Blick von oben auf einen Schulhof und begrünter Fläche (Foto: IMAGO / Rupert Oberhäuser)

Bislang keine Klimafolgen-Konzepte im Saarland

Axel Wagner   13.07.2023 | 05:00 Uhr

Die Anpassung an das sich verändernde Klima steckt im Saarland noch weitgehend im Anfangsstadium. Nur der Kreis Merzig-Wadern und der Regionalverband arbeiten bereits an umfassenden Konzepten. Ansonsten ist die Lage uneinheitlich.

Kein einziger Landkreis im Saarland hat bislang ein fertiges Konzept mit Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in der Tasche. Das zeigt eine bundesweite Recherche von Correctiv, NDR, BR und WDR, die dem SR vorliegt. Befragt wurden alle deutschen Landkreise.

Dabei wären solche Konzepte dringend nötig, denn die Extremwetterereignisse wie Starkregen, Stürme oder Hitzewellen nehmen nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auch in Deutschland zu. Ein Ende ist nicht in Sicht.

"Man setzt an vielen Ort auf die Begrünung mit Bäumen"
Audio [SR 3, Moderation: Frank Hofmann/im Gespräch: Datenjournalistin Isabel Lerch, 13.07.2023, Länge: 02:48 Min.]
"Man setzt an vielen Ort auf die Begrünung mit Bäumen"

Mehrere Kreise ohne eigene Gutachten

Immerhin: Der Regionalverband Saarbrücken und der Landkreis Merzig-Wadern arbeiten daran. Im Kreis Merzig-Wadern verweist man auf bestehende Konzepte auf Gemeindeebene in Merzig, Losheim und Wadern, bei eigenen Liegenschaften in Weiskirchen sowie auf Hochwasser- und Starkregenkonzepte in Mettlach und Perl. Auch in einigen anderen Gemeinden gibt es bereits umfassende oder teilweise Konzepte.

In den übrigen drei Kreisen sieht die Lage dagegen schlecht aus. Sowohl Neunkirchen als auch Saarlouis und der Saarpfalz-Kreis haben bislang laut eigener Aussage keine eigenen Gutachten zu den Klimafolgen in Auftrag gegeben. Sogenannte „Vulnerabilitätsanalysen“ zu Risiken von etwa Hitze, Dürre oder Wassermangel fehlen ebenso wie Modellierungen des Stadtklimas.

Zunahme von Extremwetter-Ereignissen erwartet

Darunter versteht man Untersuchungen zur Hitzeentwicklung. Wenn zum Beispiel in einer Straße viel Fläche versiegelt und wenig begrünt ist, ist es dort im Sommer deutlich heißer als in einer Straße mit vielen Bäumen und Grünflächen.

Alle Kreise rechnen mit einer Zunahme des extremen Wetters, viele auch mit deutlich steigenden Kosten durch Folgeschäden.

Maßnahmen zur Anpassung

Mit Unterstützung der Technischen Universität Dortmund haben Correctiv und seine Partner die folgenden Maßnahmen zur Anpassung an die Klimafolgen definiert und bei den Landkreisen abgefragt:

Hitze

  • Hitzeaktionsplan
  • Begrünung von Fassaden und Dächern
  • Entsiegelung von Flächen, also die Entfernung von Asphalt, Pflastersteinen usw.
  • Begrünung mit Bäumen
  • Beschattung durch (mobile) konstruktive Elemente
  • Anlegen von Wasserflächen

Dürre

Wassermangel, Trinkwassermangel

  • Regelung zur Wasserentnahme, stärkere Reglementierung zur Trink- und Grundwasserentnahme
  • Vorhersagemodell für die Entwicklung des Grundwassers
  • Anlage von Wasserreservoirs oder ähnlichem

