Symbolbild für Wirtschaft und Finanzen/Geld und Häuser (Foto: Imago/Ralph Peters)

Bedürftige Mieter unter Druck

Felicitas Fehrer   20.02.2018 | 11:00 Uhr

Wer seine Miete nicht selbst bezahlen kann, bekommt Unterstützung vom Jobcenter oder Sozialamt - allerdings nur bis zu bestimmten Grenzwerten. Aus Sicht der Saarländischen Armutskonferenz (SAK) passen diese Grenzen und die steigenden Mietpreise aber immer seltener zusammen. Besonders kritisch sieht die SAK, wenn Mietern plötzlich der Auszug aus ihrer bisherigen Wohnung nahegelegt wird.

Für die Saarländische Armutskonferenz sind es "Drohschreiben", die Hilfsbedürftigen vom Jobcenter oder Sozialamt ins Haus flattern: Liegt die Miete eines ALG-II- oder Grundsicherungsbeziehers über dem festgelegten Richtwert, wird er aufgefordert, die Kosten zu senken. "Der Mieter wird schriftlich darauf hingewiesen, dass er sich nach einer neuen Wohnung umschauen und seine Bemühungen nachweisen soll. Tut er das nicht oder findet keine Wohnung, muss er die Differenz aus dem eigenen Regelsatz bezahlen, der sowieso schon zu niedrig ist", sagt Wolfgang Edlinger, Vorsitzender der Saarländischen Armutskonferenz.

Stellungnahme des Sozialamts und der Landkreise

"Solche 'Drohschreiben' werden von uns nicht verfasst", sagt ein Sprecher des Regionalverbands Saarbrücken. Der Regionalverband ist der Landkreis mit dem höchsten Anteil an Empfängern von Arbeitslosengeld im Saarland. Rund die Hälfte aller Sozialleistungsempfänger im Saarland wohnen dort.

Stattdessen würden laut Regionalverband die Hilfsempfänger direkt bei der Antragstellung des Arbeitslosengeldes darüber informiert, wenn ihre tatsächliche Miete oberhalb der derzeit gültigen Richtlinie liege.

Anschließend hätten die Antragsteller Gelegenheit, sich zu dieser Tatsache zu äußern und Besonderheiten ihrer Situation darzulegen. "Hier wird je nach Einzelfall entschieden", ergänzt Roman Jerusalem, Leiter des Sozialamts Saarbrücken. "Die vorgegebenen Werte sind nämlich nur Richtwerte. Es gibt ja zum Beispiel auch Personen mit Handicap, die mehr Platz brauchen", so Jerusalem.

Überprüfungen und Kostensenkungsaufforderung

In einem weiteren Schritt wird die Zumutbarkeit der Kostensenkung überprüft. "Hierbei ist das soziale Umfeld der Kunden zu betrachten. Auch ist zu prüfen, ob eine längerfristige oder nur eine vorübergehende Unzumutbarkeit besteht. Alternativen zum Wohnungswechsel werden ebenfalls berücksichtigt", ergänzt eine Sprecherin des Landkreises Merzig-Wadern.

Kommen das Jobcenter oder das Sozialamt dann zu dem Schluss, dass es keine Gründe gibt, die einer Kostensenkung entgegenstehen, erfolgt als letzter Schritt die Wirtschaftlichkeitsprüfung. "Ein Umzug ist unwirtschaftlich, wenn innerhalb von 18 Monaten die Kosten eines Wohnungswechsels nicht durch die ersparten Unterkunfts- und Heizkosten abgedeckt sind", sagt die Sprecherin des Landkreises Merzig-Wadern.

Erst, wenn diese Prüfungen erfolgt sind, könne eine Kostensenkungsaufforderung versandt werden. "Mit Erhalt dieser Aufforderung hat der Kunde sechs Monate Zeit, seine Unterkunftskosten zu senken. Ignoriert er diese Aufforderung, werden die Unterkunftskosten nach Ablauf dieser sechs Monate auf die 'angemessenen Kosten' abgesenkt", sagt ein Sprecher des Jobcenters Saarbrücken.

Spürbare Realität sieht anders aus

Bevor das Aufforderungsschreiben in den Briefkästen der Bedürftigen landet, werden erst einmal zahlreiche Faktoren überprüft, die dem jeweiligen Antragsteller eine Weitergewährung des vollständigen Grundsicherungsbetrages ermöglichen könnten. Also keine Drohkulisse?

Laut Edlinger von der SAK sieht die spürbare Realität der bedürftigen Mieter aber anders aus. "Der enorme psychische Druck, mit dem die Hilfsbedürftigen durch diese Aufforderung konfrontiert werden, ist alles andere als menschlich und wird durchaus als Drohung empfunden."

Gelinge es einem Bedürftigen nämlich nicht, die Mietkosten durch ein Gespräch mit dem Vermieter zu senken, bliebe ihm nur eines übrig: Sich eine andere Wohnung suchen. Oder zu akzeptieren, dass er zukünftig auf einen Teil des Zuschusses verzichten müsse. "Bedürftige haben auf Grund der hohen Mietpreise kaum eine reelle Chance, eine adäquate Wohnunterkunft zu finden. Das Ziel der Landkreise und Jobcenter kann doch nicht sein, sie auf die Straße zu setzen", sagt Edlinger.

Dass das sicher nicht das Ziel ist, bekräftigt Martin Luckas, Geschäftsführer des Landkreistages Saarland: "Unser Anliegen ist es nicht, Menschen in die Obdachlosigkeit zu treiben." Die Landkreise arbeiteten aber momentan daran, die Richtlinien für die Mietkostenerstattung an die gestiegenen Mietkosten anzupassen, so Luckas.

Hintergrund

Zum Verständnis: Seit Februar 2016 legen sogenannte „Abstrakte Angemessenheitsgrenzen“ fest, wie hoch die Kostenerstattung der Miete von Hilfsempfängern ist.

Diese Werte werden hinsichtlich der Kaltmieten und der anzuerkennenden Nebenkosten von den jeweiligen Landkreisen auf der Basis sogenannter „schlüssiger Konzepte“ festgelegt. Für die Ermittlung dieser Konzepte sind Hochschulen oder speziell beauftragte Institute zuständig. Heizkosten und Warmwasser werden hierbei nicht berücksichtigt.

Die so berechneten Grenzwerte legen beispielsweise für die Stadt Saarbrücken folgende Richtwerte für den Bedarf für Unterkunft fest (KdU):

  • Die Miete für einen 1-Personen-Haushalt darf bei maximal 359,92 Euro bei höchstens 45 Quadratmetern liegen.

  • Die Miete für einen 2-Personen-Haushalt darf bei maximal 418,85 Euro bei höchstens 60 Quadratmetern liegen.

  • Die Miete für einen 3-Personen-Haushalt darf bei maximal 501,57 Euro bei höchstens 75 Quadratmetern liegen.

Die Richtwerte für die anderen Landkreise des Saarlandes finden sie hier.

Derzeit werden die aktuell gültigen Richtwerte von der Firma Rödl und Partner in Zusammenarbeit mit den Landkreisen und dem Jobcenter überarbeitet.

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