Kurt Heinemann (Foto: Arbeitskammer/Pasquale D'Angiolillo)

"Solidarität statt Wichtigtuerei"

Axel Burmeister   07.01.2016 | 11:20 Uhr

Ein Jahr nach dem Anschlag auf das Satire-Magazin "Charlie Hebdo" in Paris hat der saarländische Karikaturist Kurt Heinemann zu "Solidarität statt Wichtigtuerei" aufgerufen. Im Gespräch mit SR.de kündigte er an, auch weiterin kritisch als Karikaturist zu arbeiten.

Bissig und pointiert - Kurt Heinemann zeichnet seit 45 Jahren die Titel der Zeitschrift „Der Arbeitnehmer“. Mit der Arbeitskammer ist der Völklinger Künstler eng verbunden. Noch von Hand, ganz traditionell, zeichnet Heinemann, so wie er es an der Saarbrücker Werkkunstschule gelernt hat. Und seine Bilder sind so, wie sie bei einem Cartoonisten sein sollen: frech, hintersinnig und auf eine bestechende Art politisch unkorrekt. SR.de sprach mit dem 75-Jährigen darüber, wie sich Satire nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" verändert hat.


SR.de: Herr Heinemann, wie haben Sie reagiert, als Sie vor einem Jahr von dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ gehört haben?

Kurt Heinemann: Ich war entsetzt über die Welle von Arschleckern. Ich fand es schlimm, dass plötzlich alle etwas benutzen, um sich hoch zu spielen. Denn weder der Eulenspiegel noch Titanic noch „Charlie Hebdo“ haben so viele Leser, wie damals betroffen waren. Es wäre sehr schön gewesen, wenn diejenigen anschließend mehr als zwei Mal „Charlie Hebdo“ gekauft hätten. Solidarität statt Wichtigtuerei hätte ich mir gewünscht.

SR.de: Was war anders nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“?

Heinemann: Jeder wollte plötzlich etwas mit den heeren Typen von „Charlie Hebdo“ zu tun haben, um die man sich sonst gar nicht gekümmert hat.

SR.de: Was darf Satire heute?

Heinemann: Das ´heute´ kann man weglassen. Satire gibt es schon immer. Sie zeigt die Realität von der Seite auf, die man nicht sieht oder nicht sehen will oder nicht so sehen will und im schlimmsten Fall: nicht sehen darf.

Kurt Heinemann - Cafe de la Paix (Foto: Kurt Heinemann)
Kurt Heinemann - Cafe de la Paix

SR.de.: Haben Sie in Ihrem Leben schon eine ähnliche Situation erlebt wie die mit „Charlie Hebdo“?

Heinemann: Nein. Ich finde es respektlos, dass erst durch solche Aktionen die Karikatur wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen rückt. Dass man sich grundsätzlich über Terror aufregt – ja, gut. Aber Terror haben wir doch jeden Tag. Es gibt jetzt schon genug Anlass, sich aufzuregen. Ich bin Jahrgang `39 und ich war begeistert, als Franz-Josef Strauß gesagt hat, wenn ein Deutscher als Soldat noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt, soll ihm die Hand abfaulen. Und dann sollte ich zur Bundeswehr. Das war die Zeit als Strauß mit den Tornados rumgemacht hat. Das ist Realsatire.

SR.de: Was hat „Charlie Hebdo“ für Sie persönlich zur Folge?

Heinemann: Ich poste jeden Tag etwas auf Facebook. Da muss aber jeder selbst entscheiden, wie viel Mut er hat und was er richtig findet. Als Karikaturist arbeite ich weiter so kritisch wie bisher.

SR.de: Was ist für Sie so wichtig an Satire?

Heinemann: Das Schöne an der Satire ist, dass sie manchmal Dinge aufdeckt. Der Satiriker erfindet nicht, sondern er findet. Realsatire ist, wenn ein Staat das Töten verbietet und gleichzeitig Töten als politisches Mittel benutzt – egal wo.

          

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