drei Jahren, um zu schweigen. Im Leben, aber vor allem auch politisch. Und deshalb ist es richtig, sich damit zu beschäftigen. Und neben vielen Lehren, die die Anhörung im Gesundheitsausschuss aufgezeigt hat, war eine der Erkenntnisse dieser vergangenen zwei Tage, dass der Abstand gut getan hat.

Dass viele richtige Entscheidungen, aber vor allem Probleme und Fehler klarer und deutlicher benannt werden können, ohne den Furor des Anklagens wie so oft während der Pandemie. Sondern nüchtern und rational.

Und schon die Liste der zur Anhörung Geladenen zeigte, wo überall Corona seine Spuren hinterlassen hat, aber auch welche Lehren es uns aufgibt. Denn die nächste Pandemie kommt gewiss.

Video [aktueller bericht, 05.09.2023, Länge: 04:26 Min]
Gesundheitsminister Magnus Jung zur Pandemiebewältigung

Ja, auch das gehört zur Wahrheit: Nicht alle waren der Einladung gefolgt, Manche auch nicht eigeladen, zu viele waren aber auch einfach fern geblieben. Warum keine Schulen, warum kein Sport, keine Kultur? Was ist mit denen, die sich goldene Nasen verdient haben in der allgemeinen Aufregung?

Und ja, vielleicht hätte auch das Parlament selbst Rede und Antwort stehen müssen, über sein Handeln und langes Nicht-Handeln während Corona. Über Monate hatte der Landtag stillschweigend die Handlungseile der Landesregierung wie ein Unbeteiligter beobachtet, zur Kenntnis genommen. Erst das Verfassungsgericht hatte ihn quasi zum Jagen treiben müssen.

Regierung muss vieles aufarbeiten

Vor allem aber wird die Regierung vieles aufarbeiten müssen, was auch mit dem Regierungswechsel teils liegen geblieben, teils nur ungern angefasst wurde. Was war richtig, was war falsch, was war vielleicht sogar beides gleichzeitig?

Ja, es ging damals um ein höheres Wohl, das Leben Vieler. Aber was war tatsächlich angemessen, was guter Wille, was ein viel zu tiefer Eingriff in unser aller Grundrechte? Das Spahn‘sche Diktum, wir werden uns viel zu verzeihen haben, es gilt, aber es wurde nie erfüllt.

Untersuchungsausschuss bessere Wahl?

Vielleicht wäre deshalb ein Untersuchungsausschuss die beste Wahl. Eine lange ausführliche Aufarbeitung im Parlament mit allen Beteiligten. Mit Zeit, Fragen zu stellen und Antworten einzufordern. Nicht ein Parforceritt, wie nun im Gesundheitsausschuss, so richtig er war.

Ein Untersuchungsausschuss, der sich nicht wie sonst üblich als Pranger, als Abrechnung versteht. Sondern als öffentliches Forum, in dem alles auf den Tisch kommt. Denn mit weniger darf sich das Land angesichts der Tragweite dieser Pandemie nicht zufrieden geben.


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