Starkregen

  • Anwendung von Schwammstadt-Prinzipien, also der Aufforstung, Flächenentsiegelung und Gewässerrenaturierung. Das Konzept hat das Ziel, möglichst viel Regen- bzw. Oberflächenwasser vor Ort aufzunehmen und zu speichern.
  • Schaffung oder Erweiterung von Überflutungsflächen
  • Anpassung des Hochwassermanagements an die Häufung von extremen Hochwassern, etwa durch Bodenschwellen, mobile Hochwasserwände und Nachbesserungen an Häusern)

Hochwasser

  • Deiche, Mauern oder Flutpolder (eingedeichte Rückhalteräume neben Flüssen)
  • Anwendung von Schwammstadt-Prinzipien
  • Angepasstes Hochwassermanagement

Daneben gibt es für die Küstenregionen auch noch zusätzliche Maßnahmen für den steigenden Meeresspiegel wie etwa sogenannte Klimadeiche, Wellenbrecher oder Absperrwerke.

Bäume werden mit Wassersäcken bei anhaltender Hitze vor dem Vertrocknen geschützt. (Foto: IMAGO / blickwinkel)
Bäume werden mit Wassersäcken bei anhaltender Hitze vor dem Vertrocknen geschützt.

So sieht es in den Kreisen aus

Fast alle Landkreise bereiten derzeit einen Hitzeaktionsplan vor, nur in St. Wendel gibt es dazu noch keine Entscheidung. Merzig-Wadern, Neunkirchen und St. Wendel sowie der Regionalverband Saarbrücken haben auch die sogenannten Schwammstadt-Prinzipien bereits umgesetzt. Bei den sonstigen Maßnahmen sind die Kreise unterschiedlich weit.

Der Kreis Merzig-Wadern etwa hat bereits die Begrünung von Fassaden und Dächern sowie Entsiegelungsmaßnahmen umgesetzt, außerdem wurden Bäume gepflanzt. Für die Anpflanzung resistenter Arten und langsame Abflusssysteme fehlt noch die Finanzierung. Geplant sind Änderungen bei den Grabenentwässerungssystemen, Überflutungsflächen, Deiche und eine Anpassung des Hochwassermanagements.

Im Regionalverband Saarbrücken sind resistente Pflanzenarten bereits gepflanzt und langsame Abflusssysteme gefördert, auch Überflutungsflächen und Rückhaltebecken gibt es, und das Hochwassermanagement ist angepasst. Ähnlich sieht es im Kreis Neunkirchen aus.

Der Kreis Saarlouis möchte gerne Wasserflächen anlegen, hat dafür aber noch keine Finanzierung. Ob Flächen entsiegelt werden sollen, ist noch nicht abschließend entschieden. Umgesetzt dagegen ist die Begrünung. Für Starkregen oder Hochwasser sind noch keine konkreten Maßnahmen vorgesehen.

Im Saarpfalz-Kreis verweist man lediglich auf die Gemeinden. In St. Ingbert gibt es demnach bereits ein Klimafolgen-Konzept, im Mandelbachtal eine Starkregenuntersuchung. Blieskastel hat Hochwasservorsorge getroffen, und Gersheim hat Konzepte für Hochwasser und Starkregen in der Schublade.

Im Kreis St. Wendel wurden Fassaden und Dächer begrünt, Bäume gepflanzt und Beschattungselemente aufgestellt. Resistente Pflanzenarten wurden gesetzt, Grabenentwässerungssysteme umgesteuert. Es gibt Regelungen zur Wasserentnahme, eine Grundwasservorhersage und Wasserreservoirs, ebenso Überflutungsflächen, Deiche, Rückhaltebecken und ein angepasstes Hochwassermanagement.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Saarland die Herausforderung angenommen hat, aber noch nicht optimal vorbereitet ist. Bis in allen Kreisen umfassende Konzepte vorliegen, bleibt noch viel zu tun.

Diese Auswertung ist Teil einer Kooperation des SR mit Correctiv, NDR, BR und WDR. Das Netzwerk Correctiv.Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt langfristig über die Klimakrise. Weitere Infos unter https://correctiv.org/themen/klima/.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 13.07.2023 berichtet.


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