Zweiter Kanzler-Wahlgang für Merz am Nachmittag
Friedrich Merz ist im ersten Wahlgang zum neuen Bundeskanzler gescheitert. Saar-Politiker von SPD und CDU betonen, sie stünden "geschlossen" hinter Merz. Der zweite Wahlgang läuft.
Am Dienstagvormittag hätte Friedrich Merz zum neuen Bundeskanzler gewählt werden sollen. Nach Auszählung der Stimmen erreichte er im ersten Wahlgang aber nicht die erforderliche Mehrheit. 310 Abgeordnete stimmten für ihn, 307 gegen ihn. 316 Ja-Stimmen wären notwendig gewesen.
Zweiter Wahlgang läuft
Es ist das erste Mal in der bundesdeutschen Geschichte, dass ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang scheitert. Ein möglicher zweiter Wahlgang kann nach Artikel 63 im Grundgesetz "binnen vierzehn Tagen" stattfinden. Dass dieser noch heute stattfindet, darauf haben sich die Koalitionspartner Union und SPD zusammen den Fraktionen von Grünen und Linken verständigt.
Seit 15.15 Uhr läuft nun der zweite Wahlgang.
SPD-Fraktion "geschlossen" für Merz als Kanzler
Der saarländische SPD-Bundestagsabgeordnete und designierte Fraktionsvize Esra Limbacher fand im Anschluss an den gescheiterten ersten Wahlgang mahnende Worte: "Die Lage in Deutschland und Europa ist sehr ernst. Unser Land braucht jetzt eine stabile Regierung. Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter empfinde ich es als meine Pflicht, alles dafür zu tun, dass wir diese Stabilität schnell erreichen", sagte Limbacher.
Die SPD nehme diese Verantwortung an: "Über 80 Prozent unserer Mitglieder haben der Koalition mit der Union zugestimmt, und die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt geschlossen die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler".
Ähnlich äußerte sich auch die saarländische SPD-Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb. Das Mitgliedervotum der SPD habe deutlich gezeigt, dass die Partei bereit sei, Verantwortung zu übernehmen.
"Die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, dulden keinen Aufschub. Alle Voraussetzungen für die Bildung einer neuen Regierung liegen auf dem Tisch. Jetzt braucht es Klarheit und Führungsverantwortung", sagte sie.
CDU-Politiker wollen schnelle Lösung
Auch der saarländische CDU-Vorsitzende Stephan Toscani betonte, seine Partei stünde "geschlossen hinter unserem Kanzlerkandidaten und zu der Verantwortung für unser Land." Es müsse schnell einen zweiten Wahlgang geben. "Die Lösung der Probleme in unserem Land duldet keinen Aufschub und kein Taktieren.“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roland Theis erklärte auf SR-Anfrage, die Lage sei schwierig. Die Koalitionsparteien müssten jetzt schnellstmöglich eine Lösung finden.
Dass Friedrich Merz in einem zweiten Wahlgang noch einmal antreten werde, sei aber klar.
Saar-AfD-Chef Becker: "künftige Regierung scheitert"
Der saarländische AfD-Abgeordnete Carsten Becker sieht das Scheitern von Merz im ersten Wahlgang als Scheitern der künftigen Regierung. Mit wackeligen Mehrheiten könne auch keine Migrationswende funktionieren, sagte Becker dem SR.
Dillschneider: Verantwortung bei Union und SPD
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete aus dem Saarland, Jeanne Dillschneider, sieht die Verantwortung für das Scheitern der Kanzlerwahl im ersten Wahlgang bei Union und SPD. "Beiden ist es nicht gelungen, ihre eigenen Reihen zu schließen", sagte sie. "Diese Regierung muss aus eigener Kraft eine Mehrheit finden, sonst ist sie nicht funktionsfähig. Herr Merz kann von uns Grünen keine Stimmen erwarten, um die fehlende Mehrheit seiner eigenen Koalition auszumerzen", sagte sie.
"Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage und weltweiter Unsicherheiten können wir uns keine Instabilität leisten. Für Deutschland, im Herzen Europas, sind die Herausforderungen schlicht zu groß, um in Stillstand zu verfallen."
Zur Person
Merz hat in Saarbrücken als Anwalt gearbeitet
Der CDU-Politiker hat in Bonn und Marburg studiert, sein Referendariat als Jurist dann aber in Saarbrücken gemacht.
Nach dem zweiten Staatsexamen startete er seine Laufbahn 1985 als Richter am Amtsgericht Saarbrücken.
Merz‘ Frau Charlotte stammt aus dem Saarbrücker Stadtteil St. Arnual. Sie heirateten 1981 und lebten später auf dem Rotenbühl in Saarbrücken. 1986 zogen sie dann aus dem Saarland weg. Merz arbeitete fortan als Rechtsanwalt.
Merz wird schon früh CDU-Mitglied
In die CDU trat Merz schon als Schüler ein und war in der Jungen Union in Brilon aktiv. 1989 wurde er bei der Europawahl ins Europäische Parlament gewählt. Von 1994 bis 2009 saß er schließlich als CDU-Abgeordneter für den Wahlkreis Hochsauerlandkreis im Bundestag. Anschließend zog er sich ein Stück weit von der bundespolitischen Bühne zurück.
2021 kandidierte Merz erneut für ein Mandat und zog nach der Bundestagswahl wieder in den Bundestag ein. Ein Jahr später wurde er Bundesvorsitzender der CDU.
2018 hatte er in einer Abstimmung um den Posten auf dem Bundesparteitag in Hamburg noch verloren – gegen die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Über dieses Thema berichten auch die SR info-Nachrichten im Radio am 06.05.2025.